Bühnenreif. Für Aktionäre hatte der Berliner Bankier Carl Fürstenberg Anfang des vergangenen Jahrhunderts noch charmante Worte übrig: Sie seien dumm, weil sie ihm Geld überlassen, und frech, weil sie auch noch Dividende dafür haben wollen.
Heutige Vorstände wären glücklich darüber, solche bescheidenen Anteilseigner des alten Schlages zu finden. Denn zu den ureigensten Qualitäten eines Aktionärs ? Blödheit und Gier (Letzteres am besten beim alljährlichen Buffet der Hauptversammlung zu studieren) ? haben sich im Laufe der Zeit weit folgenreichere Eigenschaften hinzugesellt. Moderne Aktionäre wollen heutzutage nicht allein nur mehr mitkassieren, sie wollen mitreden, mitbestimmen und ? weit schlimmer noch ? sich öffentlich gerne produzieren. Hauptversammlungen: Das sind Sternstunden für ansonsten mausgraue Gestalten, deren Niveau nicht einmal ausreicht, um im RTL-Container von Big-Brother Platz zu nehmen. Der Kapitalmarkt dagegen verschafft ihnen Gehör. Das alles ist fein rechtlich in 410 Paragrafen des Aktiengesetzes abgefasst und nennt sich »Aktienkultur«.
Der Traditionshersteller Leica hat überaus kultivierte Aktionäre. Einer von ihnen ist der als »Hauptversammlungsschreck« bekannte Peter Eck aus Geldern. Sein legendärer öffentlicher Auftritt bei der letzten Hauptversammlung des Diskothekenbetreibers Mallorca Lifestyle AG, die er als ausgeschiedener Aufsichtsrat für den geflüchteten Vorstand überraschend und ohne Mandat leitete, ist nun schon ein Weilchen her und auch sein Aufsichtsratsposten bei der Kölner CBB Holding AG ist ungefähr so medienwirksam, wie ein umgefallener Reissack in China. Höchste Zeit also, sich wieder in Szene zu setzen. Mit nur einer Aktie von Leica Camera AG, blockiert Eck auf juristischem Weg die von der Mehrheit der Aktionäre beschlossene Sanierung. Mit einem Einsatz von rund vier Euro, die das Wertpapier kostete, hat es Eck bereits geschafft, seinen Namen in einer Ad-hoc-Meldung unterzubringen. Geht das höchst bekannte Unternehmen pleite, kann sich der Biedermann aus Geldern sogar stolz der Sargnagel einer Traditionsfirma nennen.
Das Deutsche Aktieninstitut in Frankfurt, das die Beliebtheit der Aktie hierzulande steigern will, könnte also viel mehr für die Aktienkultur tun, als lediglich mit hohen Renditen zu werben. Ein jährlich verliehener Titel eines Herostrates des Kapitalmarkts würde sicher viel mehr Leute an die Börse locken.