LANline-Umfrage zum Nachfolger von 10GbE

Stellungnahme

3. Oktober 2007, 22:00 Uhr | Dr. Jörg Schröper

Die Frage "Was kommt nach 10 Gigabit Ethernet (10GbE)?" hat durch das Statement der IEEE-Gremien (also für aktive Netzkomponenten), sowohl 40GbE als auch 100GbE als künftige Option zu berücksichtigen, eine gewisse Brisanz erhalten. In einer LANline-Umfrage beantworten nun Vertreter verschiedener Unternehmen aus dem Bereich der passiven Verkabelungsinfrastruktur unsere Fragen zu diesem Thema.

Hier unsere vier Fragen an die Vertreter der Infrastrukturanbieter:

1.) Welche der beiden Techniken würde (zum Beispiel durch Entwicklungen) in Ihrem Haus den
Vorzug erhalten?

2.) Trägt Ihr Haus in irgendeiner Form zur Normierungsarbeit (für passive Komponenten) bei?

3.) Hat das Thema 10GbE-Nachfolger für Sie überhaupt bereits eine Praxisrelevanz?

4.) Für wann erwarten Sie eine (Verkabelungssystem-)Norm und erste Produkte?

Urs Imholz, Leiter Markt Schweiz bei Dätwyler Cables:

1.) Bei Dätwyler Cables stehen beide Techniken unter genauer Beobachtung, wobei wir den Fokus
auf die Generation von 100GbE legen. Nach heutigen Erkenntnissen gehen wir davon aus, dass die
passiven Komponenten auf 100GbE ausgelegt werden und die Hersteller von aktiver Übertragungstechnik
die Entwicklungen für 100GbE wie auch für 40GbE prüfen.

2.) Dätwyler Cables ist in nationalen und internationalen Normungsgremien vertreten und nimmt
aktiv an der Normierungsarbeit teil. Dabei fließen auch regelmäßig Erkenntnisse aus Forschung und
Entwicklung von uns in die Fachgruppen ein.

3.) 10GbE bis zum Arbeitsplatz ist bereits normativ realisiert, deshalb sind zunächst zumindest
für den Backbone höhere Übertragungsraten zwingend notwendig. Die Kunden von Dätwyler Cables wollen
wissen, wie sich der Markt technisch weiter entwickelt. Verkabelungsinfrastrukturen bilden das
Rückgrat der sich ständig wandelnden Kommunikationstechniken. Die Auswahl der passiven
Datennetzwerke bedeuten bei den meisten Unternehmen strategische Entscheidungen für die nächsten
acht bis zehn Jahre. Deshalb gehören Ausblicke der nächsten Verkabelungsevolution mit in die
Beurteilung hinein.

4.) Die Task Force IEEE 802.3 HSSG (High Speed Study Group) für 100 GbE startet diesen September
mit der Arbeit und sieht vor, den Standard bis November 2009 zu verabschieden. Passive
Verkabelungslösungen, basierend auf heutigen laseroptimierten Multimodefasern der Qualität OM3,
werden während dieser Zeit weiter entwickelt. Nach heutigen Erkenntnissen muss bei der aktiven
Übertragung die Entwicklung von 850nm-VCSEL-Lasern noch weiter laufen. Deshalb werden die ersten
funktionalen Lösungen basierend auf Glasfasertechnik nicht vor 2010 bis 2012 kommen. Lösungen mit
Kupferdatenkabel werden im zweiten Schritt speziell für Anwendungen im Rechenzentrum folgen.

Yvan Engels, Head of Product Management, Business Unit Datacom bei Leoni Kerpen:

1.) Die High Speed Study Group (HSSG) behandelt in IEEE 802.3 drei Themen. Das ist zum einen
100GbE über LWL. Motivation ist der weiterhin steigende Bandbreitenbedarf im RZ, Campus und
Building-Backbone. Die Designziele sind mindestens zehn Kilometer über Singlemode, mindestens 100
Meter über Multimode (OM3). Das zweite Thema ist 100GbE über Kupfer zur Rechnerverbindung
(Interconnection). Hier wurde die Machbarkeit für Übertragungslängen bis zehn Meter in diesem Jahr
nachgewiesen. Anschlusstechnik und einzelgeschirmte achtpaarige Hochgeschwindigkeitskabel
existieren bereits.

