CPU-Garantie ? Risiken und Nebenwirkungen

30. September 2004, 0:00 Uhr |

CPU-Garantie ? Risiken und Nebenwirkungen. Wenn Prozessoren innerhalb der Garantiezeit Defekte aufweisen, beginnt für den Fachhändler oft ein Spießrutenlauf zwischen Distributor und Hersteller. Nicht selten bleibt der Handel auf den Kosten für den Austausch der CPUs sitzen.

CPU-Garantie ? Risiken und Nebenwirkungen

Bernhard Englberger, Geschäftsführer des Englberger Computerservice für Hard- und Software, ordert bei Ingram Micro den AMD-Prozessor »Athlon XP2000+« als Boxed-Ware mit einer dreijährigen Garantie. Den Prozessor baut er in einen Rechner ein, den er an einen Endkunden weiterverkauft. Eineinhalb Jahre später reklamiert der Käufer, dass der Rechner nicht mehr funktioniert. Nach einer Überprüfung des Systems stellt sich heraus, dass die CPU defekt ist. Um den Kunden schnell zufriedenzustellen, tauscht der Fachhändler die defekte CPU gegen eine neue aus, wohl wissend, dass er den Baustein mit einer dreijährigen Garantieleistung gekauft hat ? eine Reklamation sollte also keine Probleme bereiten.

Jedoch hatte Englberger nicht mit den Garantiebestimmungen seines Lieferanten Ingram Micro gerechnet, der als autorisierter AMD-Großhändler für die Reparaturabwicklung zuständig ist. Hier erfuhr Englberger, dass der defekte Baustein nicht ausgetauscht werden kann, da er älter als sechs Monate sei. Der Händler habe somit nur noch Anspruch auf einen Zeitwertausgleich. Verärgert wendet sich Englberger nun direkt an AMD. Dort erfährt er: Austausch ja, doch dafür müsse er die defekte CPU inklusive Kühlkörper und Fotos der Produkte auf eigene Kosten nach England schicken. Erst auf Anfrage von CRN bei AMD zeigt sich der Prozessorhersteller kulant: »Wir werden die CPU austauschen sobald wir den Vorfall überprüft haben«, erklärt Stephan Schwolow, Pressesprecher bei AMD. Und Ulf Hohmann, verantwortlich für das europäische Marketing bei AMD ergänzt: »Wir wissen, dass wir mit der RMA-Abwicklung Schwierigkeiten haben, deshalb arbeiten wir mit Hochdruck daran, ein Programm aufzusetzen, um die Probleme zu lösen.« Sicherlich, ein Trostpflaster für den Fachhandel, aber wann der verbesserte RMA-Service in Kraft treten soll, steht noch nicht fest.

Intel erledigt RMA selbst

Während AMD, bei der Abwicklung von RMA-Fällen ausschließlich auf die Distribution setzt, wickelt Intel Reklamationen in erster Linie selbst ab. Dabei spielt es keine Rolle, welchem Händlerstatus (Intel Product Integrator oder Intel Premier Provider) der Wiederverkäufer angehört. Die direkte RMA-Abwicklung gilt bei Intel auch für nicht autorisierte Fachhändler. Lediglich bei »Dead on Arrival« der CPUs lässt Intel die Chips innerhalb der ersten 30 Tage über die Distribution austauschen. Diese Methode, RMA-Fälle abzuwickeln, kommt bei den Fachhändlern äußerst gut an: »Sobald wir eine CPU reklamieren, ist am nächsten Tag schon der Austauschprozessor bei uns im Laden«, erklärt Burglind Gaedke, Geschäftsführerin von Gaedata in Bad Wiessee. AMD-Chips verkauft sie dagegen überhaupt nicht. »Die Qualität überzeugt uns nicht«, erklärt sie. Auch Markus Weiner, verantwortlich für Vertrieb und Einkauf bei der Neumeier AG, bestätigt: »AMD hat mit dem Service öfter mal Probleme.« Allerdings kauft Weiner beim Distributor COS nur Tray-Ware ein, da »bei Boxed CPUs die Lüfter nicht unseren Vorstellungen entsprechen«, führt er aus. Obwohl er mit COS eine besondere Absprache für den Austausch defekter AMD-CPUs getroffen hat, dauert die Abwicklung in der Regel länger als bei Intel.

Gerade bei der RMA-Abwicklung zeigt es sich, auf welchen Partner sich ein Händler verlassen kann und bei welchem Vorsicht angesagt ist. In der Distribution bestehen nämlich unterschiedliche Methoden, RMA-Fälle abzuwickeln: Ingram Micro beispielsweise tauscht eine defekte AMD-CPU, die als Boxed-Ware mit einer Garantie von drei Jahren gekauft wurde, nur innerhalb der ersten sechs Monate nach dem Kaufdatum aus. Danach gibt es nur noch einen Zeitwertausgleich. Seit der Einführung der Schuldrechtsreform im Jahre 2002 ist das beim Broadliner Standard. Andere Großhändler wie beispielsweise COS treffen mit den Händlern individuelle Absprachen. Und Siewert & Kau zeigt sich von vornherein kulant. Der Distributor tauscht grundsätzlich defekte Boxed-CPUs gegen neue aus. Damit der Handel angesichts der verschiedenen Methoden, Garantiefälle abzuwickeln, die Übersicht behält, müsste er sich bei jedem Distributor über dessen Bestimmungen informieren. In der Praxis lässt sich dies wohl kaum realisieren.

Joachim Dünkelmann, stellvertretender Geschäftsführer beim BVT (Bundesverband Technik des Einzelhandels), kennt das Problem: »Immer dann, wenn eine Reklamation und deren Prüfung über mehrere Instanzen zwischen Handel/Systemhaus, Distributor und Hersteller ausgetragen wird, drohen Aufwand und Kosten unnötigerweise aus dem Ruder zu laufen.« Klare Vereinbarungen zu Verfahren, Voraussetzungen und Abwicklung bieten bislang jedoch nur wenige Lieferanten aus dem IT- und TK-Sektor an. Manche Hersteller lassen seiner Meinung nach ihre Händler zwischen Service-Centern in Schottland und Call-Centern in der Ukraine sprichwörtlich hängen.

Dünkelmann fordert deshalb: »Vor allem die Distribution sollte ihr Gewicht bei der Industrie in die Waagschale werfen, um partnerschaftliche und effiziente Modelle zu etablieren.« Es könne nicht im Interesse aller Beteiligten liegen, wenn ein Händler seinen Distributor oder den Hersteller erst mit einem Gutachter oder Richter davon überzeugen muss, dass eine Reklamation berechtigt ist. Das gemeinsame Ziel muss deshalb laut Dünkelmann sein: »Reklamationen - unabhängig davon ob Gewährleistung oder Garantie ? so reibungslos und schmerzfrei wie möglich für alle Beteiligten abzuwickeln.« Bis jetzt ist jedoch nicht abzusehen, wann der Handel mit einfachen und übersichtlichen Garantiebestimmungen rechnen kann.
(Übersichtstabelle in der Printausgabe)

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INFO

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Tel. 089-450530, Fax 089-406490
www.amd.com

BVT
An Lyskirchen 14, D-50676 Köln
Tel. 0221 27166-0, Fax 0221 27166-20
www.bvt-ev.de


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