Cebit 2006 - Konjunktur erwärmt die Messe. Die Stimmung bei der Deutschen Messe AG hat sich wieder entspannt: Nach einigen Jahren mit rückläufigen Ausstellerzahlen, weist die Cebit erstmals wieder einen Zuwachs auf. Die derzeit positiven Konjunkturdaten unterstützen die Erwartungen der Messemacher in Hannover.
20 Jahre Cebit sind zugleich auch ein Spiegelbild der ITK-Branche. Dem rasanten Aufstieg der Messe nach der Abtrennung von der Hannover Messe Industrie, konnte noch nicht einmal die beginnende Rezession Anfang der 90er Jahre etwas ausmachen. Die Cebit zog immer mehr Firmen an, vor allem auch Unternehmen aus dem Ausland. Da spielte es auch keine Rolle, dass die Veranstaltung schon im ersten Jahr nach der Trennung fast im Schneesturm stecken blieb. Gleichwohl konnten technologische Flops wie Bildschirmtext oder der Apple Newton ? nur zwei von vielen ? dem Frühjahrs-Meeting nichts von seiner Bedeutung für die ITK-Branche nehmen. Unternehmen wie Nixdorf, Commodore, Wang, Hewlett-Packard, DEC, Siemens, IBM oder auch Toshiba stützten und nutzten die ITK-Messe. Erst mit dem unrühmlichen Ende des New-Economy-Booms Anfang des neuen Jahrtausends gab es einen Knick in der Erfolgsleiter: Die Luftblasen vieler dieser Börsengünstlinge zerplatzten, die Firmen verschwanden ? auch von der Cebit. Zuvor aber wäre fast noch das Cebit-Gelände aus allen Nähten geplatzt: 2001 drängelten sich auf den durch die Expo ohnehin schon erweiterten Flächen mehr als 8.000 Aussteller und um sie herum 840.891 Besucher.
Das alles musste von Ernst Raue, Vorstand der Deutschen Messe AG, und bis 2001 von seinem Vorgänger, Hubert H. Lange, bewältigt werden, ebenso wie die Diskussion um eine Trennung bestimmter Bereiche aus der Cebit, erinnert sich Raue. Getrennt wurde nicht, vielmehr noch mehr darauf geachtet, dass sich die Zahl der Privatbesucher nicht weiter steigert. Denn bereits 1995 bekamen die Messemanager einen Schuss vor den Bug. Damals kamen zu der als »Mega-Bit« bezeichneten Cebit 755.000 Besucher, wobei 218.000 zur Gruppe Privatpublikum gezählt worden sind. 29 Prozent, die offiziell als Nicht-Fachbesucher bezeichnet wurden, das war selbst einer Messe zu viel, die nichts gegen diese zahlenden Besucher hat, sofern sie sich auf das Wochenende beschränken. Vor allem aber die Aussteller muckten auf. Schließlich kommen sie wegen des Business-to-Business, und nicht um Gimmicks zu verteilen. Wobei ? und das hat sich in den 20 Jahren Cebit nicht geändert ? es durchaus Aussteller gibt, die für jeden Besucher zu haben sind.
Doch zwischenzeitlich kamen neue Anforderungen auf die Messemacher aus Hannover zu: Die Ausstellerzahlen sanken. Erst blieben die Luftblasenfirmen weg, dann, nach dem 11. September 2001, viele US-amerikanische Aussteller. Später belastete die konjunkturelle Situation ? nicht nur in Deutschland ? die Cebit zusätzlich. Viele Unternehmen sparten rigoros bei ihren Messeengagements.
Die Cebit kam dabei noch mit einem blauen Auge davon ? im Gegensatz zu anderen Messen im In- und Ausland. »Natürlich sind wir als Messegesellschaft von der konjunkturellen Situation, auch der weltweiten Wirtschaftslage, abhängig«, weiß Messechef Raue (lesen Sie dazu auch das Interview. ). Aber in diesem Jahr würden die positiven Stimmen in der ITK-Branche wieder überwiegen.
