Die künftige EN 50173-6 und die Praxis

Verkabelungsnorm für Gebäude

7. August 2013, 6:00 Uhr | Falco Lehmann/jos, Manager Fiber Optic Solutions bei Telegärtner in Steinenbronn.

Immer mehr Anwendungen der Gebäudetechnik entwickeln sich unaufhaltsam in Richtung IP-Technik. Fast täglich kommen neue Dienste für das Smart Building hinzu. In keiner der vorhandenen Normen ist jedoch eine Verkabelungsinfrastruktur für gebäudeweit verteilte Dienste vorgesehen, die von der klassischen hierarchischen Sternstruktur abweichen. Diese Lücke soll der künftige Teil 6 der Normenfamilie EN 50173 schließen.Sicherheit, Komfort, Energieeffizienz und Kostensenkung durch IP-Technik - das sind im Wesentlichen die Grundgedanken des Smart Homes und des Smart Buildings. Die Unterhaltungsindustrie verspricht einen bislang ungeahnten Wohnkomfort und ein neues Maß an Sicherheit. Die Politik hat sich vorgenommen, bis 2020 alle Haushalte in der EU mit mindestens 30 MBit/s zu versorgen. Im Rahmen der Digital Agenda will Brüssel bis dahin rund sieben Milliarden Euro für Infrastrukturprojekte zur Verfügung stellen. Dazu kommen die Vorgaben für die Energiewende: Allein in Deutschland soll der CO2-Ausstoß bis 2050 um 80 bis 95 Prozent gegenüber 1990 sinken, erneuerbare Energien sollen bis dahin 60 Prozent des Bruttoendenergieverbrauchs ausmachen. Viele regenerative Energien wie Wind- und Solarenergie unterliegen jedoch starken Schwankungen. Wenn die Energiewende erfolgreich sein soll, muss der Verbrauch auf die Erzeugung abgestimmt sein. Und dies gelingt nur mithilfe der IP-Technik, die die verschiedenen Verbraucher in den Gebäuden steuert.   Verteilte Dienste IP-Anwendungen in Wohn- und Geschäftsgebäuden gehen mittlerweile weit über Unterhaltungselektronik und Energiemanagement hinaus und gewinnen immer mehr an Bedeutung. In den Gebäuden sind zunehmend dezentrale Dienste anzutreffen: Wireless LAN, IP-Videotechnik, Gebäude-Leit-/Steuertechnik, Rufanlagen, Heizung/Klimatisierung, Lüftung, Beschattung Verdunkelung, Beleuchtung, Stromverteilung, Zeiterfassung und der Gebäudezugang arbeiten vermehrt automatisch überwacht und geregelt. Dies erfordert zusätzliche Geräte, Sensoren und Aktoren in nahezu jedem Raum einschließlich der entsprechenden Verkabelung. Die benötigten Anschlüsse sind im gesamten Gebäude verteilt, oft auch an schwer zugänglichen Stellen. Die bisherigen Teile der EN 50173 definieren anwendungsneutrale Kommunikationskabelanlagen für Büro- und Wohngebäude, industriell genutzte Standorte und Rechenzentren. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Übertragung von Sprache und Daten. Für die neuen, verteilten Anwendungen reicht die Verkabelung nach den bisherigen Normen nicht aus. Neue, zusätzliche Strukturen sind in den Gebäuden vorzusehen. Um dieser Anordnung Rechnung zu tragen, entstand ein Normentwurf: Der neue Teil 6 der EN 50173 spezifiziert die Kommunikationsinfrastruktur für aktuelle und künftige verteilte Dienste, die von der klassischen hierarchischen Sternstruktur abweichen.   Die künftige EN 50173-6 Die kommende Norm "Informationstechnik - Anwendungsneutrale Kommunikationskabelanlagen - Teil 6: Verteilte Gebäudedienste" definiert die Verkabelungsstruktur, die für die neuen, verteilten Gebäudedienste notwendig ist. Dies sind vor allem: Funk (WLAN), Energie-Management, beispielsweise bei Beleuchtung, Stromverteilung und Zählerablesung durch das EVU, Regelung der Umgebungsbedingungen, beispielsweise Lüftung, Heizung, Klimatisierung, Beschattung, Verdunkelung und Feuchte, Mitarbeiter-Management, bei-spielsweise Zugangskontrolle, Videoüberwachung, Bewegungs-/Präsenzmelder, Zeiterfassung, Leitsysteme, Projektoren und persönliche Information und Alarmierung, beispielsweise Personenruf, Patientenüberwachung, Schwesternruf sowie die Sicherheit von Kindern. Der Schwerpunkt liegt dabei auf ferngespeisten Geräten, die über die Datenleitung Strom beziehen. Dabei orientiert sich der neue Teil 6 wo immer möglich an den bekannten Strukturen und technischen Vorgaben von Teil 2 (Bürogebäude) und Teil 4 (Wohnungsverkabelung) der EN 50173.   