Für die wiederkehrende Prüfung ortsfester elektrischer Anlagen nach DGUV Vorschrift 3 ist eine Isolationsmessung erforderlich, für die die Anlage abzuschalten ist. Produktionsabläufe und Verwaltungsabläufe sind dann unterbrochen. Dies erfordert einen erhöhten Aufwand und häufig erhebliche Kosten. Um eine solche Situation zu vermeiden, bieten die Normen eine Alternative: die kontinuierliche Differenzstrommessung, mit der sich zudem Fehler schneller lokalisieren lassen. Eine kontinuierliche RCM-Überwachung (Residual Current Monitoring) kann eine Abschaltung vermeiden und den Prüfaufwand minimieren.
Hochautomatisierte Fertigungsanlagen, Rechenzentren, aber auch Anlagen mit kontinuierlichen Prozessen (zum Beispiel Lebensmittel, Kabelfabriken, Papierfertigung) erfordern eine zuverlässige Stromversorgung. Oft sogar Hochverfügbarkeit, also eine Verfügbarkeit von mindestens 99,9 Prozent, häufig sogar 99,9999 Prozent. Klingt eine 99-prozentige Verfügbarkeit zwar recht gut, so ist doch zu bedenken, dass man dabei mit einer Ausfallzeit von 87,7 Stunden rechnen muss. Im Vergleich: 0,53 Minuten sind dies bei den "Six Nines" (99,9999 Prozent). Die vielen Server, Automatisierungssysteme, Aufzüge, Sicherheitssysteme, Kommunikationseinrichtungen, Speichermedien und Netzwerkkomponenten tolerieren in der Regel keine Spannungsunterbrechungen oder Unterspannungen von mehr als 10 ms.
Grundvoraussetzung für alle weiterführenden Maßnahmen ist eine zuverlässige Installation. TN-S-Systeme sind Stand der Technik und in den meisten kritischen Anwendungen ohnehin vorgeschrieben. Im Gegensatz zu den früher üblichen TN-C-Systemen weisen sie zum Beispiel günstige EMV-Eigenschaften auf. Außerdem ermöglichen sie eine Differenzstromüberwachung (Residual Current Monitoring, kurz RCM), wie in Bild 1 illustriert. RCM-Messgeräte (wie UMG96RM-E/UMG509/UMG512/UMG20CM von Janitza) sind zur Überwachung von Wechselströmen, pulsierenden Gleichströmen gemäß IEC/TR 60755 (2008-01) geeignet und können zur permanenten Überprüfung von Fehlerströmen in TN-S-Systemen dienen.
Mit einem flächendeckenden RCM-System sind Fehler in TN-S-Systemen direkt lokalisierbar. Dann kann der Anwender reagieren, bevor ein kritischer Zustand eintritt. Zudem sind Abschaltungen durch Fehlstromschutzschalter (RCD) vermeidbar. Dies gilt vor allem für schleichend steigende Differenzströme (ausgelöst etwa durch Isolationsfehler), zu hohe Betriebsströme oder anderweitige Überlastungen von Anlagenteilen oder Verbrauchern (Bild 2).
Die grundsätzliche Funktionsweise des Differenzstromprinzips ist in Bild 3 dargestellt. Durch den Summenstromwandler sind die Phase und der Neutralleiter des zu schützenden Abgangs geführt, der Schutzleiter ist ausgenommen. Das Bild zeigt der besseren Übersicht wegen eine stark vereinfachte Schaltung. In der Praxis laufen alle drei Phasen und der Neutralleiter durch den Summenstromwandler.
Bei Systemen ohne Neutralleiter, zum Beispiel bei geregelten Antrieben, laufen nur die drei Phasen durch den Summenstromwandler. Im fehlerfreien Zustand der Anlage ist der Summenstrom Null oder nahe Null (im tolerierbaren Bereich), sodass der im Sekundärkreis induzierte Strom ebenfalls Null oder nahe Null ist. Fließt hingegen im Fehlerfall ein Fehlerstrom gegen Erde ab, verursacht die Stromdifferenz im Sekundärkreis einen Strom, den das RCM-Messgerät erfasst und auswertet (Bild 4).
Moderne RCM-Messgeräte lassen dabei unterschiedliche Grenzwerteinstellungen zu (Bild 5). Ein statischer Grenzwert hat den Nachteil, dass er entweder bei Teillast zu groß oder bei Volllast zu klein ist. Das heißt, es findet entweder kein ausreichender Schutz statt oder es kommt zu Fehlalarmen, die sich auf Dauer negativ auf die Aufmerksamkeit des Überwachungspersonals auswirken können. Aus diesem Grund ist es empfehlenswert, RCM-Messgeräte mit dynamischer Grenzwertbildung zu verwenden. In diesem Fall wird der Fehlerstrom-Grenzwert auf Basis der aktuellen Lastverhältnisse gebildet und ist damit optimal an die jeweils vorliegende Last angepasst (Bild 6).