Unterstützung bekommt Raue vom Europeen Information Technology Observatory (Eito). In der neuen Studie des Eito, die Anfang März veröffentlicht worden ist, wird von einem stabilen und soliden Wachstum der internationalen Märkte für Informationstechnik und Telekommunikation gesprochen. So rechnen die Marktbeobachter des Eito, dem auch der Branchenverband Bitkom (Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien) angehört, in diesem Jahr mit einem Branchenumsatz in der EU von 643 Milliarden Euro. Das bedeutet ein Plus von 3,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Für 2007 wird ein Zuwachs von 2,9 Prozent auf 662 Milliarden Euro prognostiziert. Der US-amerikanische Markt soll laut Eito 2006 um 3,9 Prozent, 2007 um vier Prozent zulegen.
Den größten Binnenmarkt stellt laut Eito die EU mit einem Marktanteil von 32 Prozent dar. Danach folgen die USA mit 28 und Japan mit 14 Prozent. »Unsere Branche wächst in diesem Jahr in der EU abermals deutlich stärker als die Gesamtwirtschaft«, betont Heinz Paul Bonn, Vizepräsident des Bitkom. Das mache, so Bonn weiter, »unsere Branche europaweit zum Konjunkturmotor«.
Getragen wird der europäische ITK-Markt vor allem von IT-Services, Software und Telekommunikationsdiensten. Diese drei Bereiche machen 75 Prozent des gesamten Volumens aus. Dagegen entfallen nur noch 25 Prozent auf Hardware. »Das sind unglaubliche Werte für eine Branche, die ihre Wurzeln in der Fertigungsindustrie hat«, fügt Bonn hinzu. Zu einem Renner im westeuropäischen Markt entwickelt sich die Consumer Electronic. Diesem Segment wird für das laufende Jahr ein Plus von 7,2 Prozent auf etwa 59 Milliarden Euro prognostiziert. Besonders der Umsatz der digitalen Unterhaltungselektronik soll in diesem Jahr bereits auf einen Anteil von mehr als 47 Milliarden Euro schnellen. Das entspricht einem Umsatzplus von 17,5 Prozent. Dabei treten vor allem drei Produktgruppen in den Vordergrund: Plasma- und LCD-Fernseher, digitale Set-Top-Boxen und Satellitensysteme, sowie MP3-Player. Für die neuen TV-Geräte wird in Westeuropa bei einem Plus von 42 Prozent gegenüber 2005 ein Marktvolumen von 16 Milliarden Euro erwartet, bei Set-Top-Boxen ein Zuwachs um 46 Prozent auf 2,4 Milliarden Euro und bei MP3-Playern nach einem Plus von 105 Prozent im vergangenen Jahr in diesem Jahr weitere 18 Prozent auf ein Marktvolumen von über drei Milliarden Euro.
Das Thema Konvergenz betrachtet der Bitkom als einen der wichtigsten Trends. Als weitere Schwerpunkte nennt der Bitkom-Vize Bonn Breitband und UMTS, E-Government und E-Health, IT-Outsourcing, Mittelstand, RFID, Sicherheit sowie Telematik und Navigation. Dem kann sich Messechef Raue nur anschließen. »Beim Hype-Thema RFID präsentiert sich die Metrogroup mit ihren Partnern auf rund 5.000 Quadratmetern in der Halle 6«, führt er als Beispiel an. Ebenso sei das Thema Konvergenz ein Messeschwerpunkt, der sich durch nahezu alle Hallen ziehe. »Zu diesem Thema haben wir insgesamt rund 1.300 Aussteller, die auf mehr als 100.000 Quadratmetern Produkte und Lösungen präsentieren. Das sind beispielsweise Unternehmen wie Panasonic, Sharp, Samsung, die Handy-Anbieter ebenso wie Firmen, die private Netzwerke oder WLANs realisieren und Ähnliches mehr.« Mit diesen Themen hat die Cebit endlich mal wieder eine ganz Reihe an Innovationen vorzuweisen. Damit scheint sich zumindest in diesem Jahr die Situation vergangener Jahre umzukehren, als kaum mehr über neue Konzepte und Lösungen auf der Messe gesprochen worden ist.
