Brachland elektronischer Einkauf. Unternehmen wissen um die Vorteile der elektronischen Beschaffung. Dennoch bleiben viele Potentiale ungenutzt - aus Kostengründen, Mangels einer ganzheitlichen IT-Strategie oder weil einfach die IT-Infrastruktur fehlt
Industrie und Handel nehmen eine Vorreiterrolle bei der elektronischen Beschaffung ein (siehe auch Grafik Seite 45). Trotzdem liegen gerade bei vielen mittelständischen Unternehmen in diesen Branchen noch Potentiale brach. Im März 2003 kauften 53 Prozent der Handelsunternehmen in Deutschland im Internet ein, so die Analyse des European E-Business Reports. Gerade einmal zusätzliche sieben Prozent planten zwölf Monate später, Online zu beschaffen. Beim Verkauf im Netz sieht die Statistik noch magerer aus: 22 Prozent der deutschen Handelsunternehmen boten im März 2003 ihre Waren im Internet feil. Nur weitere fünf Prozent planten ein Jahr später den Online-Verkauf. Auch machte bei über der Hälfte der Unternehmen die durch das Internet generierte Verkaufssumme nicht einmal fünf Prozent der gesamten erwirtschafteten Verkauferträge aus (siehe Grafik oben).
Bei über der Hälfte der Unternehmen machte die durch das Internet erwirtschaftete Verkaufssumme nicht einmal fünf Prozent der insgesamt generierten Verkaufserträge aus.
"Ursachen für den langsamen Aufbau elektronischer Beschaffungsaktivitäten sind die Jahr 2000 Umstellung, der Wechsel zum Euro und die Anpassung an die International Accounting Standards", schätzt Peter Körting, Partner bei Deloitte Consulting. Seiner Meinung nach gab es einfach andere Brände zu löschen, und diese haben die IT-Budgets der Unternehmen aufgefressen. Thorsten Wichmann Geschäftsführer Berlecon Reseach fügt an, "gerade mittelständische Unternehmen sind mit Investitionen in Online-Beschaffungsaktivitäten zurückhaltend, da die ".com-Blase" sie geprägt hat". Außerdem scheuten viele zusätzliche Ausgaben bei der allgemein schlechten wirtschaftlichen Lage, weiß Berlecon Geschäftsführer Wichmann.
Natürlich gibt es auch Einflüsse, welche das Thema Online-Beschaffung bei manchen Unternehmen dringend machen. Gerade auf manche mittelständische Zulieferer wird zum Beispiel von Automobilherstellern oder Einzelhandelsketten Druck ausgeübt. "Da heißt es einfach: Wenn du die Daten nicht in diesem Format lieferst, bist du draußen", urteilt Wichmann.
Darüber hinaus kämpfen viele Unternehmen mit ihrem Enterprise Resourcing Planning System (ERP). Zwei Drittel der Anwender sind mit der Prozessoptimierung durch die Einführung eines ERP-Systems teilweise oder überhaupt nicht zufrieden, so eine Studie von Deloitte Consulting. Etwa 43 Prozent haben die Integration des ERP-System noch gar nicht abgeschlossen und können so von einem schnellen Datenaustausch mit Geschäftspartnern, geschweige denn durchgängigen Beschaffungsauktionen nur träumen. Deloitte-Partner Körting urteilt: "Die Projekte misslingen, da sie zu IT getrieben sind, der Order-to-Cash-Prozess wird nicht ganzheitlich genug betrachtet und so werden nur suboptimale Ergebnisse erzielt". Potentiale wie ein schnellerer Informationsaustausch und eine gemeinsame Planung mit Partnern sowie eine effizientere elektronische Beschaffung bleiben deshalb weiter ungenutzt.
Deloitte-Partner Körting schätzt, "die Fertigungsindustrie hängt - mit Ausnahme der Automobilhersteller - den Entwicklungen hinterher". Die geographisch immer breiter verteilten Entwicklungs-, Produktions-, Logistik- und Vertriebsaktivitäten sowie die immer kürzeren Produktionszyklen, verlangen nach einer besseren Zusammenarbeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Wie bei den Automobilherstellern müssten die Unternehmen sich stärker elektronisch mit Zulieferer- und Händlerorganisationen verzahnen. Zu viele setzten noch auf den einfachen Datenaustausch über eine EDI-Schnittstelle.