Typ A und Typ B Um eine möglichst große Zahl verschiedener Dienste abdecken zu können, sieht die neue EN 50173-6 zwei prinzipielle Verkabelungsstrukturen vor: Typ A und Typ B. Typ A, die so genannte Diensteverteilungsverkabelung entspricht als flächendeckende Vollverkabelung der Verkabelungsstruktur der Teile 2 bis 5 der EN 50173. Sie sieht zusätzlich die Möglichkeit vor, Endgeräte ohne Anschlussdosen direkt anzuschließen. So kann ein Verlegekabel direkt bis in das Schutzgehäuse eines Geräts - beispielsweise einer IP-Kamera - geführt und mit einem feldkonfektionierbaren Stecker abgeschlossen sein. Dies schließt Probleme durch Feuchtigkeit, Staub und unbefugten Zugriff wirksam aus. Typ B, die Versorgungsbereichsanschlussverkabelung, schließt die Verkabelungsstrecken der Verteiler bis hin zum Konzentrationspunkt ("Sammelpunkt" nach Teil 2) ein. Dabei ist es erstmalig innerhalb der EN 50173 zulässig, von der hierarchischen Sternstuktur abzuweichen und mehrere Geräte in Baum-, Ring- oder Busstruktur anzuschließen, abhängig von der jeweiligen Anwendung. Damit ist die Integration bestehender oder aktuell verfügbarer Anwendungen der technischen Gebäudeausrüstung gewährleistet. Wie bei den übrigen Teilen der EN 50173 sind auch bei einer Verkabelung nach Teil 6 die Anforderungen der EN 50174 zwingend einzuhalten. Er sieht einen Diensteverteiler für je 1.000 m² Etagenfläche vor. Spärlich besiedelte Etagen lassen sich von der Nachbaretage aus versorgen. Trotz gebäudeweit verteilter Dienste sind als maximale Leitungslänge vom Verteilfeld zum Endgerät 100 Meter inklusive Anschlussschnüre vorgesehen. Die maximale Länge des Verlegekabels beträgt 90 Meter, kann in Abhängigkeit des Konzentrationspunktkabels oder bei Verwendung längerer Schnüre jedoch geringer ausfallen. Wie gewohnt stehen für Verkabelungen mit Kupferdatenleitungen 2-, 3- und 4-Connector-Modelle zur Verfügung. Die Verkabelung ist mindestens nach Klasse D (100 MHz) auszuführen, bei Verwendung eines Konzentrationspunktes gilt die 15-Meter-Regel für Leitungen zwischen Verteiler und Konzentrationspunkt. Empfehlenswert sind Verteilfeldkomponenten für den Einbau in den Elektroverteiler, in dem ein geschottetes Feld vorzusehen ist. Feldkonfektionierbare Stecker, die sich sowohl für Draht als auch für Litze eignen, bieten beim direkten Anschluss von Endgeräten deutliche Vorteile. Eine Notiz am Rande: Patch-Kabel heißen in der EN 50173-6 offiziell Dienstebereichsschnur zum Anschluss des Endgeräts, Geräteverbindungsschnur zum Anschluss der aktiven Komponente im Verteiler und Rangierschnur, falls der Verteiler als Rangierverteiler (Cross Connect) ausgeführt ist. Ungeachtet entsprechender Dienste sind überbrückte Abzweigungen nicht zulässig. Die EN50173-6 sieht die Möglichkeit vor, Lichtwellenleiter vom Verteiler zum Dienstekonzentrationspunkt zu verlegen. Als Netzwandlungsschnittstelle sind dort dann Medienkonverter installiert. Als Steckgesicht beim Übertragungsmedium Kupfer ist der RJ45 bis einschließlich Kategorie 6A definiert, der GG45 ist ebenfalls zugelassen. Buchsen mit integriertem Kontaktüberbiegeschutz sind in jedem Falle von Vorteil. Dadurch ist sichergestellt, dass die Buchsenkontakte keinen Schaden nehmen, falls ein Nutzer versehentlich ein Telefon- oder Faxgerät mit RJ11- oder RJ12-Stecker einsteckt. Die verschiedenen Stecker sind für Nicht-IT-Fachleute auf den ersten Blick nur schwer voneinander zu unterscheiden. Ein Steckgesicht für Lichtwellenleiterstrecken ist nicht vorgegeben, der LC-Steckverbinder dürfte aufgrund seiner kompakten Maße und seiner zunehmenden Marktdurchdringung jedoch dominieren.   Sonderstruktur für Funkanwendungen Für die Verkabelung zum Anschluss von Wireless LAN Access Points ist eine Wabenstruktur vorgesehen; der Radius des um ein Wabensechseck umbeschriebenen Kreises sollte dabei maximal zwölf Meter betragen. Sie ist damit identisch mit den Strukturen nach ISO/IEC TR 24704 und TIA TSB 162. Ein Beispiel dafür, wie die Verkabelung für dezentrale IP-fähige Geräte bereits heute in der Praxis umgesetzt wird, ist die VDE-Anwendungsregel VDE-AR-N 4101. Sie ist seit August 2011 in Kraft und definiert die Mindestanforderungen für Zählerplätze.   Richtlinie sieht RJ45-Buchse vor Gemäß dieser Richtlinie ist in jedem Zählerplatz eine RJ45-Buchse vorzusehen, Smart-Metering-Multimedia-Verteiler um die Daten von intelligenten Stromzählern (Smart Meter) zu erfassen und weiterzuleiten - und zwar unabhängig davon, wann ein solcher Stromzähler in Betrieb geht. Ein Kommunikationsmodul - das Multi Utility Communication Module, kurz: MUC - leitet die Zählerdaten an Energieversorger und Endverbraucher weiter.

Auch eine Wabenstruktur für WLAN-Access-Points ist in der neuen Norm definiert.

Smart Metering kann als eine erste flächendeckende Applikation gelten.

Vorgesehen sind beispielsweise Patch-Kabel der Kategorie 6A.

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