Angefixt

4. März 2004, 0:00 Uhr |

Angefixt. Lange haben die Hersteller versucht, den Trend zum Farbdruck im Büro herbeizureden. Doch die Kunden erwiesen sich als erstaunlich farb- und beratungsresistent. Nun hat Canon die Lösung: Im neuen Schwarzweiß-Kopierer wurde die Farbe einfach versteckt.

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Der Anwender, so das Kalkül der japanischen Schlitzohren, wird ganz nebenbei und aus Versehen farbig drucken, einmal auf den Geschmack gekommen, kann er es dann nicht mehr lassen. So angefixt, wird er bald nach härteren Drogen greifen und sich eine waschechte, teure Farbmaschine kaufen.

Andere Branchen haben die Antwort auf die Frage, »wie verkaufe ich Produkte, die Kunden gar nicht haben wollen?« längst erkannt. Sie lautet: »Mach sie süchtig!« Ein Handy-Besitzer, der bisher nur schlicht und einfach telefonieren wollte, ist schnell von den Vorzügen der digitalen Foto-Telefone überzeugt: Spätestens wenn er versucht, auf der Geschäftsreise der eifersüchtigen Ehefrau am Telefon zu erklären, dass er wirklich gerade am Flughafen oder abends noch im Geschäftsführungs-Meeting festhängt. Schnell ein Foto verschickt und er ist aus dem Schneider… Die Anbieter von Foto-CDs haben schon reagiert und bringen umfangreiche Bildsammlungen aller wichtigen internationalen Flughäfen und andere höchst überzeugende Szenarien, die auch die misstrauischste Gattin überzeugen.

Auch hinter dem Erfolg der LCD-Fernseher steht kein reales Verbraucherinteresse. In einem Geheimvertrag zwischen den finanziell klammen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, vertreten durch die GEZ, und der Monitorindustrie, wurde eine strategische Zusammenarbeit vereinbart. Die Sender propagieren die Flachfernseher, und die Hersteller bauen einfach in sämtliche Bildschirme einen TV-Tuner ein. Die Win-win-Situation: Bisherige Fernsehverweigerer werden TV-süchtig und die GEZ-Truppen können ausschwärmen, um weitere Gebührenzahler ausfindig zu machen. Die Industrie profitiert, weil sich die neuen TV-Junkies DVD-Rekorder und teure Home-Cinema-Systeme anschaffen. Selbst den hartnäckigsten IT-Verweigerern geht es an den Kragen: Kühlschränke oder Waschmaschinen mit Internetanschluss machen die letzte Hausfrau netzwillig. Denn wenn das Kühlgerät den nervigen Einkauf von Eier, Milch, Butter und Steak übernimmt, bleibt mehr Zeit fürs Shopping sinnvollerer Dinge wie das 15. Paar Schuhe oder den neuen Pulli und für die entspannende Golfrunde mit den ebenfalls vernetzten Nachbarinnen.

Und auch vor der älteren Generation macht der IT-Rausch nicht halt: Nie mehr müssen die älteren Herrschaften hungrig bleiben, weil sie vergessen haben, wo im Altersheim der Speisesaal ist. Rollstühle mit Navigationssystem expedieren senile Senioren sicher an den Abendbrottisch. Das Folgegeschäft ist immens: Die Rentner motzen ihre AOK-Chopper noch mit dem neusten MP3-Sound-System auf, Altenheime bekommen Verkehrsleitsysteme mit intelligentem Aufzugsmanagement und Schulungs-Dienstleister verdienen sich eine goldene Nase mit IT-Seminaren für osteuropäisches Pflegepersonal.


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