Bezüglich der strukturierten Verkabelung bis zum Arbeitsplatz (Übertragungsstrecke 100m)
favorisiert Leoni Kerpen die Lösung, die auf dem Markt und in den Gremien die höchste
Anwendungsrelevanz haben wird. Dies ist heute noch nicht entschieden. Aufgrund der verfügbaren
Hochleistungsprodukte im Bereich Datenkabel und Anschlusstechnik sind wir für eine mögliche
100GbE-Variante bestens aufgestellt. Im letzten Jahr wurde an der Uni Reutlingen nachgewiesen, dass
mit einer Klasse-F-Verkabelung Übertragungsraten von mehr als 50 GBit/s möglich sind.

2.) Leoni Kerpen arbeitet seit Jahren aktiv in der nationalen und internationalen Normierung mit
und konnte dort schon viele Impulse geben. Im Überblick: Verkabelung für Office, Industry, Data
Center und Home, GUK 715.3 (Deutschland); ISO/IEC JTC1 SC25 WG3 (international); Datenkabel UK
412.6 (Deutschland): 46XC (Europa); Anschlusstechnik 48B (international).

3.) Das Thema 100GbE in LWL hat bereits heute Praxisrelevanz. Für die strukturierte
Kupferverkabelung gilt dies heute sicher noch nicht. Allerdings – Moore’s Law folgend – werden in
sechs Jahren (also 2013) erste Anwendungen erscheinen.

4.) Zum Thema 100GbE über LWL: Hier wird ein IEEE-802.3-Standard für Ende 2009 erwartet. Eine
Norm für die Verkabelung dürfte dann in 2010 folgen. Optimierte Produkte werden bis dahin verfügbar
sein. Für 100GbE über Kupfer zur Rechnerverbindung (Interconnection) bieten wir bereits heute
Produkte an. Für die strukturierte Kupferverkabelung lässt sich die Frage zurzeit noch nicht genau
beantworten. Dies hängt von Entscheidungen in IEEE 802.3 ab.

Gerd Backhaus, Marketing Manager DACH und Osteuropa bei Nexans:

1.) Im Bereich der Kupferkomponenten sehen wir den Schwerpunkt unserer Entwicklungen bei 40G
über GG45-Anschlusskomponenten. 100GbE über Kupfer wird dagegen wohl nur über extrem kurze
Verbindungen möglich sein und daher bei Nexans eher als Glasfaserthema behandelt.

2.) Nexans ist international mit rund 25 Personen in diversen Normierungsgremien vertreten und
unter anderem maßgeblich an der ISO11801 beteiligt. Die Forschungsergebnisse unseres Data
Communication Competence Centers in New Holland, USA, tragen entscheidend zum
Normierungsfortschritt bei ISO und IEEE bei.

3.) Ja sehr! Vor allen natürlich Rechenzentren profitieren davon. Klasse-F- und -FA-Produkte wie
die GG45-Komponenten ermöglichen mit ihren hohen Bandbreiten sowohl die Unterstützung höher
performanter Datendienste als auch die Entwicklung aktiver Komponenten, die ohne aufwändige
Kompensation auskommen. Diese könnten preisgünstiger gebaut werden, hätten einen geringeren
Stromverbrauch und würden weniger Wärme entwickeln.

4.) Die Klasse FA ist derzeit schon in der Verabschiedung, und auch entsprechende Produkte sind
verfügbar: die GG45-Anschlusslösung bietet ausreichend Performance für 40GbE und ist darüber hinaus
schon seit Jahren verfügbar und praxiserprobt. Gleichwohl arbeiten wir an der Optimierung unserer
Produkte, sodass in absehbarer Zeit auch mit einer noch leistungsstärkeren GG45-Lösung gerechnet
werden kann.