So will Raue auch viel lieber darüber sprechen, wo die Cebit steht und wo es mittelfristig hingehen soll. »Natürlich gehören auch die üblichen Zahlen dazu, also etwa 6.300 Aussteller aus 70 Ländern auf mehr als 300.000 Quadratmetern Fläche.« Und natürlich werde die Messe immer internationaler. So haben sich nicht nur 3.300 Aussteller aus dem Ausland angemeldet ? »das ist erstmals ein Anteil von über 52 Prozent« ? sondern auch unter den Besuchern werden sicherlich wieder deutlich über 27 Prozent aus dem Ausland kommen. Das zeige, dass die Cebit zu Recht auf ihren internationalen Charakter pochen könne. »Die Cebit bringt in einem Jahr mehr internationale Kunden nach Deutschland, als alle anderen ITK-Messen in zehn Jahren zusammen«, betont er stolz.
Ausschlaggebend für die Messe und ihre Aussteller sei aber, »dass die richtigen Besucher kommen, also die Entscheider«. Dass dem so ist, daran zweifelt der Messechef nicht. Schließlich verstehe sich die Cebit nicht nur als eine Messe für das Business-to-Business, sondern sei die Bühne für Geschäftskontakte schlechthin. »Der Fachbesucheranteil lag 2005 bei über 88 Prozent. Die auf der Cebit gezeigten Exponate ziehen aber auch immer mehr das Interesse der privaten Fachbesucher auf sich. Deshalb gehen wir davon aus, dass der Fachbesucheranteil kaum weiter steigen wird.«
Doch eine Kollision zwischen Fach- und Privat-Besuchern könne Raue nicht erkennen. Schließlich würden viele Unternehmen auf diese Besucher-Klientel ebenso Wert legen, wie auf Geschäftspartner. Besonders auch im Umfeld der Konvergenzprodukte, die erstmals mit der Sonderausstellung »Digital Living« in der Halle 27 eine außergewöhnliche Anlaufstelle haben (siehe Artikel »Im Planet der Channel«).
Fast schon als eine Selbstverständlichkeit bezeichnet er die »Bemühungen um den Mittelstand, um Handel und Handwerk«. Besonders die Foren und Präsentationen in der Halle 5 würden verdeutlichen, dass »die Cebit den Mittelstand als eine ihrer wichtigsten Besuchergruppen noch stärker in den Fokus rückt«. Das »Forum Cebit Mittelstand« mit den Leitthemen »Profitabilität, Mobilität, Sicherheit und Internationalität« gehöre zum Kern der Mittelstandsaktivitäten. Aber auch das Händlerzentrum »Planet Reseller« beweise, »dass in der Gesamtkonzeption der Cebit der Handel eine große Rolle spielt« (siehe Artikel »Im Planet der Channel«).
Gerade diese Bestandteile der Messe versteht Raue als einen wesentlichen Teil des Wandels, den die Cebit seit ihrer Gründung 1986 vollzogen hat. Aus einer Produktschau ist das Spiegelbild der IT-Industrie entstanden, die längst in ganzheitlichen Lösungen denn in Einzelprodukten denken muss.
Die Messe 2007, so Raue, »soll noch besser werden«. Schließlich habe die Messegesellschaft in diesem Jahr neue Themenfelder gestartet, »die eine gewisse Zeit der Reife benötigen«. Dass in diesem Jahr einige große Unternehmen der Veranstaltung fern bleiben, ist für Raue zwar nicht schön, aber auch nicht ungewöhnlich. Schließlich müsse eine Messe mit solchen Veränderung leben können. Denn andererseits sei bei manchen Firmen diese Abstinenz nur vorübergehend.
Am Konzept der Messe jedenfalls gebe es keine Kritik. Dies habe auch der Bitkom bestätigt. Und was wünscht sich der Messechef im Jubiläumsjahr der Cebit außer schönem Wetter? »Dass die Aussteller zufrieden sind und wieder kommen. Dass sie in Deutschland etwas von der neuen Aufschwungstimmung spüren.«