Embedded Linux in vielen Geräten. Die Linux-Anbieter versprechen, die Kassen zu entlasten und für mehr Sicherheit zu sorgen. Einige Kommunen steigen deshalb zurzeit auf Open Source um, andere bleiben hingegen in der Microsoft-Welt.
Die Open-Source-Software Linux ist im Enterprise Computing bereits etabliert. Jetzt fassen die Anbieter des alternativen Betriebssystems auch im Bereich der eingebetteten Systeme und Anwendungen immer stärker Fuß. Während im PC-Umfeld das Betriebssystem mit einer Vielzahl von Treibern, Einstelloptionen und Schnittstellen ausgestattet ist, geht es bei Embedded Systems um andere Eigenschaften: Die eingebettete Software benötigt kaum Speicherplatz, läuft ohne Lüfter, bootet ohne Festplatte und ist ressourcenschonend auf bestimmte Aufgaben zugeschnitten, beispielsweise das Überwachen und Steuern von Automatisierungskomponenten.
Netzwerk-Standards wie Ethernet und TCP/IP oder ein integrierter Webserver für die Fernwartung sind auch für Embedded Systems maßgebliche Techniken. Vor fünf Jahren war das noch anders. Damals gab es Maschinenanlagen mit 4- und 8-Bit Controller, die ohne Betriebssystem auskamen und mit einer selbstgeschriebenen Software liefen. Heute muss ein Betriebssystem im Embedded-Bereich mit 32-Bit-Mikroprozessoren zurechtkommen, verschiedene Controller, I/O-Module und Protokoll-Layer samt Internet-Zugang unterstützen sowie vorgegebene Zeitparameter einhalten.
Lange Jahre hießen die tonangebenden Embedded Betriebssysteme QNX, OS-9 und VxWorks. Das änderte sich, nachdem Linux-Entwickler dieses Anwendungsfeld entdeckten und gegen die proprietären Herstellersysteme die Open-Source-Fahne hissten. "Die Angebote aus dieser Richtung haben stark zugenommen", betont Rudolf Knütter, Seniorberater und Leiter der Linux Community beim Wiesbadener Beratungshaus CSC Ploenzke. Selbst erfolgreiche Anbieter wie Wind River, Spezialist für Embedded Systeme und Hersteller des Real-Time Operating System (RTOS) VxWorks, scheuen sich nicht, ihre Entwicklungsplattformen auch auf Linux auszurichten. Das amerikanische Softwarehaus ist vor kurzem den Open Source Development Labs (OSDL) beigetreten und will noch in diesem Jahr ein neues Embedded Linux zusammen mit Red Hat auf den Markt bringen.
Auf Distanz zur Linux-Welt bleibt Softwaregigant Microsoft. Die Gates-Company betrat die Embedded-Bühne mit dem modifizierten Windows-Betriebsystem CE. Seitdem sorgt auch im Embedded-Markt die Kontroverse zwischen proprietärer und quelloffener Software für hitzige Diskussionen. Immerhin handelt es sich nach Einschätzung von Microsoft bei den Liliputrechnern mit abgespecktem Mini-Betriebssystem um einen milliardenschweren Markt.
Embedded Systems legen zu
Redmond unterhält eine eigene Embedded Devices Group und forciert seine Anstrengungen mit dem neuen Betriebssystem Windows CE .Net und Windows XP Embedded. Der zuständige Marketingdirektor Scott Horn hat vor allem die Automobilindustrie im Visier und verweist auf Lizenzverträge mit BMW für die 7er-Reihe sowie Citroen, DaimlerChrysler, Fiat, Volvo, Hyundai, Mitsubishi, Subaru und Toyota. Auch im Embedded-Bereich verstärkt sich laut Horn der Trend zu vorkonfigurierter Software: "Viele Entwickler stehen einfach unter Zeitdruck und bevorzugen kommerzielle Plattformen und das damit verbundene Serviceangebot."
Das Linux-Lager kontert mit der Entwicklerpower einer großen Community und mit zahllosen kleinen Softwareschmieden, die sich auf spezielle Aspekte im industriellen Umfeld fokussieren. Uwe Kracke, Geschäftsführer bei Emlix in Göttingen, sieht für Embedded Linux das größte Anwendungspotential im Automatisierungsumfeld: "Der Vorteil liegt darin, dass sich der Linux-Kern je nach Einsatzfall und speziell für Embedded Systeme optimieren lässt." Die Göttinger Firma arbeitet in dem Open-Source-Projekt Real-Time-Networking (RTnet) mit. Kracke und sein Entwicklerteam schneidern aus den modular aufgebauten Linux-Basisfunktionen und einem speziellen Netzwerkstack eine echtzeitfähige Softwareumgebung für die Messtechnik und für Single Board Computer.
Das Einsatzfeld für Embedded Systeme ist weit gespannt und reicht von der Automobilelektronik über die industrielle Automatisierungstechnik bis zum Schaltschrank oder mobilen Endgeräten. Beispielsweise nutzt die australische Magellan Technology Embedded Linux, um weiterentwickelte RFID-Lesegeräte (Radio Frequency Identification) zu bauen, die in der Lage sind, 50 Wörter aus einer Datenmenge von 500 geschichteten Etiketten in weniger als einer Sekunde herauszulesen. Die Auftraggeber sind Walmart und das US Department of Defense.