Durch Parametrieren (also Festlegen des typischen Fehlerstromes in "GUT"-Zustand) der Anlage im Neuzustand und das kontinuierliche Monitoring sind alle Veränderungen des Anlagenzustandes ab dem Inbetriebnahmezeitpunkt erkennbar. Damit lassen sich auch schleichende Fehlerströme erkennen. Anhand historischer Verläufe der Last und des Ableitstroms kann der "GUT"-Zustand ermittelt und ein sinnvoller Fehlerstromgrenzwert bestimmt werden. Integrierte Speicher der Messgeräte und überlagerte Scada-Systeme oder eine Energiedatenerfassungssoftware (zum Beispiel Gridvis) ermöglichen zeitliche Aussagen und Analysen.
Es würde den Rahmen sprengen, alle Normen und Vorschriften aufzuzählen, die im Zusammenhang mit RCM entstanden sind. Einige Faustregeln geben jedoch Anhaltspunkte: So sollte ein Betreiber bei Einzelstromkreisen weiterhin mit festen Grenzwerten wie 30 mA arbeiten oder beim Ziel Brandschutz mit 300 mA. Bei Frequenzumformern sollte er die maximalen Ableitströme aus den Datenblättern hinzuziehen. Grundsätzlich gilt: Grenzwerte sind Erfahrungswerte und abhängig von der Art der Verbraucher festzulegen. Eine Orientierungshilfe bieten Werke wie die EMV-Fibel von Wilhelm Rudolph (Bild 7). Zu beachten ist auch die Wahl der richtigen Fehlerstromerfassungstechnik. Die Tabelle in Bild 8 gibt eine Übersicht.
Eine typische Anwendung für RCM-Systeme sind Rechenzentren. EDV-Technik an sich stellt bereits hohe Ansprüche an die Versorgung, oft sogar Hochverfügbarkeit, also eine Verfügbarkeit von mindestens 99,9 Prozent. Besonders kritisch sind jedoch Anwendungen, in denen ein Datenverlust einfach nicht vorkommen darf. So schreibt der Verband Bitkom in seinem Leitfaden "Betriebssichere Rechenzentren": "In Rechenzentren werden höchste Verfügbarkeitsanforderungen gestellt. Entsprechend ist die Energieversorgung nachhaltig sicherzustellen. Geradezu selbstverständlich ist die Forderung, dass die Stromversorgung des Rechenzentrums selbst und aller Bereiche im gleichen Gebäude, zu denen Datenkabel laufen, als TN-S-System ausgeführt sein muss. Unbedingt nötig für den sicheren Betrieb sind eine permanente Selbstüberwachung eines ?sauberen? TN-S-Systems und die Aufschaltung der Meldungen an eine ständig besetzte Stelle, zum Beispiel an die Leitzentrale. Die Elektrofachkraft erkennt dann über entsprechende Meldungen den Handlungsbedarf und kann durch gezielte Service-Maßnahmen Schäden vermeiden." Mit einer Komplettlösung lässt sich das Sicherheitskriterium "RCM-Fehlerstromüberwachung" eines derartigen EMV-optimierten TN-S-Systems realisieren (Bild 9).
RCMs sorgen nicht nur für höchste Sicherheit, sie helfen auch Kosten zu senken. Wiederkehrende Prüfungen wie sie etwa die DGUV V3 "Elektrische Anlagen und Betriebsmittel" vorschreibt, sind zeitraubend und damit teuer. RCM-Überwachungssysteme reduzieren Prüfkosten und sparen Zeit und sorgen dennoch für mehr Sicherheit. Ortsfeste elektrische Anlagen und Betriebsmittel gelten nämlich als ständig überwacht, wenn sie kontinuierlich von Elektrofachkräften instand gehalten und durch messtechnische Maßnahmen im Rahmen des Betreibens (etwa Überwachen des Isolationswiderstandes) geprüft werden. Durch eine kontinuierliche RCM-Messung können Überwachungssysteme die geforderte kontinuierliche Prüfung sicherstellen.
Zu den Einsparpotenzialen zählen:
Unter bestimmten Voraussetzungen lassen sich mit einer kontinuierlichen RCM-Überwachung auch RCDs umgehen. Erforderlich sind dazu eine Aufschaltung der Meldung und sofortige Reaktion im Fehlerfall, eine Funktionsprüfung der Meldeeinrichtungen, eine Elektrofachkraft vor Ort und zudem Vorkehrungen dafür, dass Steckdosen nicht für Laien zugänglich sind.
