In Rechenzentren spielen KVM-Lösungen nach wie vor eine wichtige Rolle: Ein ausfallgeschützter Zugriff auf alle Maschinen ist dort ebenso zwingend notwendig wie häufig auch eine weitere unabhängige Management-Ebene. Ein weiteres Einsatzfeld sind alle Anwendungen, in denen das Terminal vom eigentlichen Rechner getrennt stehen soll. IP-basierende Produkte eröffnen in dieser Hinsicht neue Möglichkeiten, der "traditionelle" Zugriff ist damit jedoch noch lange nicht out.
KVM-Produkte (Keyboard, Video, Mouse) zählen zu den häufig unterschätzen Lösungen in der IT. Ein
Fernzugriff auf beliebige Ressourcen wie Server oder Speicher sei doch heute buchstäblich von jedem
Punkt der Welt aus über "das Netz" problemlos möglich. In gewissen Szenarien stimmt dies
tatsächlich, doch setzt dieser Zugriff stets genau dieses Netz als funktionierendes Zugangsmedium
voraus.
In der Tat hat sich das IP-basierende KVM-Switching auch genau diese Option zu eigen gemacht,
allerdings hat die traditionelle – analoge – Zugriffsweise vielfach noch immer eine große
Daseinsberechtigung. Entscheidend dafür, welche Lösung man einsetzen sollte, ist, was mit dem
KVM-Switching erreicht werden soll. Dies sollen die folgenden Beispiele erläutern.
Der einfachste Anwendungsfall ist die schlichte Verlängerung aller Kabel, die vom Rechner zum
mit einem Monitor ausgestatteten Arbeitsplatz reichen. Mit anderen Worten: Die Verbindung der
Schnittstellen für Tastatur, Monitor und Maus ist einfach ausgedehnt. Allerdings bestehen gewisse
Längenrestriktionen, was jeder bemerkt, der schon einmal mehrere USB-Kabel miteinander gekoppelt
hat. Kritisch ist ebenfalls das Videosignal (DVI), sodass für den simpelsten Fall eine maximale
Länge von etwa fünf Metern gilt.
Abhilfe schaffen so genannte KVM-Extender (siehe dazu auch den Artikel auf Seite 51), die das
Signal verstärken. Produktbeispiele sind der DVI-Equalizer ACS2005A von Black Box, der nach
Herstellerangeben bis zu 40 Meter bei Verwendung von herkömmlichen, aber hochwertigen DVI-D-Kabeln
schafft. Meist kommen aber heute Extender zum Einsatz, die Kategorie-5-Netzwerkkabel zur – noch
immer analogen – Übertragung nutzen, etwa die Adderlink-Serie von Leunig. Mit dieser Technik lassen
sich mehrere hundert Meter überbrücken. Wichtig in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass sich
die Übertragungseigenschaften mit hochwertigeren Kategorie-6- oder -7-Kabeln nicht verbessern:
Diese Verkabelungen sind für den Ethernet-Traffic optimiert und ihre Eigenschaften dem
KVM-Signaltransport meist nicht zuträglich.
Ist der Extender zudem mit Switching-Funktionen ausgestattet, bildet er das Rückgrat einer
typischen analogen KVM-Switching-Installation. Der am häufigsten anzutreffende Einsatzort ist der
Server-Raum oder das Rechenzentrum. Mit solchen Lösungen ist es prinzipiell möglich, eine (fast)
beliebige Zahl von Konsolen mit einer ebenso beliebigen Zahl von Rechnern zu verbinden. Zu den
wichtigsten Entscheidungskriterien für eine Lösung sollten im RZ oder Server-Raum, wo die
Videoqualität meist eine untergeordnete Rolle spielt, die Anzahl der User und die Zahl der zu
verwalteten Maschinen sein. Die Obergrenzen liegen bei heutige Produkten enorm hoch: Mit Raritans
kaskadierbarer Paragon-II-Serie können beispielsweise bis zu 64 Administratoren mehrere hundert
Rechner steuern. Der Hersteller verweist darauf, dass auch die Bildqualität mit einer Auflösung von
bis zu 1920?×?1440 auf einer Entfernung von bis zu 300 Metern besonders gut sei.
