BBC lagert IT aus

26. Mai 2005, 0:00 Uhr |

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

BBC lagert IT aus (Fortsetzung)

Medien werden integriert
Mobilfunk, Internet und Fernsehen wachsen immer mehr zusammen. Durch die digitale Übertragung von Rundfunksignalen können die Zuschauer nicht nur noch mehr Programme empfangen, sondern auch  Zusatzdienste nutzen, etwa personalisierbare Nachrichtenticker. Anders als früher sind diese neuen Angebote auch interaktiv.
Auch im Rundfunkbereich tut sich einiges. Zwar hat das Internet den traditionellen Hörfunk noch nicht verdrängt. »Doch langfristig wird das Internet, das durch Breitbandanschlüsse und verteilte Architekturen jeden Haushalt erreicht, den traditionellen Rundfunk verändern«, sagt Varney. Zu erwarten sei eine Kombination aus Webinhalten und Mediendatenströmen. Damit ließen sich individuelle Inhalte für jeden Abnehmer gestalten, so Varney weiter.
Neue Strategien und Lösungen sind gefragt, um der wachsenden Nachfrage nach Programminhalten zu begegnen. »Die Rundfunkanstalten müssen in der Lage sein, alle Internet-basierten Plattformen und Endgeräte zu bedienen«, sagt James Healey, Senior Analyst beim Marktforschungsinstitut Datamonitor. Während die Medienunternehmen in der ersten Phase der Digitalisierung vor allem in Insellösungen investiert hätten, sei es jetzt nötig, einen durchgängig digitalen Workflow zu etablieren - für alle Prozesse der Produktion und die Verteilung von Inhalten. Nur so könnten Qualität und Wirtschaftlichkeit langfristig gesichert werden. Das steigert die Anforderungen an die IT-Abteilungen der Medienbetreiber, die sich fragen müssen, ob die Konzentration auf Kernkompetenzen nicht sinnvoller wäre.
Wie wichtig solche Konzepte für Medienhäuser sind, zeigen Aussagen über den weltweiten Auslagerungsmarkt im Medienbereich. Christian Oecking, Leiter des globalen Outsourcing-Geschäfts bei SBS, schätzt dessen Volumen auf mehr als 50 Milliarden Euro. Davon entfallen rund die Hälfte auf die Vereinigten Staaten, 30 Prozent auf Europa, 15 Prozent auf Asien-Pazifik und fünf Prozent auf die restliche Welt.
Die Digitalisierung von Rundfunk und Fernsehen, die bis 2010 weitgehend abgeschlossen sein soll, treibt den Outsourcing-Prozess. Digitale Inhalte lassen sich aber mit den üblichen IT-Techniken bearbeiten, was die Outsourcer als Spezialisten für den Betrieb digitaler Infrastrukturen auf den Plan ruft.
BBC beschloss im letzten Jahr, fortan vor allem Inhalte für Fernsehen, Radio und Internet produzieren, deren Niveau weltweit geschätzt wird, statt Geld und Energie für Nebenaktivitäten zu verwenden. Kosten spielten bei diesem Entschluss eine wichtige Rolle, denn BBC verspricht sich von der Auslagerung der IT-Aufgaben ein Einsparpotential von jährlich 45 Millionen Euro - das reicht für einige Programmstunden. Bisher wurde die IT des Senders von einem Tochterunternehmen, BBC Technology, mit 1400 Mitarbeitern betrieben.

Weg frei für ­Zukunftsinvestitionen
Die Entscheidung für den IT-Dienstleister SBS fiel nach einer EU-weiten Ausschreibung. »SBS hat bewiesen, in technische Dienstleistungen und Innovationen investieren zu wollen, mit denen wir die Programmtechnik deutlich verbessern werden«, sagt Varney.
Ziel der Partnerschaft ist es, für den Gebührenzahler das beste Kosten-Nutzen-Verhältnis zu erwirtschaften und den Zuschauern noch kreativere Programme anzubieten. Der Vertrag wird als dynamische Vereinbarung verstanden, die es erlaubt, sich schnell an das sich schnell ändernde technologische Umfeld anzupassen.
Bis 2010 will die BBC unternehmensweit alle Prozesse digitalisieren und befindet sich damit im Mainstream dieses Prozesses. Das betrifft sowohl die Administration als auch Produktion und Service. Beispielsweise wird die konvergente Gestaltung aller BBC-Netzwerke angestrebt, so dass die IT-Dienste komplett über IP-Netze bereitgestellt werden. Ein weiteres Ziel ist der bestmögliche Einsatz von Mobilfunktechnologie und die Weiterentwicklung des hochauflösenden Fernsehens HDTV (High Definition Television).
Zu den geplanten Projekten gehört die Einrichtung eines Hochleistungsnetzwerks, das die Bandbreite um 400 Prozent erhöht und eine leistungsfähige Architektur für Services aller Art bereitstellt. Dadurch soll unter anderem der Internetauftritt kosteneffizient betrieben und die Sicherheit verbessert werden.
Überhaupt wird das Thema Sicherheit groß geschrieben: Die Mitarbeiter sollen einen gesicherten Zugriff auf Inhalte von jedem beliebigen Ort bei gleichzeitig größtmöglicher zentraler Kontrolle erhalten. Aber auch der Schutz vor Attacken von außen ist eine wichtige Aufgabe.
Ein weiteres Projekt ist die Einführung eines Speicherdienstes, der kritische Daten verwaltet. Server und Rechenzentren werden zu sicheren und robusten Hosting-Centern konsolidiert. Mit dieser Maßnahme wird angestrebt, die  Support-Kosten zu verringern und die Zusammenarbeit der technischen Teams zu verbessern. Ein zentraler Helpdesk soll darüber hinaus dafür sorgen, dass BBC-weit Anfragen zu allen IT-Themen schnell und kompetent beantwortet werden können.

Dem BBC-Deal dürften ­weitere folgen
SBS verwaltet seit Oktober 2004 die komplette Infrastruktur der BBC, wozu auch die Übernahme der BBC Technology und aller ihrer Mitarbeiter gehört. Die Infrastruktur umfasst unter anderem 28500 PCs, über 10000 Netzwerkkilometer und 35000 simultane Datenströme. Sie muss erheblichen Anforderungen standhalten: BBC verzeichnet 1,7 Milliarden Aufrufe seiner Website pro Monat, 190000 Telefonanrufe monatlich, sendet auf 128 Rundfunkkanälen und liefert im Monat 95000 Stunden Digital-TV-Output.
SBS ist damit das erste Unternehmen, das einem Medienkonzern die komplette IT-Infrastruktur abnimmt. Der Dienstleister erwartet sich davon verbesserte Branchenkenntnisse und dadurch mehr Marktanteile. SBS-Manager Oecking betont: »Wir wollen unser Geschäft in der Medienbranche ausbauen.« Möglicherweise keine schlechte Idee. Denn das Marktforschungsunternehmen Datamonitor sieht im Medienbereich große Wachstumschancen für IT-Dienstleister, da die Sender ihre Produktion zunehmend digitalisieren. Analyst Healey ist sicher: »Der BBC-Deal dürfte nicht der letzte seiner Art gewesen sein.«    Janet Franke arbeitet als freie Journalistin in München.


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