Eingesackt

20. Mai 2004, 0:00 Uhr |

Eingesackt. Seriöse Innovationsforscher haben ausgerechnet bei der Deutschen Post eine bemerkenswerte Entdeckung gemacht, die das bisherige Negativurteil gegenüber deutscher Bürokratie ins Gegenteil verkehrt.

Eingesackt

Das wertvollste Kapital des Global-Logistik-Players ist nämlich die völlig zu unrecht gescholtene Allgemeine Dienstverordnung, die im § 47 so bedeutende Sätze wie diesen kennt: »Sollte es sich bei der Inhaltsfeststellung eines Wertsackes herausstellen, dass ein in einem Wertsack versackter Versackbeutel statt im Wertsack in einem der im Wertsack versackten Wertbeutel hätte versackt werden müssen, so ist die in Frage kommende Versackstelle unverzüglich zu benachrichtigen.« Wer solches Know-how beherrscht, einfachste manuelle Tätigkeiten semantisch unzweideutig und noch dazu juristisch hieb- und stichfest in Worte zu bannen, dem gehört in Deutschland die Zukunft. Denn im Jahre 2040, sind sich Experten sicher, wird sich hierzulande jede Behörde und jedes Unternehmen, das mit dem Staat Geschäft macht, nur noch mit sich selbst beschäftigen, womit wir endlich die heiß ersehnte Vollbeschäftigung hätten.

Dass Wirtschaftsminister Wolfgang Clement der Bürokratie den Kampf angesagt hat, schadet dem prosperierenden Markt für das Bürokratiewesen nicht, im Gegenteil: Jedes abzuschaffende Gesetz lebt ja als Untoter in Aus-, Überleitungs- und Durchführungsvorschriften weiter und zieht ganze Aktenberge Papier nach sich. Bürokratie, die gottlob IT-Firmen bereits erfasst hat und sich künftig als wahre Jobmaschine entpuppen wird. So hofft IBM derzeit noch immer, beim Milliarden schweren IT-Outsourcing-Vorhaben der Bundeswehr zum Zuge zu kommen. Sollte IBM die Ausschreibung »Herkules« (nomen est omen) gewinnen, müsste für die Aufbewahrung des Vertragswerks ein eigener Wolkenkratzer auf der Hardthöhe gebaut werden, in dem dann knapp die Hälfte aller 60.000 Rechtsanwälte in Deutschland die Paragraphen in aller Ruhe studieren, analysieren, kommentieren und anschließend mit Verteidigungsminister Struck gemütlich bei einem Glas Rotwein diskutieren können. Beschäftigung für Jahrzehnte, jubeln Konjunkturforscher.

Sparmeister Hans Eichel jedenfalls braucht keine Ängste wegen der horrenden Finanzierung auszustehen, denn die Zeche des neuen Jobwunders wird geregelt, gesetzlich natürlich. Die Mustervorlage liefert das vergangene Woche neu verabschiedete Telekommunikationsgesetzt: Die 2.250 Mitarbeiter der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post sollen künftig von der Industrie bezahlt werden, damit die Innovation künftig nicht bei Wertsäcken Halt macht.


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