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IP-Multicast in WLAN-Infrastrukturen

Wireless LAN im Krankenhaus

Im Zuge von IPTV und anderen Applikationen, die Daten gleichzeitig an mehrere Empfänger im Netzwerk senden, gewinnt das IP-Multicast-Verfahren an Bedeutung. Im verkabelten LAN sind die damit verbundenen Hürden mit IGMP-fähigen Switches (Internet Group Management Protocol) und anderen Strategien weitgehend überwunden. In WLAN-Infrastrukturen stellt IP-Multicast jedoch immer noch eine technische Herausforderung dar. Die drahtlose Übertragung von Patientendaten im Krankenhaus ist ein typisches Einsatzbeispiel.

Autor:Dipl.-Ing. (FH) Tobias Gieseke, zuständig für System-Engineering bei Funkwerk Enterprise Communications • 22.11.2010 • ca. 4:20 Min

Das IP-Multicast-Verfahren kommt – neben der Nutzung in Heimanwendungen wie IPTV oder Voice over
IP – auch für professionelle Aufgabenstellungen zum Einsatz, um bestimmte Daten "flächendeckend" im
Netzwerk zugänglich zu machen, wie beispielsweise bei drahtlosen Videoüberwachungssystemen. Im
Wesentlichen gibt es zwei Problemfelder, wenn IP-Multicast zusammen mit WLAN zum Einsatz kommt:
einerseits den Acknowledge-Mechanismus bei Multicast und andererseits das Fluten der WLAN-Zellen
durch Multicast-Pakete.

Ausgehend von einem sehr einfachen Szenario, bestehend aus einem Access Point, der an ein LAN
angeschlossen ist sowie mehreren WLAN-Clients, die mit diesem WLAN verbunden sind, entsteht ein
Problem bei Applikationen, die ein verbindungsloses Protokoll wie beispielsweise UDP (Streaming)
nutzen.

Im Fall des IP-Unicasts vom LAN zum WLAN-Client wird – obwohl es sich um verbindungslose
Kommunikation auf OSI-Schicht 3 handelt – jedes Paket auf Schicht 1 (WLAN) mit einem
Acknowledgement quittiert. Kommt dieses "ACK" nicht zum Access Point zurück, erfolgt eine erneute
Versendung des ursprünglichen Pakets. Dieses Verfahren nennt sich Automatic Repeat Request (ARQ).
Es ist zwingend notwendig, da sich eine Kollision der Pakete "in der Luft" nicht erkennen lässt.
WLAN ist daher ein CSMA/CA-Medium (Carrier Sense Multiple Access/Collision Avoidance). ARQ sorgt
also dafür, dass WLAN-Pakete wiederholt werden, wenn sie beim Empfänger nicht angekommen sind. Dies
ist einleuchtend für Unicast Traffic und verbessert die Qualität der Übertragung deutlich. Das
Verfahren gilt allerdings auch für (auf OSI-Schicht 3) verbindungslose Kommunikation wie UDP, trotz
der in diesem Fall meist zeitkritischen Anwendung.

Beim Einsatz von IP-Multicast ist dieser ARQ-Mechanismus laut IEEE 802.11 abzuschalten, da der
Access Point nicht "wissen" kann, welcher seiner Clients den Multicast empfängt und wie viele ACKs
er somit empfangen müsste. Eine Quittierung der Pakete im WLAN findet bei Multicast damit nicht
statt, was die Verlässlichkeit der Übertragung reduziert. Somit kommt es bei Multicast in
Kombination mit WLAN häufiger zu Übertragungsverlusten als bei Multicast im kabelgebundenen LAN.
Eine Umgehung des Problems ist bisher nur mit proprietären Softwareimplementierungen möglich. Eine
Anpassung des IEEE-Standards ist bislang nicht geplant.

Geht es um eine ganze WLAN-Infrastruktur, also ein LAN mit mehreren angeschlossenen Access
Points, so ergibt sich ein weiteres, sehr offensichtliches Problem. In aller Regel arbeiten Access
Points im so genannten Bridge-Modus, das heißt, sie funktionieren wie ein LAN-Switch, nur dass ein
Port dieses Switches die WLAN-Schnittstelle darstellt und einen oder mehrere Clients (Notebooks,
Smartphones etc.) anbindet. Sind LAN-Switches nicht Multicast-fähig (Stichwort: IGMP), dann breitet
sich ein Multicast Stream in das das gesamte Netzwerk aus ("Broadcast"). Im verkabelten LAN wäre
dies allerding weniger kritisch, da dort meist genügend Bandbreite zur Verfügung steht. Im WLAN
hingegen ist – trotz des schnellen Standards IEEE 802.11n – die (Netto-)Bandbreite vergleichsweise
gering. Wird jeder Multicast Stream in alle WLAN-Zellen gesendet, so belastet dies natürlich die
gesamte WLAN-Infrastruktur erheblich. Daher gilt es, einen Multicast Stream nur in jene Zellen zu
senden, wo dieser auch angefordert ist. Dazu dient das IGMP. Dieses Protokoll kann auf den
LAN-Switches implementiert sein, aber auch professionelle Access Points unterstützten IGMP.

