Die Erkenntnis, dass Over-the-Top-Anbieter einen intelligenteren und geschickteren Geschäftsansatz verfolgen, war bereits 2007 ein heißes Thema. Alle stimmten damals darin überein, dass Telcos neue Geschäftsmodelle entwickeln müssten, um nicht lediglich als Betreiber stupider Leitungen zu gelten. Das war schnell gesagt, am Ende aber eher die Beschreibung der Notwendigkeit als eine wirkliche Lösung. Wie sollten diese neuen Modelle aussehen? Und wer würde sie entwickeln?
it der anwachsenden Cloud eröffneten sich unendliche Möglichkeiten für neue Wege, Geschäfte zu machen. Die Entwicklung war bereits im vollen Gange, aber es waren nicht die Telcos, die Cloud-Services vorantrieben. Tatsächlich waren es Unternehmen wie Apple, Amazon, Google oder Microsoft – diese Hardware- und Softwarehersteller, Buchhändler und andere Branchen begriffen zuerst die neuen Chancen. Natürlich waren es die Telcos, die mit ihrer ausgeprägten Telekommunikationsinfrastruktur die neuen Modelle ermöglichten, aber sie waren nicht so schnell wie die smarten Unternehmer, die ihre Bandbreiten mieteten, um neue Geschäftsmodelle zu etablieren.
Die neuen OTT-Cloud-Provider dachten wie Medienunternehmen, während sich die Telcos in der Rolle der Druckmaschinen wiederfanden. Der Drucker zählt die Anzahl der Seiten, aber das Medienunternehmen zählt die Leser. Während sich Telcos auf Hunderttausende von Teilnehmern fokussieren, denken Cloud-Betreiber in Millionen von Nutzern. Service-Provider sollten ebenso viel über Services nachdenken wie über Verbindungen – ebenso wie sie Jahre zuvor über die Investitionen in das Internet und die mobilen Infrastrukturen nachgedacht haben. Das meint erstens die Suche nach neuen Services und Umsatzquellen. Und zweitens – vielleicht noch wichtiger – könnte es ihr Überleben bedeuten.
2012 nahmen Amazon, Google und Microsoft 40 Prozent aller Ethernet-Ports ab, die weltweit ausgeliefert wurden. Das gibt eine Vorstellung vom massiven Investment in die Ethernet-Technologie. Die Tatsache aber, dass der Wert unterhalb von 50 Prozent liegt, zeigt aber auch, dass keiner dieser Giganten groß genug ist, die Szene wirklich zu beherrschen und die eigenen Connctivity-Standards für eine globale Nutzung zu dominieren. Zwangsläufig stehen also die Player vor einem möglichen Krieg der Plattformen.
Intensive Zusammenarbeit statt Plattform-Zwist
Die Erfahrung mit vergangenen Plattformkriegen zeigt, dass sie sich in Richtung auf ein „The winner takes it all“ Szenario bewegen. Wenn Kosten und Auswahl die vorrangigen Entscheidungskriterien für die meisten Anwender sind, können zwei unterschiedliche Plattformen kaum koexistieren. Schon gar nicht auf Augenhöhe. Gewinner nehmen sich 70 bis 80 Prozent des Marktanteils und lassen Krümel für andere zurück.
Die Alternative liegt darin, eine bessere Balance zwischen Wettbewerb und Kooperation zu finden. Der Erfolg von Carrier-Ethernet etwa liegt in der Schaffung und Zertifizierung von allgemein anerkannten Standards, anstatt in der gegenseitigen Bekämpfung um herauszufinden, wessen Technologie gewinnen wird. Das war am Ende auch eine „The winner takes it all“-Situation, aber es gab eben auch viele Gewinner: Anwender, die zertifizierte Services und Ausrüstungen kaufen können, ohne Zeit damit zu verschwenden, konkurrierende Technologien zu vergleichen, Service-Provider und Hersteller, die zu schnelleren Abschlüssen kommen sowie das weltweite Business, das von höherer Performance und geringeren Kosten für WAN-Services durch Carrier-Ethernet profitiert.
Ein Schlüsselfaktor für den Erfolg von Carrier-Ethernet war, dass das Metro Ethernet Forum die Service-Provider zur Zusammenarbeit einlud, anstatt lediglich ein Konsortium der Box-Verkäufer zu sein. Im Falle der Cloud-Services gibt es eher mehr betroffene Beteiligte: Ausrüstungshersteller, Service-Provider und Carrier wie auch große Rechenzentrumbetreiber wie Amazon, Microsoft oder Google, die gegenwärtig die Cloud dominieren, sowie eine wachsende Zahl von OTTs, die billige, flexible und funktionelle Infrastrukturen von Betreibern mieten und Geschäfte betreiben, ohne die Investitionen tätigen zu müssen, die ein Carrier leisten muss.
Diese OTT-Services stehen vielleicht noch nicht im direkten Wettbewerb mit Service-Providern, aber das kann sich ändern, wenn die Provider lediglich versuchen, erfolgreiche Geschäftsmodelle zu kopieren, anstatt auf ihre eigenen Ressourcen wie eine etablierte Kundenbasis und umfassende Infrastruktur zu bauen. Wenn jede mobile, Rechen- oder Speicher-App das Potenzial hat, ein Cloud-Service zu werden, dann müssen Service-Provider alarmiert sein.