Grundsätzlich gilt: Differenzstrom-Überwachungsgeräte (RCMs) sind keine Schutzeinrichtungen, sie dürfen jedoch dazu dienen, Differenzströme in elektrischen Anlagen zu überwachen. Differenzstrom-Überwachungsgeräte (RCMs) lösen ein hörbares oder ein hör- und sichtbares Signal aus, wenn der vorgewählte Wert des Differenzstroms überschritten ist (VDE 0100-410 415.1 und 411.3.3/VDS2349 und 2046/TRBS1201/DGUV V3/Neuer Normenentwurf für wiederkehrende Prüfungen DIN VDE 0100-600:2015-05/IEC CDV 60364-6).
Besonders erwähnenswert ist, dass durch RCMs die kostenintensive Messung von Isolationswiderständen zumindest teilweise entbehrlich wird und eine kontinuierliche Prüfung der Isolationsbeschaffenheit stattfindet. Für die konventionelle Isolationsmessung muss die ortsfeste Anlage und der Verbraucher abgeschaltet sein. Zusätzlich besteht die Gefahr, dass durch die hohe Prüfspannung der Isolationsmessung sensible elektronische Bauteile beschädigt werden. Die Prüfschärfe und der Umfang ist durch eine kontinuierliche Überwachung erheblich reduzierbar. Dies muss allerdings anwendungsspezifisch festgelegt sein. Die Abnahme und Risikobewertung eines Sachverständigen oder der Berufsgenossenschaft für eine gesamtheitliche RCM-Überwachung ist empfehlenswert, aber nicht verpflichtend.
Ausdrücklich sei an dieser Stelle erwähnt, dass folgende Arbeiten trotz kontinuierlicher RCM-Messung durchzuführen sind:
Der VdS äußert sich zum Thema Stromversorgungssysteme wie folgt: "Bei Stromversorgungssystemen mit PEN-Leiter fließen im gesamten Erdungs- und Potenzialausgleichssystem betriebsbedingte Ströme, die Schäden verursachen können. Für neu zu errichtende elektrische Anlagen sind deshalb TN- als TN-S-Systeme zu planen. Für bestehende TN-C-Systeme ist die Umrüstung auf ein TN-S-Systeme empfohlen. TN-S-Systeme sind möglichst ab der Einspeisung (Übergabestelle) zu realisieren. Um die Funktionsfähigkeit eines TN-S-Systems auch auf Dauer zu gewährleisten (kein Leiterschluss zwischen N- und PE-Leiter, Vertauschen von N- und PE-Leiter), ist dieses durch eine Differenzstrom-Meldeeinrichtung (RCM) zu überwachen. Wenn der eingestellte Ansprechwert erreicht wird, muss eine wahrnehmbare optische und akustische Fehlermeldung erfolgen, damit sich die Mängel sofort beseitigen lassen. Damit die Meldung erfolgreich ist, sollte sie gegebenenfalls an einer besetzten Stelle aufgeschaltet werden. Wird auf eine Aufschaltung verzichtet, ist die zwangsläufige Abschaltung des fehlerhaften Stromkreises erforderlich."
Eine umfassende RCM-Überwachung der Stromversorgung erfolgt auf allen Ebenen: vom ZEP und überwachungsbedürftigen Abgänge in der NSHV, in den Unterverteilungen und bis hin zu einzelnen kritischen Lasten. RCM ist jedoch eine Überwachungsmaßnahme, um eine zuverlässige Energieversorgung sicherzustellen. Janitza bietet dazu seine Baureihen UMG 512, UMG 96RM-E und UMG 20CM an. Zusammen mit der Energiedatenerfassungssoftware Gridvis und dem integrierten Alarmmanagement stellen sie Lösungen für drei Bereiche in einer gemeinsamen Systemumgebung und nur einem Messgerät je Messstelle dar.
Dazu gehören das Energie-Management nach ISO 50001 (Erfassen von V, A, Hz, kWh, kW, kVArh, kvar etc.), die Überwachung der Spannungsqualität (Oberschwingungen, Flicker, Spannungseinbrüche, Transienten etc.) sowie die Differenzstrommessung (RCM). Diese Bündelung der drei unterschiedlichen Funktionen in einem einzigen Messgerät hat den Vorteil, dass sowohl die Montage und Installation als auch die restliche Infrastruktur (Stromwandler, Kommunikationsleitungen und -einrichtungen, Datenbank, Software, Analyse-Tools, Reporting-Software) nur ein einziges Mal nötig sind.