Stefan Ries, Vice President Enterprise bei Reichle & De-Massari:

1.) Wir haben diesbezüglich für keine der beiden eine Präferenz.

2.) Wir arbeiten in der ISO/IEC SC25 WG3 wie auch in der entsprechenden CENELEC-Gruppe auf
internationaler Basis sowie in diversen nationalen Komitees mit. Wir beteiligen uns damit aktiv in
den Gremien, die aus den Anforderungen, die die IEEE an die Verkabelung stellt, einen
Verkabelungsstandard entwirft.

3.) Im Prinzip hat es für uns noch keine Praxisrelevanz, allerdings verfolgen wir die
Aktivitäten genau und lassen alle Erkenntnisse in unsere Produkte einfließen, falls dies möglich
ist, um die heutigen Installationen soweit wir möglich für die Zukunft zu rüsten.

4.) Dies können wir zurzeit noch nicht abschätzen.

René Trösch, Technical Manager Switzerland bei Commscope Solutions, Systimax:

1.) Beide Versionen können einen Vorzug erhalten. Die Tendenz geht in Richtung 100GbE. Systimax
hat schon immer Lösungen angeboten, die mehr können, als die minimale Beschreibung in den Standards
vorgibt. Die Richtung 40 oder 100GbE wird eher von Herstellern aktiver Komponenten vorgegeben, die
die entsprechenden Chips bauen.

2.) Mehrere Personen sind aktiv in den Normierungsgremien der IEEE und der ISO/IEC, EIA/TIA
vertreten und tragen mit ihren Untersuchungen zur Entwicklung der Standards bei.

3.) Dies kann mit ja beantwortet werden. Die 10GbE-Glasfaserstandards sind etabliert und müssen
durch die stetig erhöhte Datenmenge in wenigen Jahren angepasst werden. Im Bereich der
Kupferverkabelung wird sich erst 10GbE etablieren müssen. Wir sehen aber in wenigen Jahren auch
dort Möglichkeiten, den Datenfluss zu erhöhen. Ob dies wie die CX4-Lösung aussehen wird oder über
eine Art TP, Koax lässt sich heute noch nicht sagen. Ebenso steht eine universelle Lösung über 100
Meter noch in den Sternen.

4.) Glasfaserstrecken werden in zwei bis vier Jahren verfügbar sein, Die Kupferlösungen eher in
vier bis sechs.

Allan Nielsen, Standards Manager EMEA bei Tyco Electronics:

1.) Tyco Electronics wird beide Techniken weiterentwickeln, weil beide sich gegenseitig
ergänzen. Während des letzten IEEE-Standardmeetings in San Francisco im Juli 2007 wurde
beschlossen, 40GbE und 100GbE in den nächsten Ethernet-Standard inzubeziehen.

Das Ziel ist, eine 40GbE-Struktur zu entwickeln, die mindestens zehn Meter einer
Kupferverkabelung nutzen kann oder mindestens 100 Meter einer OM3-Glasfaser. 100GbE soll ebenso
mindestens zehn Meter über Kupferkabel, mindestens 100 Meter über OM3-Glasfaser und mindestens 40
Kilometer über Singlemode-Glasfaser unterstützen.

Die Intention von IEEE ist es, eine günstige Schnittstelle für den Einsatz in Rechenzentren zu
entwickeln. Eine Kupferschnittstelle für die kurzen Entfernungen zum Beispiel für Verbindungen von
Server zu Speicher, Speicher zu Speicher oder Core-Switch zu 2nd-Level-Switch in
Hauptverteilbereichen, während längere Distanzen durch Glasfasern abgedeckt sind, ebenso wie heute
10Gb Ethernet CX4 für die kurzen Entfernungen und Glasfaser für die längeren. Wir werden Lösungen
für beide Techniken entwickeln. Die Kupferverkabelung wird eine Punkt-zu-Punkt-Verbindung mittels
eines Kabels sein, also keine strukturierte Verkabelung, während der Glasfaser-Channel eine
strukturierte Verkabelung mit Steckverbindern sein wird.