Auch im Handel ist EDI weiter stark verbreitet. Web-EDI gewinnt darüber hinaus an Bedeutung. "Um kleine mittelständische Unternehmen an B2B-Marktplätze anzuschließen, werden auch kleine Tools zum Beispiel für Excel bereitgestellt, um auch diesen Betrieben den Anschluss an eine Beschaffungsplattform zu ermöglichen", erläutert Wichmann.
Die mittelständische Konsumgüterindustrie hat in den letzten zehn Jahren stark auf Individualsoftware gesetzt, da ihre speziellen Handelsprozesse zum Beispiel mit Frischwaren schwer mit einer Standardsoftware abzubilden waren. "Das ist heute ein Problem, eine Vernetzung mit Integration ins Backend ist nun nur mit einem großen Kostenaufwand möglich, beinhaltet sie meistens die Umstellung auf in der Zwischenzeit verfügbare Standardsoftware", urteilt Körting.
Basis: 191 B2B-Marktplätze, davon 11 österreichische, 124 europäische, 56 internationale Marktplätze
Quelle: IWE Forschungsbericht, Dez. 2003
Neben Gewerbe und Handwerk übernehmen Handel und Industrie eine Vorrreiterrolle beim An- und Verkauf über B2B-Marktplätzen.
Vorreiter im Handel sind eindeutig die Großunternehmen. Die Metro Gruppe setzt zum Beispiel bereits seit langem auf den elektronischen Einkauf. Hierzu zählt seit dem Jahr 2000 auch die Abwicklung von elektronischen Ausschreibungen über die Internet-Plattform Global Net Xchange (GNX). Diese Einkaufsabwicklung im B2B-Bereich ist inzwischen zu einem integralen Bestandteil der Beschaffung des Großhandelskonzerns geworden. Das Verfahren wird in allen Warenkategorien eingesetzt - zunehmend auch für indirekte Güter und Dienstleistungen. Dabei stehen dem Konzern alle gängigen Verfahren wie Request for Quotations und Reverse Auctions zur Verfügung. Im Jahr 2003 haben die Einkäufer der Metro Gruppe so mehr als 800 Millionen Euro Einkaufsvolumen über 1800 Reverse Auctions abgewickelt.
Auch bei dem Konzern Aventis Pharma spielt der elektronische Einkauf eine große Rolle. Elektronisch werden Indirekte Materialien sowie Dienste und Waren beschafft. Der elektronische Einkauf erfolgt dabei ausschließlich über Einkaufslösungen des Anbieters Ariba. Im Bereich eSourcing setzt der Pharmakonzern auf eine Lösung des Anbieters FreeMarkets.
Schaut man sich die Einkaufsverfahren in Industrie und Handel genauer an, zeichnen sich zwei Trends ab. Auf der Verkaufsseite gewinnt E-Bay für mittelständische Handelsunternehmen aber auch für Markenhersteller zunehmend an Bedeutung. Kleine Handelsunternehmen können über die Auktionsplattform einen neuen Vertriebsweg ohne große Kosten erschließen. Markenhersteller haben die Möglichkeit über ihn Restposten abzusetzen, ohne ihre anderen Vertriebskanäle durch die billigeren Angebote zu kannibalisieren.
Reverse Auctions erfreuen sich hingegen auf der Einkaufsseite zunehmender Beliebtheit. Sie sind mittlerweile vielerorts Standard. Besonders für höherwertige Güter wird dieses umgedrehte Auktionsprinzip geschätzt, erläutert Deloitte-Partner Körting. Verkäufer hingegen stehen den Reverse Auctions weiterhin skeptisch gegenüber: Durch die Transparenz wird der Preis meist zum Hauptentscheidungskriterium und sie können nicht mehr durch Zusatzleistungen wie Extra-Services punkten.
Auch auf Käuferseite sind Reverse Auctions nicht ganz unumstritten, da sich auch die Einkäufer auf die neuen Verhandlungsprozesse erst mal einstellen müssen. Berlecon Geschäftsführer Wichmann urteilt: "Der Käufer muss genau im Kopf haben, was er möchte, er kann nicht erst Angebote sammeln, und am Ende aus dem Bauch heraus entscheiden".