Bürokratie blockiert E-Governmentprojekte. Henriette Struss sprach mit Andrea Di Maio, Vize-Präsident Government bei Gartner, über Integrations- und Finanzierungsprobleme bei E-Governmentprojekten in Deutschland
Andrea Di Maio, Vize-Präsident Government bei Gartner
Foto: Gartner Group
Die größte technische Herausforderung ist, die verschiedenen Datenbasen, IT-Plattformen und Infrastrukturen auf Ebene von Ämtern und Ministerien zusammenzuführen. Besonders in einer Bundesrepublik mit föderativer Struktur wird gerne die einheitliche Integration auf Länderebene in Frage gestellt.
Ja, denn durch die unabhängigen Autoritäten, gibt es viele unterschiedliche Ansätze und eine große Zahl unterschiedlicher Plattformen wie etwa in Bayern und Berlin. Doch diese heterogenen Ansätze sind sehr kostspielig, daher wäre es besser eine Selektion zu treffen. Deutschland kämpft nicht als einziges Land mit diesem Problem, auch die Vereinigten Staaten von Amerika und Australien stehen vor diesem Dilemma. Mancherorts hat man wegen heftiger Auseinandersetzungen die Zusammenarbeit schon aufgegeben. Dabei wäre es technisch kein Problem. Die Landesbehörden könnten auf die gleiche Infrastruktur und Plattform zugreifen. Doch stehen die einzelnen Bundesländer einem zentralen Ansatz sehr skeptisch gegenüber und die Bürokratie mit den verschiedenen Budgetierungen blockiert oft gemeinsame Projekte.
Kommt es durch die verschiedenen Budgetierungen zu Doppelentwicklungen auf Länderebene?
Natürlich kann es dadurch zu Doppelentwicklungen kommen. Das versucht ja gerade BundOnline 2005 mit der Vorgabe von Richtlinien zum Aufbau einer technischen E-Governmentarchitektur zu verhindern. Nur legt das Modell nicht fest, wie die Infrastruktur finanziert werden soll.
Spielen denn betriebswirtschaftliche Aspekte hier eine solch große Rolle?
Ja, mittlerweile sind sie stark in den Fokus der Projektverantwortlichen gerückt. Man fragt sich heute vermehrt, wie man die Dienste gestalten kann, damit diese mit der Zeit rentabel arbeiten. Zwar wurde am Anfang viel investiert, aber gerade in der derzeitigen konjunkturell schwachen Phase setzt die Politik die Prioritäten anders.
Darüber hinaus wurde zu Beginn der Projekte oft vergessen, dass es sich bei den neu entstehenden elektronischen Servicekanälen nur um zusätzliche handelt, und herkömmliche, bestehende Dienste dafür nicht eingespart werden können. Das Potenzial zur Kostenreduzierung ist daher gering. Ein Return on Investment (RoI) im üblichen Sinne lässt sich kaum erzielen.
Nein, denn bei der Kalkulation müssen neben den Konsequenzen für Bürger und Beamte auch die Auswirkungen auf die Wirtschaft mit einkalkuliert werden. Nehmen wir beispielsweise die zentrale Online Einkaufsplattform des Bundes: Über Sie möchte der Bund effizienter einkaufen und durch den geringeren Verwaltungsaufwand Einsparungen erzielen. Allerdings geht es auch darum, durch die elektronischen Ausschreibungen mehr Anbieter ins Boot zu holen und Preise zu vergleichen. Der Staat versucht dadurch Waren billiger zu erwerben. Hier müssen die Verantwortlichen auch den Impact auf Industrie und Volkswirtschaft mit berechnen. Das heißt in diesem Fall: Eventuell negative Auswirkungen auf die regionale Industrie in Kauf zu nehmen.
Wie weit sind denn die E-Governmentprojekte in Deutschland im Vergleich zum Ausland gediehen?
Die Lage der E-Government-Projekte in Deutschland ist nicht so schlecht, wie es einem europaweite Rankings glauben machen wollen. Marketingmaßnahmen wie das Zählen der Online geschalteten Dienste und ein Vergleich dieser, führen in die Irre. Wichtig sind der Aufbau von Strukturen, die Definition von Integrationsschritten und Kostenmodellen, die bei allen Projekten Anwendung finden können, und da steht Deutschland mit BundOnline 2005 und SAGA nicht schlecht da. Eine weitere Herausforderung wird sein, die Projekte von BundOnline 2005 und Deutschland Online zusammenzuführen.