Konkurrierende Anbieter adressieren immer erfolgreicher die Handelskunden der ITK-Grossisten. Vor allem kleine Reseller und große Handelsunternehmen ordern häufiger fremd.
Der vormalige Chef der Warsteiner-Brauerei, Gustavo Möller-Hergt, hat sich nach seinem Einstieg in das IT-Distributionsgeschäft und einer ersten Bestandsaufnahme des hiesigen Marktes zurecht darüber gewundert, dass die IT-Distribution in den vergangenen zehn Jahren Aufgaben und Kompetenzen kampflos anderen Marktanbietern überlassen hat. Selbst die Broadliner haben den einstigen Gesamtabdeckungsanspruch für den Markt schrittweise aufgegeben. Bei den kleinen Fachhändlern erwuchs den Großhändlern aus ihrer eigenen Kundenklientel mit den Etailern eine starke Konkurrenz. Inzwischen ordern laut der Marktstudie CRN Channeltracks etwa 18 Prozent der Reseller bei den Internetanbietern. Die Distributoren sehen sich gerade bei Commodity-Artikeln mit von den Etailern gesetzten Preispunkten konfrontiert, die häufig genug auf Niveau ihres Einkaufspreises liegen. Dass sie in solche Deals mit Amazon oder Notebooksbilliger.de oft sogar noch als Logistikdienstleister eingebunden sind, unterstreicht den Irrwitz dieser Lieferkettensituation: Sie beliefern letztendlich ihre Konkurrenten, damit diese sie im Markt unterbieten können.
Doch nicht nur bei den kleinen Fachhändlern müssen sich die Grossisten mit neuen Konkurrenten auseinandersetzen. Immer häufiger verlieren die ITK-Distributoren auch Ausschreibungen hochvolumiger Lieferaufträge der Großkunden an Logistiker oder Supply Chain Management-Dienstleister, wie etwa DHL oder Arvato, die in diesen Markt drängen. Wie aber reagieren die Distributoren auf die neue Konkurrenzsituation? Häufig genug nur mit Resignation. Die kleinen Fachhändler sollen doch ruhig bei den Etailern ordern, man könne mit den »Drei-Drucker-Bestellern« ohnehin nichts verdienen, hört man hinter vorgehaltener Hand. Und auch aus Flächenmarktgeschäften ziehen sich die Grossisten schleichend zurück: Schließlich müsse man unterm Strich dort sogar noch draufzahlen, heißt es.
Stattdessen ist der Lösungsvertrieb für den Mittelstand das neue erklärte Fokusgebiet vieler Distributoren, die einstmals vor allem erfolgreiche Volumenanbieter waren. In diesem Segment sind die Distributoren bislang konkurrenzlos. Zumindest bis geeignete Anbieter aus der Systemhauslandschaft auf die Idee kommen, hier tätig zu werden. Auch hierfür gab und gibt es Beispiele. Trotzdem bleibt die Frage, ob es sich die Distribution leisten kann, ganze Kanäle aufzugeben und Mitbewerbern zu überlassen. Zumal sich auch bei neuen Geschäftsmodellen, wie etwa Cloud Computing, zunehmend die Frage stellt, welche Rolle die Distribution in dieser Angebotskette überhaupt noch übernehmen soll. Die Distribution ist gefordert, sich von der fatalen Resignation angesichts solcher Entwicklungen zu verabschieden und – wie es der Geschäftsführer eines Münchner Broadliners ausdrückte - »wieder um jeden Kunden zu kämpfen«.
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