Für den beschriebenen Fall ist besonders das "IGMP Snooping" von Bedeutung. Dieser "Schnüffler"
erkennt, wenn ein Client (hier WLAN-Client) einen Multicast Stream anfordert. Dazu sendet der
Client ein "IGMP Join". Damit schließt er sich einer Multicast-Gruppe an, und der Access Point
weiß, dass er diese Gruppe in seinem WLAN berücksichtigen muss. Hierbei ist es irrelevant, ob sich
ein oder mehrere "IGMP Querrier" (Anfragende) in der Zelle befinden. Der Multicast Stream wird in
jedem Fall nur einmal in die Zelle übertragen und jeder, der sich selbst als Empfänger deklariert,
kann diesen Stream nutzen.

Folgendes Beispiel aus dem medizinischen Umfeld zeigt die Anwendung von IP-Multicast in einer
WLAN-Infrastruktur, bei der IGMP zwingend notwendig ist. Moderne Krankenhäuser zeigen derzeit hohes
Interesse an einer WLAN-Infrastruktur zur Erweiterung ihres vorhandenen LANs. Das WLAN ist meistens
erforderlich, um die so genannte mobile Visite durchzuführen, oder um den Patienten das Internet
direkt ans Bett zu bringen. Hersteller moderner Krankenhausgeräte gehen dabei sogar noch einen
Schritt weiter: Sie nutzen die WLAN-Infrastruktur, um Patientendaten wie beispielsweise
Herzfrequenz und Puls für jeden Arzt verfügbar zu machen.

Da die Patientendaten überlebenswichtig sein können, ist es zwingend notwendig, dass sie ohne
Unterbrechung und mit hoher Priorität durch das WLAN gesendet werden. Das heißt wiederum, dass das
WLAN nicht zu hoch belastet sein darf, damit eine störungsfreie Übertragung der Daten möglich ist.
Es stehen also zwei konträre Herausforderungen gegenüber: zum einen, die Patientendaten an jeden
Ort zu bringen, und zum anderen, die WLAN-Zellen durch das "Broadcasten" (Verteilen der Daten in
die Zellen) nicht zu sehr zu belasten.

Um dies zu erreichen ist IGMP Snooping notwendig. Diese Funktion ist meist nur in Access Points
der professionelleren Modellreihen zu finden wie beispielsweise dem Bintec W1002n von Funkwerk
Enterprise Communications, der darüber hinaus speziell für den Einsatz im medizinischen Umfeld
zugelassen ist. Diese Kategorie von Access Points ist damit bestens geeignet, um eine Infrastruktur
für Patientenmonitore bereitzustellen und garantiert somit eine unterbrechungsfreie Übertragung der
Daten in der ganzen Klinik.

In einem gewöhnlichen Szenario würde ein Multicast Stream, hier also die Patientendaten, das
Gesamtnetzwerk fluten. Dies würde auch bedeuten, dass die Daten WLAN-Zellen fluten, in denen sie
gar nicht benötigt werden, weil sich dort kein Arzt aufhält. Sind – beispielsweise auf einer
Intensivstation – sehr viele Patientenmonitore in Verwendung, so ist offensichtlich, dass diese
Menge Patientendaten alle WLAN-Zellen im Krankenhaus lahmlegen würde. Die Datenübertragung aus dem
WLAN wäre nicht mehr gesichert (Bild 2).

Das intelligente Multicasting im Access Point, genauer das IGMP Snooping, sorgt nun dafür, dass
das System die Daten nur in diejenigen Zellen aussendet, in denen sie die Empfänger benötigen.
Somit bleiben andere WLAN-Zellen unbelastet und die störungsfreie Übertragung der
überlebenswichtigen Daten gewährleistet (Bild 3). Unabhängig davon gibt es für die Anwendung
von WLAN im medizinischen Umfeld noch mehrere andere Voraussetzungen, die ein Access Point erfüllen
muss.