Verhältnismäßigkeit nicht gegeben
- Bundesverfassungsgericht erlaubt Online-Durchsuchungen
- Verhältnismäßigkeit nicht gegeben
Außerdem greife »das heimliche Aufklären des Internets« in das Telekommunikationsgeheimnis ein. Vorkehrungen zum Schutze des Eingriffs in den »absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung« sehen die Verfassungsrichter als nicht gegeben an. Angesichts der Schwere des Eingriffs durch Nachrichtendienste und Landesverfassungsschützer würden die Vorschriften aus NRW das Gebot der Verhältnismäßigkeit nicht wahren.
Ersten Stellungsnahmen zufolge begrüßen Datenschutzbeauftragte das Urteil. Der Sächsische Datenschützer Andreas Schurig spricht von einem »Meilenstein der Rechtssprechung« und einem »Sieg der verfassungsmäßigen Ordnung«. Sein Kollege aus Bayern, Karl Michael Betzl, dürfte, das Urteil ebenfalls positiv kommentieren. Betzl lässt jedoch derzeit sein Amt ruhen, weil sein Name auf den Listen potenzieller Steuerhinterzieher aufgetaucht ist, die Millionensummen in Liechtensteiner Stiftungen transferiert hatten.
Die politische Diskussion um Online-Durchsuchungen wird nach dem heutigen Urteil nicht verstummen. Stumm bleiben auch nicht die Hersteller von Antiviren-Software, die aus technischer Sicht in der Vergangenheit immer wieder die Grenzen des Einsatzes von staatlich legitimierter Spionagesoftware beschrieben haben.
Denn zwischen »schlechten« und »guten« Trojanern können die Systeme der IT-Security-Unternehmen nur dann entscheiden, wenn ihnen Nachrichtendienste entsprechende Codes ihrer Spionagesoftware mitteilen.
»Es ist unwahrscheinlich, dass die Behörden uns freiwillig mit Mustern ihrer Werkzeuge beliefern«, sagt Magnus Kalkuhl, Security-Experte von Kaspersky Lab. »Auf unsere Arbeit als Antiviren-Unternehmen wird die anhaltende Diskussion um den Bundestrojaner keinen Einfluss haben«.
Auch der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) zeigt sich erleichtert. »Das Gericht hat unsere Auffassung bestätigt, dass es für heimliche Zugriffe auf Computer besonders hohe rechtliche Hürden geben muss«, kommentierte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder in Berlin.
Eine Durchsuchung von Servern der E-Mail-Anbieter im Rahmen der Online-Durchsuchung lehnt der der Verband ab. Rohleder: »Das bringt wenig und schadet nur.« Jeder Nutzer könne seinen Mailverkehr problemlos über ausländische Anbieter abwickeln.
Auch sollten in Deutschland tätige Software-Hersteller nicht verpflichtet werden, für die Sicherheitsbehörden standardisierte Schnittstellen einzubauen, etwa in Virenschutzprogramme. »Kriminelle können mit einem Mausklick auf ausländische Anbieter von Virenscannern und Firewalls ausweichen«, so der Rohleder.
Eine Umfrage, die der Verband vom Meinungsforschungsinstitut Forsa zum Thema Online-Durchsuchen durchführen ließ, belegt, dass das Thema die Bundesbürger polarisiert: 48 Prozent lehnen sie ab, 46 Prozent sind damit einverstanden.
Der Rest ist unentschieden oder hat keine Meinung dazu. Befragt wurden 1000 Bürger, die älter als 14 Jahre sind.