Bestandsaufnahme im mittelständischen ERP-Markt : Die Marke macht?s nur manchmal. Zur Cebit 2002 traten gleich eine ganze Reihe neuer Player im mittelständischen ERP-Markt an: Innovative Anbieter wie Myfactory, Step Ahead, C.I.S. oder AP, aber auch Marktgigant SAP waren mit einer Mittelstandslösung dabei. Angesichts der Marktmacht der Walldorfer wäre zu erwarten gewesen, dass wenig Raum für die Mitbewerber bliebe. Doch die Realität sieht anders aus.
Die Cebit 2002 war eine spannende Messe für die ERP-Branche: SAP kaufte das heutige Business One für den unteren Mittelstand. C.I.S., Myfactory und Step Ahead nutzten den Termin, um mit dem Vertrieb ihrer brandneuen .Net-basierten Lösung zu beginnen, auch AP wechselte auf die neue Microsoft-Plattform.
Inzwischen bemüht sich SAP mit seiner »kleinen« ERP-Lösung nun bereits zwei Jahre lang um den unteren Mittelstand. Mit 361 Installationen in Deutschland liegt der Anbieter zwar im Vergleich zu ebenfalls zwei Jahre alten Lösungen wie die von Step Ahead (»Business Solutions«), Myfactory (»Business World«) und C.I.S. (»Semiramis«) ein Stück vorne.
Analysten und Marktbeobachter hatten vom Giganten SAP allerdings allein aufgrund der Walldorfer Markt- und Marketingmacht wesentlich mehr erwartet.
Denn mit der können die mittelständischen Mitbewerber nicht ansatzweise mithalten. Dafür sind ihre Produkte, die auf zukunftsfähigen Plattformen wie Java und .Net aufsetzen, »Business One« technologisch weit voraus. Das SAP-Angebot nämlich kann sich bisher nicht zu den modernsten Lösungen zählen: Es wurde von der 1996 gegründeten, israelischen Firma Topmanage entwickelt, 2002 hat SAP das Unternehmen übernommen.
Auch mangelt es der Lösung immer noch an für den deutschen Markt wichtiger Funktionalität (beispielsweise im Bereich Finanzbuchhaltung und Mahnwesen). SAP hat die Mängel eigenen Aussagen zufolge bewusst in Kauf genommen und sich stattdessen ? nicht gerade zur Freude der deutschen Mittelstandspartner ? auf die Entwicklung von Länderversionen (inzwischen 25) konzentriert.
Bislang haben die meisten Fachhändler das Produkt in den unabhängigen Mittelstand mit Schwerpunkt auf Dienstleistungs- und Handelsunternehmen verkauft. »Für diesen Bereich wurde Business One entwickelt, da passt es perfekt«, ist Werner Brüch-Müller, Vorstand des ausschließlich auf Business One konzentrierten Dienstleisters Be-Smart, überzeugt. Mit den Anpassungen an andere Branchen und Anforderungen allerdings sind einige Reseller noch nicht besonders zufrieden.
Die 80 deutschen Partner jedoch erklären sich die geringe Anzahl von Installationen in erster Linie nicht durch mangelnde Funktionen ? grundsätzlich sind sie von ihrem Produkt überzeugt. Stattdessen sehen sie den Grund darin, dass SAP erst einmal gezwungen war, einen mittelstandstauglichen Vertriebskanal aufzubauen. Als traditionellem Großkundenanbieter fehlt dem Anbieter aber das Verständnis für Belange und Besonderheiten des Mittelstands ? und auch heute noch hakt es im Vertriebskanal.
Viele SAP-Systemhäuser blicken zwar auf eine langjährige R/3-Partnerschaft zurück und haben Business One noch mal nebenbei »dazu genommen«, um auch etwas für kleinere Kunden anbieten zu können. Vertriebsverständnis und Margenerwartung dieser Partner orientieren sich allerdings weiterhin an den Konzernlösungen. Die kann das Einstiegspaket aber nicht erfüllen und deshalb ist Business One für sie nur mäßig interessant und wird auch nur mit mäßigem Interesse verkauft. »SAP sollte seine Partner besser auswählen und sich Unternehmen aus dem Mittelstand an Bord holen, um den Vertrieb der Lösung voranzutreiben«, lautet die eindeutige Forderung mehrerer Partner, die lieber nicht genannt werden möchten, an den Hersteller.
Mit diesen Schwierigkeiten hat der Jülicher Anbieter Myfactory, der komplett auf der Microsoft .Net-Plattform aufsetzt, nicht zu kämpfen. Sein Partnernetz umfasst nach zwei Jahren 100 mittelständische Fachhändler, die sich für das Produkt entschieden haben, weil es ihnen größtmögliche Flexibilität bietet. Und sie fühlen sich von ihrem Hersteller auch fachmännisch und zufriedenstellend betreut. Momentan sind Myfactory-Produkte bei 150 deutschen Unternehmen im Einsatz.
