10-GBit/s-Ethernet im LAN: Synchroner Verlauf. 10-GBit/s-Ethernet wird mit nahezu den gleichen Argumenten auf dem Markt platziert wie sein Vorgänger GBit/s-Ethernet. Da sich die Rahmenbedingungen in wichtigen Eckpunkten ähneln, ist 10 GBit/s als Technik für die Masse durchaus vorstellbar, realistisch aber erst mit einem Kupferstandard, der mehr als die bisherigen 15 Meter schafft.
Autor: Michael Piontek
Schon im September 2001 demonstrierten 18 Hersteller auf der Networld + Interop in Las Vegas zum ersten Mal, dass 10-GBit-Ethernet interoperabel arbeitet. Dreieinhalb Jahre später ist der Pro-Port-Preis für das schnellste Ethernet von rund 100.000 auf 5.500 Dollar gefallen. Ein Preisniveau, das die Technik nach Herstellerangaben für die Breite attraktiv macht, nicht nur für Forschungszentren und Technologieverliebte. Die Cebit wird in diesem Jahr einen Reigen neuer Switches und Chassis zeigen, die allesamt Module mit den schnellsten Frame-Ports aufnehmen. Mit 3Com, Alcatel, Cisco, Enterasys, Extreme, Foundry, Hewlett-Packard und Nortel sind die üblichen Verdächtigen genauso vertreten wie Anbieter, die eher über den Preis verkaufen. Dazu zählen unter anderem Allied Telesyn und D-Link. Alle ihre Produkte sind bereits zu kaufen oder für dieses Quartal angekündigt. Ein guter Ausgangspunkt, wie es scheint. Werden Unternehmen darauf eingehen? Was hat 10-GBit/s-Ethernet zu bieten außer gewaltigen Kapazitäten, die für einen Mittelständler überdimensioniert wirken müssen?
Wer die Einführung von 1 GBit/s erlebte und mitgestaltete, dem werden die meisten Argumente und die angeführten Migrationsgründe für 10 GBit/s durchaus bekannt vorkommen. Wie beim Vorgänger soll 10 GBit/s zuerst bestehende und erwartete Flaschenhälse auf dem Campus, im Backbone und der Serverfarm beseitigen. In diesen Umgebungen muss allerdings Glasfaser verlegt sein, da die IEEE bislang noch keinen 10-GBit/s-Kupferstandard mit ausreichender Längenrestriktion um die 100 Meter entwickelt hat. Wer heute also in einem Campus bereits mehrere GBit/s-Ports trunkt, mit den Ressourcen bereits jetzt oder bald nicht mehr auskommt, der rüstet auf die schnellere Variante auf. Die gleiche Argumentation greift im vermaschten Backbone, in dem die GBit/s-Trunks zwischen den Chassis-Switches auf 10 GBit/s migrieren sollen. Alle diese Projekte setzen voraus, dass das Unternehmen auf absehbare Zeit mehr Bandbreite braucht, als die GBit/s-Ethernet-Trunks bereitstellen. Das ist bei bestimmten Branchen wie dem DTP-Segment wahrscheinlich, da sie traditionell mit großen Datenmengen hantieren, gilt aber keineswegs für die Breite des Marktes.
Hier soll wie schon bei 1 GBit/s eine schleichende Migrationsstrategie greifen. Wer heute einen neuen Server oder Client-Rechner kauft, findet standardmäßig eine oder mehrere Autosensing-Netzwerkkarten im Gehäuse. Diese schalten per Software zwischen 10, 100 und 1.000 MBit/s hin und her. In der Serverfarm muss der vorgelagerte Aggregierungs-Switch also mindestens zwanzig GBit/s-Ports besitzen, um zehn Server redundant zu koppeln. Und zehn Server kommen auch bei einem mittelständischen Unternehmen schnell zusammen: ein Exchange-Server, ein redundantes Pendant, zwei Datenbanken, mehrere Fileserver. Die Daten der GBit/s-Ports muss der Switch natürlich in den Backbone leiten, wozu er heute einen entsprechend großen GBit/s-Trunk nutzt. Zählt man nur die Glasfaser-Ports beim Aggregierungs- und beim Core-Switch, die sich durch die Migration einsparen lassen, bekommt man bereits gute Argumente für eine Migration auf 10-GBit/s-Ethernet: Ein Switch mit 10-GBit/s-Uplink-Modul und entsprechenden Gegenstellen im Backbone würde das Netzdesign vereinfachen und Skalierungsfreiräume schaffen.
