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Branchengeflüster: Variablen und Konstanten

Branchengeflüster: Variablen und Konstanten. Wie wird man eigentlich Experte, wenn man ständig daneben liegt? Präziser: Wie wird man Analyst, wenn man sich ständig verrechnet? Ist es gerade das Verrechnen, was ein Analyst können muss? Anders gefragt: Ist Rechnen genau das, was ein Analyst nicht können muss oder sogar nicht können darf?

Autor:Markus Bereszewski • 5.5.2005 • ca. 1:35 Min

Markus Bereszewski

Branchengeflüster: Variablen und Konstanten

Mal im Ernst: Erinnern Sie sich an einen Satz im Finanz- beziehungsweise Wirtschaftsteil Ihrer bevorzugten Zeitung, der da zum Beispiel lautete: »Mit diesem Geschäfts­ergebnis traf das Unternehmen XY exakt die Erwartungen der Analysten«. Selbst wenn - Ausnahmen bestätigen die Regel. Meist heißt es doch »damit lag der Gewinn je Aktie um soundso viel Cent unter den Erwartungen der Analysten«. Deutlich seltener liest man auch mal, dass ein Unternehmen die Vorstellungen der werten Herren übertreffen konnte. Und nun passiert noch etwas, was Otto-Normalverbraucher nicht versteht: Man sollte ja erwarten, dass Unternehmen, die die Erwartungen der Analysten nicht erfüllen, schlecht bewertet werden. Das passiert ja auch. Aber eben nur manchmal - zumindest nicht immer. Solche Unternehmen werden hier und da ja sogar recht positiv bewertet. Und nun kommt es noch dicker: Selbst die Unternehmen, die die Erwartungen übertreffen, werden nicht selten nicht nur nicht positiv beurteilt, sondern teilweise sogar böse abgestraft, etwa weil ein ­wichtiger Mitbewerber sich noch viel unerwarteter für die Experten noch viel positiver entwickelt hat als der erste Überraschungskandidat. Klar kann man sich auf den nachvollziehbaren Standpunkt stellen: Wenn die es schon beim ersten Kandidaten nicht wissen konnten, wie dann beim direkten Wett­bewerber? Hier drängt sich dann wieder die Frage auf, ob die Analysten mit so schöner Regelmäßigkeit daneben liegen, weil sie die Marktentwicklung und damit die Ergebnisse der Unternehmen falsch eingeschätzt haben, oder ob sie - wie oben vermutet - nur nicht rechnen können? Womöglich liegt es ja auch daran, dass sie weder rechnen noch die Marktentwicklung voraus­sehen können? Dann müsste man allerdings konstatieren: Respekt, dafür war es nur knapp daneben. Vielleicht ist alles aber auch ganz anders und die Unternehmen sind einfach nur unfähig, die so penibel und präzise voraus­berechneten Ergebnisse auch tatsächlich zu liefern? Wie auch immer: Sicher ist, dass der gehobene oder der gesenkte Daumen der Analysten, wenn auch nicht un­bedingt über Leben oder Tod, gewiss aber über den Aktienkurs der Beurteilten weiterhin entscheiden wird. Es ist doch beruhigend, dass es noch ­Konstanten im Leben gibt, nicht?