Gleiches gilt für den ERP-Spezialisten Step Ahead aus Germering bei München, dessen Produkt von 270 deutschen Firmen genutzt wird. Für den Vertrieb der Lösungen sorgen 97 Fachhändler. Ein Großteil von ihnen nutzt auch die »Fertigungsstraße« ihres Herstellers, mit der sie Zusatzlösungen entwickeln können. Ebenso wie bei Myfactory haben sich die Fachhändler für ihren Hersteller entschieden, weil er wie sie aus dem Mittelstand kommt und eng mit ihnen zusammen arbeitet.
Ein weiterer .Net-Kandidat ist die Karlsruher AP AG. Ende 2001 hat der Anbieter seine Handelslösungen auf .Net-Füße gestellt, 2002 folgte auch das Produktionspaket. Inzwischen arbeiten etwa 1.500 deutsche Unternehmen mit Produkten aus dem Hause AP, wobei es sich allerdings in den meisten Fällen noch nicht um die .Net-Version handelt. Der Hersteller, der sowohl direkt wie auch indirekt vertreibt, und erst kürzlich ein neues Partnerprogramm aufgesetzt hat, kooperiert aktuell mit 12 Fachhändlern.
Die in Hannover beheimatete C.I.S. hat wie Step Ahead und Myfactory vor zwei Jahren ein komplett neues Produkt entwickelt, sich allerdings für Java als Basistechnologie entschieden. Die Lösung »Semiramis« ist bei 80 deutschen Unternehmen installiert. Aktuell kann C.I.S. 32 Fachhändler vorweisen, von denen sich die meisten innerhalb der letzten sechs Monate für eine Zusammenarbeit mit den Hannoveranern entschieden haben.
Die Gründe der Fachhändler für eine Partnerschaft unterscheiden sich bei keinem der Hersteller. »Starre ERP-Systeme gehören zum alten Eisen. Informationen müssen mobil sein und das geht nur mit Web-basierten Lösungen«, erklärt Udo Kranz, Bereichsleiter für IT Solutions bei Industriehansa, Myfactory-Partner seit Herbst 2003.
Und Karl-Heinz Engler, Geschäftsführer von Secon EDV, Step Ahead Partner seit 2003, weiß: »Es ist entscheidend, ein modernes, ausbaufähiges Produkt anbieten zu können, mit dem sich Zusatzfunktionen entwickeln und Kundenwünsche schnell umsetzen lassen.«
Ein weiteres Argument nennt Jens Hertwig, Geschäftsführer des Systemhauses N+P Informationssysteme, der bereits seit 1999 mit AP kooperiert. »Eine mittelständische Lösung muss in erster Linie kundenindividuelle Anforderungen erfüllen können und trotzdem einen kostengünstigen Releasewechsel erlauben«. Setzt ein Produkt dabei auf Microsoft-Technologie auf, kommt das einem Mittelständler seiner Meinung nach nur entgegen.
Doch auch Java ist kein Ausschlusskriterium im Mittelstand. »Wir sind momentan in Projekten mit bis zu 150 Nutzern involviert «, freut sich Claus Dietrich, Geschäftsführer von Cosus, ein Partner der C.I.S.
Der hohen Flexibilität einer modernen Lösung steht allerdings die eingeschränkte Funktionstiefe eines jungen Produkts gegenüber. »Um vorne dabei zu sein, muss man auch ein gewisses Risiko eingehen ? und Kundenwünsche lassen sich dank der Flexibilität recht schnell erfüllen«, ist zwar Jochen Möller, Geschäftsführer vom Myfactory Partner MIT, wie auch andere Reseller überzeugt. Mancher Fachhändler allerdings ist nicht so optimistisch wie Möller. Sie verlangen von ihren Herstellern dringend die Entwicklung neuer Funktionen, um mit alteingesessenen Lösungen besser mithalten zu können.
Ein weiteres Manko ist ihrer Meinung nach auch ein zu geringes Invest in Marketing und PR seitens ihrer Hersteller. Um auf sich aufmerksam zu machen und endgültig aus dem Schatten der großen Anbieter zu treten, müssen die mittelständischen Hersteller noch einiges an Arbeit leisten. Doch da beißt sich die Katze in den Schwanz: Ohne große Umsätze keine Marketinggelder, ohne Marketingbudget keine Möglichkeit, bekannter zu werden. Damit hat SAP auf jeden Fall kein Problem.
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