Geld verdienen im High-End

5. Februar 2007, 8:02 Uhr |
Foto Radialstrahler MBL 101 E: MBL / Foto Acapella Triolon Excalibur: Acapella

Hochwertige HiFi-Anlagen kann natürlich nicht jeder verkaufen, aber es ist auch für Händler mit schlichteren Produkten interessant, wie die Usancen in dieser Branche sind

Gestern streite ich mich mit einem sehr guten Freund. Mein Bruder hat seinen ersten eigenen HiFi-Laden aufgemacht und die Ehre, Boxen von unter anderem Acapella, Absolut-Audio, Dynaudio, Expolinear, MBL, Piega, Phonar verkaufen zu dürfen. Alles Spitzenfirmen, da ist für jeden, der ab etwa 1000 Euro für ein Lautsprecherpaar ausgeben kann, etwas dabei. Auch für mich, aber ich habe immer noch Spaß an meinen Audax Bex 40H aus den 1980ern (zugegeben, kein Vergleich mit Highend-Systemen, aber die H, meine eigene Variation, mit Polycarbonatmembran-Hochtönern, zusätzlicher Versteifung und Aussendämpfung war das Beste, was ich mir damals bauen, leisten und einhören konnte). Der Freund aus München sagt: verkaufen, was und an wen auch immer. Ich sage: BERATEN, dann als FACHhändler das PASSENDE verkaufen. Wegen solchen Lächerlichkeiten kann es unter Freunden Zoff geben…

Über was ärgere ich mich jetzt eigentlich? Wohl nur darüber, dass Handel oft mit mit Kistenschieben gleichgesetzt wird. Entgegen „Geiz ist geil“, ist ein Fachhändler in meinen Augen aber eben nicht nur Händler, sondern auch Trustee. Ein solcher Ruf muss über Jahre erarbeitet werden und er hat natürlich seinen Preis.

Ich frage bei meinem Bruder zurück. Er sagt genau das, was ich erwartet habe: er verkauft nicht an jeden alles, obwohl es Geld bringen würde. Auch, weil ein paar Geschäfte gegen besseres Wissen den Ruf unwiederruflich ruinieren können. Wenn ein Kunde entgegen seinem Rat trotzdem auf einem Kauf besteht, das kommt vor, muss er es unterschreiben. Sein Beispiel ist die MBL-Anlage in der Einstiegsklasse, die er aufgebaut hat. Verstärker, CD-Laufwerk und Boxen kommen zusammen auf schlanke 30.000 Euro, kein Handeln möglich. Wenn eine Komponente nicht zur Anforderung passt, wird eine Alternative empfohlen. Ein anderes Schnuckelchen mit ähnlichem Anspruch, aber für andere Bedürfnisse, sind bei ihm Acapella-Boxen, das - im positiven Sinne - wahnwitzigste Ingenieur-Design, das es meiner Meinung nach in der Hifi-Welt gibt.

Ich halte mich an MBL, die mit rundum schallenden Radialstrahlern eine der interessantesten und ungewöhnlichsten Boxenkonstruktionen am Markt haben. Der Rückruf kommt von Wadim Gratschow, Leiter Marketing und Vertrieb bei MBL. Ein köstliches, langes und intensives Gespräch! Die zwei Dinge, die ich als besonders wichtig mitnehme sind, dass nicht jeder eine Konzession bekommt, MBL zu verkaufen, sondern „seine Kompetenz im persönlichen Gespräch kaufmännisch, fachlich und moralisch beweisen muss.“ Und, dass die Tendenz von Kunden zu handeln mit steigendem Preis der Geräte abnimmt. Aktuell wird ein neues System konzipiert, das komplett etwa eine Drittelmillion Euro kostet. Vier feste Bestellungen liegen bereits vor.

Solche Aussagen müssen zu Denken geben. Es gibt durchaus Treue im Channel, wenn er entsprechend geführt wird. Händler, die damit brechen, werden nicht lange abgemahnt, sondern sind von jetzt auf sofort keine konzessionierten Händler mehr. Die Belohnung für Händler, die sích an die Vereinbarungen halten: ein lokal/fachlich fest abgegrenzter Bereich und Margen, von denen man als Preiskämpfer nur träumen kann. Das erinnert mich etwas an die 1920er Jahre, als die deutschen Fotohändler beschlossen, dass jemand, der Preisempfehlungen unterbietet, nicht mehr beliefert wird. Es war damals sehr schnell Ruhe im Handel.

PS: Die Bilder zum Artikel zeigten eine Anlage mit Radialstrahlern MBL 101 E und die Acapella Triolon Excalibur, zwei der schönsten und besten Boxen, die je gebaut wurden. Meine selbst gebauten Audax haben bei meinen Gesprächspartnern keine Lachsalven verursacht. Audax war ernst zu nehmen und mehrere ehemalige Mitarbeiter arbeiten heute bei Piega. Das Design der Bex 40 ist heute immer noch einer der Standards im Boxenbau.


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