EU-Kommission schlägt Einfuhrzoll auf DVI-Displays: Monitorbranche unter Druck

26. August 2004, 0:00 Uhr |

EU-Kommission schlägt Einfuhrzoll auf DVI-Displays: Monitorbranche unter Druck. Displays mit DVI-Eingängen werden ab sofort teurer: Die europäische Kommission belegt die Geräte mit einem europäischen Einfuhrzoll von 14 Prozent. Die Branche muss die Aufschläge an die Kunden weitergeben. Hersteller, die nicht in Europa fertigen, stehen vor massiven Problemen. Einige Anbieter überlegen, gegen die Entscheidung zu klagen.

EU-Kommission schlägt Einfuhrzoll auf DVI-Displays: Monitorbranche unter Druck

Die Entscheidung der EU, Desktop-Monitore mit DVI-Eingang mit 14 Prozent Einfuhrzoll zu belegen, weil sie theoretisch als TV-Gerät genutzt werden könnten, stößt bei der gesamten Branche auf völliges Unverständnis. »Lächerlich« ist einer der häufigsten Kommentare, den Display-Spezialisten abgeben.

Die Entscheidung ist allerdings nicht zum Lachen: Die Monitorpreise werden steigen. »Kein Anbieter kann 14 Prozent Preissteigerung abfangen und nicht an den Markt weitergeben, ohne sich selbst finanziell zu ruinieren«, erklärt Joachim Hildebrandt, General Sales Manager bei Hyundai Imagequest Deutschland. Leidtragende werden in erster Linie die Endkunden sein. Fachhändler arbeiten ohnehin schon mit Minimal-Margen und müssen die Aufschläge an ihre Kunden weitergeben. »Es wird nicht ohne Aufschläge gehen, im großformatigen Bereich wird sich nicht viel tun, aber Monitore in den Formaten 17 und 19 Zoll werden voraussichtlich teurer«, meint Andreas Klavehn, Senior Product Marketing Manager bei Samsung Deutschland. Den Zeitpunkt für die steigenden Preise sieht Matthias Bokel, Produktmanager Monitore bei Philips, im September. »Wie stark die Preise steigen werden, ist schwer abzuschätzen. Einerseits wird es die Aufschläge aufgrund von DVI geben, andererseits bröckeln in Fernost die Panelpreise. Wir müssen abwarten«, so Bokel.

Kleine Firmen leiden besonders

Sollte die Kommission beschließen, die Entscheidung sogar rückwirkend durchzusetzen, würde sich die Lage noch verschlechtern: Für jeden Hersteller könnten Mehrkosten in Höhe von mehreren Milliarden Dollar entstehen. »Vor allem für kleinere Unternehmen, die keine derartig hohen Rückstellungen bilden können, ist das tödlich«, weiß Hildebrandt. Sollte die EU zu dieser Maßnahme greifen, werden einige Hersteller klagen. Die Rechtsanwälte sind bereits informiert.

Diese Kosten würden alle Hersteller treffen. Doch die Entscheidung der Kommission spaltet die Anbieterlandschaft auf: In diejenigen, die bereits in Europa fertigen und andere, die nur über Fertigungsstätten in Asien verfügen. Letztere ? Firmen wie CTX, Benq, Acer und AOC ? sind von dem Beschluss besonders hart betroffen. Das asiatische Topmanagement der Unternehmen muss schnell eine Entscheidung treffen. »Denkbare Lösungsszenarien wären einerseits durch Dritte in Europa zu fertigen oder die Assemblierung in Eigenregie anzugehen«, erläutert Christian Sprujit, Sales Marketing Manager Displays bei Benq. Beides dauert allerdings seine Zeit.

Währenddessen haben Unternehmen wie LG und Samsung, die komplett oder teilweise in Europa assemblieren, einen zeitlichen Vorteil.

Großer Gewinner ist LG. »90 Prozent unserer DVI-Geräte werden in Wales assembliert. Uns trifft die Entscheidung der Kommission nicht«, freut sich Luc Graré, Sales Director ISP bei LG Deutschland.

Auch Samsung fertigt bereits zum überwiegenden Teil in Wales. »Trotzdem geht uns die Entscheidung an. Wie schnell wir die DVI-Produktion komplett nach Europa ziehen können, lässt sich kaum sagen«, meint Klavehn.

Philips verfügt zwar über europäische Fertigungsanlagen, die DVI-Geräte werden allerdings zu hundert Prozent außerhalb Europas gefertigt. »Wir prüfen eine Produktion in Europa«, verspricht Bokel.

Hyundai assembliert bislang nur seine LCD-TVs in Spanien, wird aber schon zum 1. Oktober die gesamte DVI-Produktion in das Werk verlagern. »Trotzdem wird die Fertigung für uns teurer«, erklärt Hildebrand. Das liegt zum einen an höheren Gehältern in Spanien, zum anderen an der doppelten Logistik: Korea ? Spanien, Spanien ? restliches Europa. »Wir werden die 14 Prozent voraussichtlich um neun Prozent verringern können. Bleiben aber immer noch fünf Prozent«, so der Vertriebsleiter.

In Europa nur noch Geräte ohne DVI anzubieten, sehen die wenigsten Anbieter als realistischen Ausweg. »Low-End Geräte könnten auch ohne DVI auskommen, bei den High-End-Produkten ist ein DVI-Eingang aber nicht mehr wegzudenken. Und 75 Prozent aller Geschäftskunden verlangen auf jeden Fall einen DVI-Eingang«, erklärt Sprujit.

CTX ist bereits seit Februar von der Zollerhöhung betroffen, da der Anbieter über Holland einführt. Dort wurde der Beschluss schon vor einigen Monaten umgesetzt. »Wir haben eine Verschiebung zugunsten analoger Geräte festgestellt. Das gilt aber nur für private Anwender und kleine Firmen«, erklärt Jens Pulina, Key Account Manager bei CTX. Auch AOC bietet seine drei DVI-Displays inzwischen auch ohne DVI-Eingang an, die digitalen Geräte stehen als totes Kapital in den Lagerhäusern.

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Kommentar

Die Entscheidung der EU-Kommission ist nicht nachzuvollziehen. Auch mit analogen Monitoren und Adapter hätte, wer unbedingt wollte, fernsehen können. Ein Bildschirm, der nur 17 Zoll Bilddiagonale bietet und keine Lautsprecher besitzt, wird sich kaum im Wohnzimmer wieder finden. Der mögliche Schluss aus der Entscheidung lautet: Die EU braucht scheinbar Geld.

Geopfert wird eine Branche, die ohnehin mit immer stärkeren Problemen zu kämpfen hat. Sollte der Beschluss rückwirkend gültig werden, könnten kleinere Hersteller wegen finanzieller Probleme vom Markt gefegt werden. Eine derartige Wettbewerbsbereinigung kann nicht sinnvoll sein.


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