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Interview

»Es ist fast unmöglich, im Internet rechtssicher zu verkaufen«

Ob Abmahnungen, Aufsehen erregende Urteile oder neue Gesetze – als Experte für IT-Recht hat Max-Lion Keller den Finger am Puls der Zeit. <i>CRN</i> sprach mit dem Rechtsanwalt über aktuelle Entwicklungen, Rechtsgefahren im Internet und die zunehmende Regulierungswut.

Autor:Redaktion connect-professional • 15.4.2009 • ca. 2:20 Min

Inhalt
  1. »Es ist fast unmöglich, im Internet rechtssicher zu verkaufen«
  2. »Es ist fast unmöglich, im Internet rechtssicher zu verkaufen« (Fortsetzung)

CRN: Eine der größten Sorgen der Online-Händler ist das Thema Abmahnungen. Wie hat sich aus Ihrer Erfahrung heraus in den letzten Monaten die Abmahngefahr für Online- Händler entwickelt?

Keller: Die Abmahngefahr ist auf konstant hohem Niveau. Es handelt sich bei den Abmahngründen meist um die »üblichen Verdächtigen«, aber es werden auch immer wieder neue, exotische Rechtsverstöße an uns herangetragen – wie etwa die irreführende Werbung mit »CE-Siegeln« oder Verstöße gegen die Verordnung über Nahrungsergänzungsmittel.

CRN: Bitte nennen Sie doch kurz die »üblichen Verdächtigen«: Welche Wettbewerbsverstöße werden am häufigsten abgemahnt?

Keller: Gerne werden immer noch die Verwendung einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung oder Verstöße gegen die Preisangabenverordnung und das Elektrogesetz abgemahnt. Auch die Verwendung unwirksamer AGB steht im Fokus der Abmahner.

CRN: Beobachten Sie, dass sich Händler angesichts der Abmahngefahr inzwischen mehr Mühe geben, einen rechtssicheren Internetauftritt zu erstellen oder gehen hier nach wie vor viele recht naiv ans Werk?

Keller: Es gibt auch heute erstaunlicherweise immer noch viele Händler, die sehr unbedarft an die rechtliche Gestaltung ihres Shops gehen. Da aber der Druck auf die Händler durch die Vielzahl der Abmahnungen und die bekannt große Abmahngefahr im Online-Handel erhöht wird, sind immer mehr Händler aus Angst vor den Folgen einer Abmahnung an einem rechtssicheren Auftritt interessiert.

CRN: Viele Händler verzichten inzwischen bewusst auf einen eigenen Onlineshop und verkaufen nur über die gängigen Online-Plattformen. Was sind hier die größten Risiken?

Keller: Zu beachten ist etwa, dass bei vielen Online-Plattformen eine Widerrufsfrist von einem Monat einzuräumen ist. Gerade in dem Bereich kommt es nach wie vor zu Fehlern. Weiter muss der Händler bei Erstellung oder Verwendung eigener AGB immer auch die AGB oder Grundsätze der jeweiligen Plattform im Blick haben, um Widersprüchlichkeiten zu vermeiden. Hier treten in der Praxis oft Probleme auf.

CRN: Vor allem Ebay hat seine Händler in den letzten Monaten – zum Beispiel mit Veränderungen beim Bewertungssystem – verstärkt in die Pf licht genommen. Ist es in diesem Zusammenhang bereits zu rechtlichen Auseinandersetzungen gekommen?

Keller: Der Klassiker ist ohne Zweifel die Rufschädigung durch Negativbewertungen bei Ebay, die mitunter auch der Konkurrenz zuzuschreiben sind. Der Trick: Jemand bestellt beim Konkurrenten eine größere Anzahl von Waren, widerruft dann den Kaufvertrag und bewertet in jedem einzelnen Fall negativ. Schnell sind der gute Ruf und die wirtschaftlichen Vorteile des Konkurrenten in Gefahr. Und da Ebay in solchen Fällen – wenn überhaupt – nur sehr zögerlich handelt, bedeutet es für den Betroffenen eine Menge Ärger, verlorene Zeit und Anwaltskosten, bis die Negativbewertungen hoffentlich wieder aus der Welt sind. Wenn dies überhaupt gelingt – denn in den seltensten Fällen startet ein Konkurrent diese Aktion im eigenen Namen.

CRN: Amazon wird oft als Alternative zu Ebay genannt. Ist die Plattform im Hinblick auf etwaige rechtliche Probleme Ebay vorzuziehen?

Keller: Zumindest in rechtlicher Hinsicht ist die Plattform Amazon Ebay in keiner Weise vorzuziehen. Wir sind vielmehr der Ansicht, dass es zurzeit sogar schlicht unmöglich ist, über Amazon wirklich abmahnsicher anzubieten. So verlangt etwa die sogenannte Preisangabenverordnung, dass man als Händler gegenüber Verbrauchern klarzustellen hat, dass sich die Preise einschließlich Mehrwertsteuer verstehen. Dieser Hinweis muss nahe am Preis erfolgen. Eben dies wird aber den Amazon-Händlern in technischer Hinsicht bei Amazon nicht ermöglicht.