Einen anderen Zugang zu den zu verwaltenden Systemen eröffnet KVM over IP. Die Signale werden
dabei in digitaler Form über das gewöhnliche Netzwerk übertragen. Zu den Vorteilen dieser Technik
zählen die prinzipiell unbegrenzte Reichweite, der Verzicht auf eine weitere dedizierte
Netzinfrastruktur und die Möglichkeit, alle vom analogen Pendant bekannten Funktionen grundsätzlich
von jedem Ort mit Internet-Zugang ausführen zu können. Gerade letztere Option bedarf natürlich
einer besonderen Absicherung, um sich keine Einfallstore in sein Netzwerk zu schaffen. Etliche der
Aufgaben ließen sich zwar auch mit einer leistungsfähigen Remote-Control-Software erledigen,
allerdings setzt diese meist einen laufenden Rechner voraus, während die KVM-over-IP-Lösung zum
Beispiel nach einem Rechnerabsturz auch auf die BIOS-Ebene zugreifen kann.
Zu den Nachteilen des KVM-over-IP-Ansatzes zählt wie bereits erwähnt, dass ein funktionsfähiges
Netzwerk zur Verfügung stehen muss. Fällt beispielsweise ein Gateway aus, kann der Zugriff von
außen schwierig werden, ebenso bei einer Fehlkonfiguration der Firewall.
Produktbeispiele für KVM over IP Switches sind der KN4124 von Aten/Altusen mit 24 Ports, auf die
ein lokaler und vier Remote-Anwender zugreifen können oder die Dominion-KX-Serie von Raritan, die
auch als Kombination von IP- und serieller Technik erhältlich ist.
Die neuesten Gerätegenerationen von KVM over IP unterstützen auch das so genannte
Virtual-Media-Konzept. Dabei wird, wie der Name schon andeutet, beim angeschlossenen Rechner ein
externes Laufwerk simuliert (zum Beispiel über USB), um beispielsweise ein Betriebssystem oder
Patches schnell auf viele Rechner aufzuspielen. Vielfach ist es sogar möglich, über dieses
simulierte Laufwerk den Rechner zu starten. Auf diese Weise lässt sich im Extremfall sogar ein
Rechner wieder komplett neu aufsetzen. Die Quelle des simulierten Laufwerks ist in einem solchen
Fall ein Laufwerk des Remote-Rechners, das dem Server als virtuelles Laufwerk zugewiesen ist.
Lösungen, die dieses im Notfall oft hilfreiche Feature umfassen, gibt es beispielsweise von Black
Box, Guntermann und Drunck oder Raritan.
Welche Lösung ist also für den jeweiligen Anwendungsfall die beste? Zunächst sollte der
Verantwortliche überprüfen, von wo aus und über welche Distanz ein Anwender typischerweise auf die
fraglichen Maschinen zugreift. Innerhalb eines Rechenzentrums oder eines Server-Raums bietet sich
noch immer häufig die analoge Cat.5-KVM-Technik an, bei Bedarf für einen Remote-Zugriff um ein
IP-Gateway ergänzt.
IP-Lösungen benötigen dagegen weniger Kabel. Wird der Raum um das Rack eng, spricht vieles für
die IP-Variante. Bei Maussynchronisation und Videoqualität haben noch immer meist die analogen
Lösungen die Nase vorn. An dieser Stelle gilt es, den eigenen Bedarf genau abzuschätzen. Ähnliches
gilt für die Frage der Security und die Unabhängigkeit vom LAN: Analoges KVM ist sicherer und
autark, die IP-Variante meist bequemer. Einen Überblick über die auf dem Markt erhältlichen Geräte
gibt unsere Übersicht ab Seite 54.