2.) Tyco Electronics ist in allen wichtigen Ausschüssen zur Standardisierung von Verkabelungen
vertreten, IEEE 802.3 (Ethernet), ISO/IEC JTC1 SC25 (Verkabelungsstandards), IEC SC48B
(Kupfer-Verbindungstechnik), IEC SC 86B (Glasfaserverbindungstechnik), IEC SC 86C
(Glasfasertestmethoden), ITU-T (Standards für Telekom-Applikationen), CENELEC TC215
(Verkabelungsstandards), TIA/EIA TR42 (Verkabelungsstandards). Mehr als 50 Personen arbeiten
derzeit aktiv im Bereich Standardisierung, entweder in nationalen oder in internationalen
Ausschüssen.

3.) Wir denken, dass sowohl 40GbE als auch 100GbE bereits eine Relevanz haben. Wir erwarten,
dass sich der Bedarf an Bandbreite in und zwischen Rechenzentren in den nächsten vier Jahren um das
zehnfache und bis zum Jahr 2015 um das 100-fache erhöht.

Wenn heute Rechenzentren Link Aggregation (LAG) für 1GbE benutzen, dann werden diese sehr bald
an 40GbE interessiert sein, da der Bedarf an Bandbreite dramatisch ansteigt. Mehr als 60 Prozent
der heute ausgelieferten Server sind Bladeserver mit SAN- oder NAS-Anbindung zur Datenspeicherung.
Ethernet wird für den Transport von Daten zwischen Server und Speichereinheiten genutzt und der
Anstieg der Bandbreite ist exponentiell zur Größe der Speicher.

Man darf auch nicht vergessen, dass neue Applikationen wie Video on Demand kommen, auch die Zahl
der Online-Spieler im Internet steigt rapide an. Vor diesem Hintergrund ist es nur natürlich, dass
Rechenzentren mit deutlich höheren Geschwindigkeiten arbeiten müssen.

4.) Wir erwarten im Aktivkomponentenbereich die ersten 40GbE-Produkte basierend auf
Glasfasertechnik innerhalb der nächsten zwei Jahre. Auf der Verkabelungsseite liefern wir bereits
heute Produkte, die 40GbE unterstützen. Unsere Rechenzentrumslösung basiert auf dem
Netconnect-MPO-Steckersystem und einer OM3-Faser. Vermutlich werden Multimode-Kabel mit einer
OM4-Güte erscheinen, die es ermöglichen, 40GbE und 100GbE über mindestens 300 Meter einer
Multimode-Verkabelung zu übertragen, aber dies ist erst zu verifizieren.

Der Standard für OM3 in Verbindung mit MPO-Steckverbindern ist in der EN 50173-5 beschrieben.
Ein mit ISO/IEC 24764 vergleichbarer Standard wird für September 2008 erwartet. Auf der Kupferseite
muss die IEEE entscheiden, welchen Steckverbinder man verwenden will. Lösungen mit einem
Kategorie-7A-Steckverbinder in Verbindung mit einer PiMF-Kabelkonstruktion und einem koaxialen
CX4-Interface wurden unterbreitet.

Man erwartet, dass die IEEE diesen Vorschlag im November 2007 macht, und man kann mit einer
Stabilisierung im Juni 2008 rechnen, wenn letzte technische Änderungen in den Standard eingebracht
sind. Seit Juli 2007 arbeitet man bei der IEEE am Standard IEEE 802.3at 40GbE und 100GbE über
Kupfer und Glasfaser. Die Veröffentlichung wird im Dezember 2008 erwartet.


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