CRN-Roundtable: Verkaufen oder verlieren. Beim Thema Verkaufs- und Beratungsdefizite im IT-Fachhandel sind turbulente Debatten vorprogrammiert. So auch beim CRN-Roundtable »Verkaufen oder Verlieren«. Hersteller und Distributoren fordern von den Resellern erfolgreiche Vertriebsstrategien und Bereitschaft zur Spezialisierung. Händler monieren die fehlende Unterstützung durch die Lieferanten.
Co-Autorin: Christiane Manow
Dienstleistungswüste Deutschland ? nirgends ist sie spürbarer als an der Verkaufstheke, beim Beratungsgespräch oder bei der Kundenakquise. Da durfte die Diskussionsrunde von Moderator und CRN-Mitarbeiter Wolfgang Kühn durchaus provokant eröffnet werden: »Viele Reseller können gar nicht verkaufen.« Deswegen suchen Fachhändler und Systemintegratoren Unterstützung bei Herstellern und Grossisten, benötigen Schulungen und Trainings. Trotzdem sind nur einige wenige in der Lage, konkret auf Wünsche einzugehen und Kunden langfristig zu binden. Wer also hat Schuld?
Bei dieser Frage zeigte sich das eigentliche Dilemma: Keiner der Beteiligten hob die Hand, hatte Vorschläge oder versprach, konkret daran zu arbeiten. Dabei steht es nicht gut um die wirtschaftliche Sicherheit vieler Handelsunternehmen. Immerhin sind im vergangenen Jahr etwa 30.000 Händler aus dem Markt ausgetreten und 4.500 haben Insolvenz angemeldet. Trotzdem waren sich die Diskutanten auf der Lieferantenseite einig darin, alles Machbare getan zu haben.
Stellvertretend dafür stellte Hans-Dieter Wysuwa, Direktor SME und Channel bei Fujitsu Siemens, fest, dass das Problem eindeutig an der mangelnden Vertriebsstrategie der Händler liege: »Entscheidend ist, dass sich ein Reseller auf einige Bereiche konzentriert, dafür eine Strategie ausarbeitet, die er kontinuierlich verfolgt.« Wäre dies so einfach, müssten die Spezialisten unter den Resellern die Gewinner sein. Dem konnte Peter Süß, Vertriebsleiter bei Fachhändler Comdas, nur bedingt zustimmen. Denn, so Süß, ein Reseller müsse auch mal Nein sagen. Vor allem zu jenen Schulungen, die von vielen Herstellern zwar verlangt werden, aber seiner Ansicht nach »überhaupt nichts bringen«.
Damit brachte er einen Aspekt in die Diskussion, der vom Handel oft kritisiert wird: Die Reseller sind durch das Tagesgeschäft stark eingespannt, müssen sich, sofern sie ein Ladengeschäft betreiben, gegen den Druck der Retailer wehren. Für Weiterbildung bleibt keine Zeit. Dem kann sich Robert Gatz, Director Marketing von Tech Data, nicht verschließen, er gibt aber zu bedenken, »dass auch wir gezwungen sind, aktiv zu verkaufen«.
Freilich, Händler wie Distributoren, Hersteller und Systemhäuser müssen Kunden umwerben, um IT zu verkaufen. Doch wie soll das in der Praxis umgesetzt werden? Jan Herud, geschäftsführender Gesellschafter des Systemhauses Alatis, vergleicht die Situation im IT-Handel mit der Textilwirtschaft. »Kaufe ich mir einen Anzug, bekomme ich bei der Auswahl einen Espresso serviert.« Übertragen auf die IT-Branche bedeutet das, dass jeder Händler ein CRM-Programm haben sollte, das selbst solche »Kleinigkeiten« enthält, wie der Kunden seinen Kaffee am liebsten mag. Dies nahm Andreas Dolle, Geschäftsführer des ADM-Instituts, zum Anlass, eindringlich zu appellieren: »Ein Kunde muss sich auch beim IT-Fachhändler wohlfühlen.« Worauf Gerhard Hundt, Managing Director von Avnet, ganz klar erklärte, dass »der Reseller normalerweise für den Verkauf von Produkten ausgebildet ist. Wenn er das nicht kann, hat er in dem Segment nichts verloren.«
In der Tat zeichnet sich ein guter Fachhändler durch exzellente Verkaufstechniken aus. Ähnlich sieht dies auch Frank Garrelts, Vorstand der Fachhandelskooperation Akcent Computerpartner. Gleichzeitig ergänzte er, dass der Fachhandel seine Kompetenz in Beratung und Service viel stärker bewerben muss. »Dies und das Angebot von individuell zugeschnittenen Lösungen, hilft Händlern sich von Retailern abzuheben«, fügt Christoph Hilbert, geschäftsführender Gesellschafter von IME, hinzu.
