Breitband-Stiefkinder wehren sich Rund 2200 Gemeinden in Deutschland können keine Breitband-Verbindungen nutzen. Von den vielfältigen Versuchen, dem Ex-Monopolisten ein Schnippchen zu schlagen.
In Bernried, einer schmucken Gemeinde am idyllischen Starnberger See, gibt es Natur und Landschaft satt, das Buchheim-Museum, ein neu ausgewiesenes Industriegebiet, aber keine Breitbandverbindungen. Bei allem, was über ISDN hinausgeht, heißt es schlicht: Fehlanzeige. Die Telekom hält den Ort hin, alternative Betreiber winken aus Kostengründen ab. So verzweifelt sind inzwischen die Gemeindeoberen, die um den langfristigen Erfolg ihrer Gewerbeansiedlung fürchten, dass man sich auf einer Pressekonferenz anlässlich der Systems 2007 hinter die Forderung der bayerischen FDP nach einer stets fortzuschreibenden Universaldienstleistung im Telekommunikationsgesetz (TKG) stellte. Das würde Anschlusszwang für Breitbandprovider bedeuten. Dabei ist die FDP erstens im bayerischen Landtag derzeit noch nicht einmal vertreten, zweitens bekanntlich nicht gerade eine Freundin obrigkeitlicher Eingriffe.
Drahtlos durchs Niemandsland Wie Bernried geht es nach Schätzungen des VATM (Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten) rund 2200 Gemeinden im Bundesgebiet. Dabei bezeichnet der Begriff Breitband in Europa nicht etwa Megabit-breite Übertragungs-Highways, sondern jede Verbindung, die schneller als 144 KBit/s ist – angesichts der Anforderungen so mancher Büroanwendung ein schlechter Witz. So wundert es nicht, dass immer mehr Städte und Regionen auf Abhilfe sinnen. Im niedersächsischen Landkreis Osterholz beispielsweise, dessen Gewerbepark A27 ebenfalls breitbandlos über die Runden kommen musste, errichtete man im Rahmen eines EU-geförderten Projekts zur TK-Erschließung des ländlichen Raums Wireless-Breitbandverbindungen. Die Telekom wollte lediglich PMX (Primärmultiplex)-ISDN-Anschlüsse mit 2 MBit/s und zu rund 1000 Euro monatlich bereitstellen. Nun kann jedes Unternehmen mindestens 256 KBit/s Up- und Downloadgeschwindigkeit nutzen. An dem Projekt sind Unternehmenspartner aus der Region wie das NETZ-Zentrum für innovative Technologien, der Bremer Richtfunkspezialist Briteline, Kensy Systemtechnik, ein Anbieter selbst entwickelter WLAN-Produkte, und die Osterholzer Pro Arbeit, eine kommunale Anstalt öffentlichen Rechts, beteiligt. Auch in der brandenburgischen Flächengemeinde Königswusterhausen erwägt man die Lösung des gordischen Breitband-Knotens mittels neuartiger, kooperativer Finanzierungsmodelle und drahtloser Technik. Deren Implementierung ist freilich ein kniffliges Handwerk. Denn vieles funktioniert nicht so, wie es eigentlich sollte, stellt Thomas Rottenau von der Fachhochschule Stralsund, Fachbereich Elektrotechnik/ Informatik, bei seinen Laboruntersuchungen immer wieder fest. Von ihnen berichtete er auf der Frankfurter IT-Kongressmesse Interop: »Es arbeitet am Ende nur gut zusammen, was auch gründlich zusammen getestet wurde«, resümiert er seine Erfahrungen mit Equipment, das, angeblich standardkonform, im Ernstfall doch tut oder nicht tut, was es will.