Auf den Linux-Zug aufgesprungen sind auch die Chiphersteller. Infineon fertigt gerade einen Linux-fähigen 32-Bit-Mikrocontroller, der auch einfache Signalverarbeitung ausführt. Anwender können die passende Entwicklungsumgebung für Embedded Linux gleich mitbestellen. Ein Entwicklungskit für Linux gibt es von Cirrus Logic, die zugleich das Konkurrenzsystem Windows CE unterstützen. Der amerikanische Chipdesigner Transmeta steht ebenfalls in intensiven Verhandlungen mit der Lebensmittel- und Verpackungsindustrie. Vor zwei Jahren tauchten erstmals Embedded-Linux-Prozessoren auf der Lebensmittelverpackung eines amerikanischen Quarkherstellers auf.
Experten des Beratungshauses CSC Ploenzke sind sich einig, dass Linux im Bereich der Embedded Systeme das größte Wachstumspotential hat. Die Gründe dafür sind vielfältig:
Stabilität und Ausfallsicherheit bis hin zur Hochverfügbarkeit mit Ausfallzeiten von fünf Minuten pro Jahr Anpassungsfähig durch modularen Aufbau Lizenzfreier Quellcode ohne Upgradezwang Erweiterungen für Echtzeitbetrieb mit etwa 15 Mikrosekunden Latenzzeit Graphische Oberflächen für die Anwendungsprogrammierung Einfache Portierung auf industrielle Controller ohne bewegliche Teile wie Lüfter oder Festplatten Unterstützung durch Firmen, die Support und Dienstleistungen für die Technologie bieten
Entwickler von Embedded-Systemen können zwar Standard-Linuxversionen, wie zum Beispiel von Suse oder Red Hat, verwenden, müssen aber den Softwarecode an die Ablaufumgebung anpassen. Das heißt zunächst, die Installation des Betriebssystems auf einem handelsüblichen PC samt den mitgelieferten Entwicklungstools wie Editor, Debugger und Compiler. Die eigentliche Entwicklung beginnt damit, alle nicht benötigten Komponenten wie die grafische Oberfläche, Schriftarten und überflüssige Treiber aus der General-Purpose-Version zu entfernen. Übrig bleibt schließlich ein konfiguriertes Embedded-System, das nicht die 500 Megabyte Speicherplatz der Linux-Vollversion belegt, sondern lediglich ein oder zwei Megabyte. Das abgespeckte System wird dann auf den Mikroprozessor portiert und mit den nötigen Erweiterungen für die geforderte Aufgabe versehen.
Mit dieser so genannten Cross-Entwicklung, bei der auf einem normalen PC ein portierbarer Linux-Code für den Embedded-Betrieb entsteht, hat sich Linux inzwischen eine beachtliche Anwendergemeinde geschaffen. Vom Mikrocontroller über Steuerungen, Regler, bis hin zum grafischen Mensch-Maschine-Interface etabliert sich Linux bei industriellen Anwendungen. Viele Experten gehen davon aus, dass proprietäre Systeme die Vernetzung von elektronischen Feldgeräten erschweren. Durch die Abhängigkeit von einem Hersteller ist der Anwender auf dessen kommerzielles Update-Angebote angewiesen. Im Automatisierungsumfeld bedeutet ein Releasewechsel erheblichen Aufwand, um eine stabile Lauffähigkeit der Rechner wieder herzustellen. In einer Linux-Umgebung hingegen können Anwender selbst entscheiden wann sie ein Update fahren oder auf Jahre mit dem ursprünglichen Quellcode arbeiten.
Die Erfolgsaussichten für Embedded Linux sind nicht schlecht. Herstellerspezifische Softwaretechnik verfügt über keine offenen Standards und wenig technische Transparenz. Das Entwickeln von Anwendungen ohne Kenntnisse über den Quellcode des Betriebssystems und seiner Treiber ist zeitaufwändig und benötigt umfangreiches Know-how, das in vielen mittelständischen Unternehmen nicht vorhanden ist. Außerdem verlangen Hersteller für jeden Computerarbeitsplatz gesalzene Lizenzpreise. Das betrifft Mikrocontroller, PC-Client, Terminalrechner, Abteilungsserver oder Workstation gleichermaßen. Das Kopieren der Software ist per Vertragsregelung ausgeschlossen. Der Anwender ist somit auf Gedeih und Verderb von der Produktpflege und den Updatezyklen der Softwareanbieter abhängig.
Bei Linux entfallen die Gebühren für die Produktlizenzen. Ein Pluspunkt, den viele Anwender schätzen. Ein weiterer großer Vorteil von Linux besteht darin, dass der Quellcode jedermann zugänglich ist. Der Erfinder Linus Torvalds hat von Anfang an den Linux-Code unter die bis dahin unbekannte General Public License (GPL) gestellt. Doch umsonst ist ein Embedded System deshalb noch lange nicht. Die Kosten entstehen bei der nötigen Anpassung des Sourcecodes und der Portierung auf verschiedene Hardware. "Dass man nur Linux einsetzen muss und dann kostet alles nichts mehr, das ist natürlich Humbug", unterstreicht Knut Degen, Marketingvorstand und Mitgründer des Anbieters Sysgo.
Im Embedded-Linux-Bereich gibt es inzwischen Dienstleister - darunter Montavista, Lineo, SSV Embedded Systems, Relinux, Netsilicon, Hitex Automation oder Sysgo - die Kernel-Anpassungen und Echtzeiterweiterung mit Schnittstellen zu Steuerungen der großen Geräte- und Anlagenbauer zur Verfügung stellen. Die schweizerische Stäubli Sargans hat sich von dem Mainzer Anbieter Sysgo einen linuxbasierten Controller in die neue Weberei-Vorbereitungsmaschine implementieren lassen. Für die zeitkritischen Teile wurde die Echtzeiterweiterung RTAI (Real-Time Application Interface for Linux) verwendet.