Individuelle Lösungen anzubieten heißt, die Bedürfnisse der Kunden zu kennen und sie zu erfüllen. »Die Verkäufer müssen die Sprache des Kunden sprechen und sich auf eine Zielgruppe konzentrieren«, fordert Wolf Kunert, Managing Consultant des Systemhauses Pica. Eine Situation, die bis vor etwa zwei Jahren anders gewesen sei. Damals hatte es genügt, IT-Produkte lediglich zu verteilen, aktives Verkaufen war kaum nötig.
»Man kann heutzutage Kunden mit einer Kombination aus verschiedenen Produkten locken«, behauptet Garrelts. Damit würde dem Fachhandel geholfen, sich im preisaggressiven Wettbewerb mit Flächenmärkten und branchenfremden Anbietern deutlich zu profilieren. Solche produktübergreifenden Bundles stoßen bei Herstellern nur selten auf Gegenliebe. FSC-Manager Wysuwa sieht bei diesem Thema Ungemach auf die Hersteller zukommen. »Wir werden sicherlich nicht einen Drucker von HP in unseren FSC-Flyern bewerben«, wehrt er vehement ab. Anders dagegen die Distributoren. Tech-Data-Manager Gatz sieht diese Forderung etwas sachlicher: »Das kann stattdessen die Distribution übernehmen.«
Doch ein Angebot von Bundles reicht nach Auffassung von Hilbert nicht aus, um aus Händlern erfolgreiche Verkäufer zu machen. Seiner Meinung müssen sie zu lösungsorientierten Verkäufern ausgebildet werden. Süß wirft ein: »Händler sind nicht schlecht ausgebildet, aber beim Kundengespräch braucht der Handel Unterstützung.« Worauf Friedrich Pollert, Prokurist von Microtrend, eine Lanze für die Verbundgruppen brechen will: »Hier sind die Fachhandelskooperationen gefragt, dem Handel ein bestimmtes Profil zu geben.« Eine Sysiphus-Arbeit, da nicht nur Händler Defizite im Verkauf aufweisen, sondern auch Hersteller und Distributoren Schwächen zeigen, wie Alatis-Chef Herud bemängelt. Er kritisiert beispielsweise deren Vorgehensweise bei Faxmailings, die großzügig ohne Auslese an alle Händler verschickt werden. »Was mir aber fehlt, sind Rückmeldungen und Ideen von Händlern und Distributoren«, kritisiert Wysuwa. »Wir brauchen eine beidseitigeKommunikation.« Worauf Gatz einstimmt: »In der Vergangenheit haben wir auf den Fachhandel nur wenig gehört.«
Selbst wenn in dieser Diskussionsrunde keine Lösungen gefunden wurden, wie Fachhändler zu erfolgreichen Verkäufern werden, in einem Punkt waren sich alle Beteiligten einig: Es geht im Geschäft mit IT nicht nur um die Produkte selbst, sondern um die Bedürfnisse der Kunden. Der Fachhandel braucht mehr praxisorientierte Unterstützung, mehr Hilfe bei der Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen. Auf der anderen Seite müssen die Reseller erkennen, dass Lieferanten nicht dazu da sind, ihnen die Grundlagen des Handels beizubringen.
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Andreas Dolle, Geschäftsführer ADM-Institut
Frank Garrelts, CEO von Akcent
Robert Gatz, Marketing Director von Tech Data
Jan Herud, geschäftsführender Gesellschafter Alatis
Christoph Hilbert, geschäftsführender Gesellschafter IME
Gerhard Hundt, Managing Director von Avnet
Wolf Kunert, Managing Consultant von Pica
Friedrich Pollert, Prokurist von Microtrend
Peter Süß, Vertriebsleiter von Comdas
Hans-Dieter Wysuwa, Director SME und Channel von Fujitsu Siemens