Der GBit/s-Adapter im Client öffnet den Weg zu Gigabit-to-the-Desktop. Damit stellen die Hersteller nebenbei sicher, dass die bekannte Spirale aus »mehr Bandbreite plus leistungsfähigere Anwendungen gleich mehr Daten« sich weiter dreht. Die Applikationen werden mächtiger, E-Mail-Attachments wachsen, neue Datenströme wie die Patchverteilung und Archivierung aufgrund von Compliance-Verordnungen kommen hinzu. Es ist ein leichtes Rechenspiel, wann die GBit/s-Desktops für ein rein getrunktes GBit/s-Backbone zu viele Daten produzieren. Da der Austausch der Client-Hardware aber in einer kalkulierbaren Geschwindigkeit geschieht, ist dieser Migrationsdruck ebenso absehbar. Daher erwarten viele Anbieter, dass die Unternehmen in der Breite den Druck erst dann lindern werden, wenn 10-GBit/s-Ethernet die magische Formel erreicht, die auch 1 GBit/s zum Durchbruch verhalf: Die 10-fache Brutto-Leistung für den dreifachen Preis. Dieses Niveau hat der Markt aber bei weitem noch nicht erreicht. Ein 10-GBit/s-Glasfaser-Port kostet heute rund 5.500 Euro, die günstigsten GBit/s-Kupfer-Ports gemanaged liegen bei knapp 100 Euro.
Noch eine weitere Einschränkung hindert 10 GBit/s daran, schon dieses Jahr in der Breite akzeptiert zu werden: Es fehlt ein Kupferstandard für diese Technik, der die üblichen 100 Meter Längenrestriktion erreicht. Das Pendant in der GBit/s-Welt ? IEEE 802.3ae ? hat damals den Markt massiv in Schwung gebracht. Die IEEE hat mit 802.3an immerhin eine Taskforce gegründet, die an dem fehlenden 10GBaseT arbeitet. Erste Ergebnisse der Gruppe lassen aber darauf schließen, dass CAT-5 als Medium ausgeklammert bleibt und bei CAT-6 nur 55 Meter Distanz möglich sein werden. Der große Kupferstandard also lässt noch auf sich warten. Damit die Hersteller trotzdem eine Alternative zu Glasfaser anbieten können, hat die IEEE schon letztes Jahr in der Taskforce 802.13ak den 10GBASE-CX4-Standard erarbeitet. Ähnlich wie Infiniband verwendet dieses Verfahren doppelte twinaxiale Kabel, die jedoch in ihrer Länge auf maximal 15 Meter begrenzt sind. Damit lassen sich immerhin Racks oder Server kostengünstig per Kupfer aggregieren ? vorausgesetzt, sie sind nicht zu weit voneinander entfernt.
Um ihre 10-GBit/s-Chassis auch bei kleineren und mittelgroßen Unternehmen zu positionieren, haben die Hersteller eine weitere Verkaufsidee entwickelt: Das Netzwerk aus der Box (dem Chassis). Die kleineren Chassis-Varianten besitzen dank ihrer Dimensionierung für 10 GBit/s eine leistungsstarke Backplane. Diese Ressourcen können sie mit der lokalen Kraft von dicht bepackten Modulen kombinieren, die für sich 48 10/100-Ports in den Switch bringen. Diese Ports sollen, sofern es die Längenrestriktion hergibt, die Clients direkt per Kupfer anbinden. Die Server im Unternehmen werden an ein entsprechendes GBit/s-Port-Modul angebunden, so dass das ganze Netzwerk sich in einem einzigen Chassis konsolidieren ließe. Die Idee ist vor allem für Neuinstallationen interessant.
Andere Konzepte sehen die Chassis im Edge, wo sie ebenfalls die Clients direkt anbinden und ihre Daten per 10-GBit/s-Uplink in ein entsprechendes Pendant im Core durchreichen. Abgespeckte Software-Lizenzen, die fortschrittliche Core-Funktionen über Bord werfen, sollen das Ganze preislich schmackhaft machen. Hersteller wie 3Com, Cisco, Extreme und Foundry, die für ihre Chassis bekannt sind, favorisieren solche Konzepte.
Allen gemein ist die Entwicklung von 10-GBit/s-Modulen für Etagen- und Backbone-Switches. Momentan platzieren sie noch zwei Ports auf ihren Modulen. Dies wird sich im Laufe des Jahres ändern, wie es auch bei GBit/s-Ethernet geschah. Erst vier und später acht Ports und mehr pro Switch-Blade werden den Preis weiter nach unten drücken. Wie schnell das aber geschieht und wann die magische Formel zwischen Preis/Leistung erreicht ist, bleibt ungewiss. Dass es schon dieses Jahr geschieht, ist aber wegen des fehlenden Kupferstandards unwahrscheinlich.