Geschäftsmodell Schlangestehen

Begehrlichkeit als Verkaufsargument

26. Februar 2016, 13:13 Uhr | Michaela Wurm
© Michaela Wurm/ICT CHANNEL

Limitierung ist ein probates Mittel, um die Nachfrage zu steigern. Das funktioniert nicht nur über die Menge oder einen hohen Preis. Auch eine lange Schlange vor einem Geschäft suggeriert ein begehrtes Produkt – und zieht weitere Kunden an.

Was knapp ist, ist begehrt. Nach diesem Prinzip arbeiten nicht nur erfolgreiche Marktschreier. Auch Teleshopping-Kanäle wissen, dass die angeblich in Echtzeit sinkende Zahl der noch im Lager verfügbaren Produkte ihre Zuschauer umso schneller zum Telefon greifen lässt. Damit dieser Automatismus greifen kann, gilt es aber zunächst erst einmal das Interesse an einem Produkt zu wecken. Und da lockt klassische TV-Werbung schon lange keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervor.

Das Zauberwort heißt Imitation, meinen Marktpsychologen, die das Käuferverhalten analysieren. Konsumenten orientierten sich heute zunehmend am Auftreten der Stars aus Film, Musik oder der Klatschpresse. Taschen oder Schuhe, die Reality TV-Ikone Kim Kardeshian trägt, werden Millionen-Seller. Der Strick-Pullunder, in dem der Sprössling des englischen Thronfolgerpaars auf dem Weihnachtfoto des englischen Königshauses posierte, war binnen weniger Stunden in allen Läden ausverkauft.

Solche Effekte lassen sich allerdings nicht für jedes beliebige Produkt erziele, selbst wenn der Hersteller genügend Geld in die Hand nehmen würde, um einen Prominenten dafür zu gewinnen. In den USA nutzen viele Firmen deshalb eine neue Möglichkeit, die Nachfrage zu steigern – indem sie Käuferschlangen produzieren.

Denn auch eine große Menschenmenge, die sich in einem Geschäft drängt oder davor Schlange steht, signalisiert, dass es dort ein begehrtes Produkt gibt – und lockt so weitere neue Kunden an. Das funktioniert einerseits ebenfalls über künstliche Verknappung, wie sie beispielsweise die US-Kette Abercrombie & Fitch praktizierte. Beim Marktstart in Deutschland wurde immer nur eine begrenzte Zahl von Kunden in die Filialen gelassen, so dass sich vor der Tür lange Schlangen bildeten. Nachdem Abercrombie & Fitch allerdings in den deutschen Großstädten mit Shops vertreten war, funktionierte das Prinzip nicht mehr. Denn als Objekt der Begierde taugen die früher beliebten Mitbringsel von US-Reisen längst nicht mehr, seit es die T-Shirts und Hoodies mit dem großen Logo überall zu kaufen gibt.

Wenn sich eine Käuferschlange nicht von selbst bildet, wie vor Apple Stores, oder per Einlassbegrenzung herstellen lässt, gibt es eine weitere Möglichkeit. In den USA hat sich mittlerweile ein neuer Geschäftszweig etabliert, der auf Firmenwunsch eine Schlange liefert, beispielsweise um einen Kinofilm oder ein Restaurant zu promoten. Vor allem bei Studenten sind die Jobs als Schlangenbilder recht beliebt. Sie bekommen für einige Stunden Schlange stehen rund 30 Dollar und eine Gratis-Filmvorführung oder ein Restaurant-Essen. Bisher ist das Geschäftsmodell allerdings auf den US-Markt beschränkt. In Deutschland haben sich noch keine Agenturen etabliert, die Käuferschlangen als Dienstleistung anbieten.


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