Gründlich verrechnet

8. April 2004, 0:00 Uhr |

Gründlich verrechnet. Von der IT-Leistungsverrechnung versprechen sich Unternehmen vor allem Transparenz und die Möglichkeit, Kosten verursachergerecht abzurechnen und damit zu steuern. Doch häufig stellen sich Unternehmen auf diesem Weg selbst ein Bein und werfen Geld zum Fenster hinaus.

Gründlich verrechnet

Kosten sind in jedem Unternehmen ein Thema. Nach zum Teil ausschweifenden IT-Investitionen bis zum Ende der 90er Jahre, sind in jüngster Zeit auch die IT-Kosten mehrmals auf den Prüfstand gestellt worden. So hat etwa ein Drittel der Unternehmen, die IT-Leistungsverrechnung (ITLV) praktizieren, diese in den vergangenen drei Jahren eingeführt. Von den befragten Firmen gab rund ein Drittel an, keine Leistungsverrechnung zu praktizieren oder zu planen.

Nun ist die Implementierung einer funktionierenden ITLV nicht trivial, sondern ein komplexes Unterfangen. Zudem weisen viele Unternehmen und IT-Abteilungen organisatorische Schwächen auf, die die Einführung einer Leistungsverrechnung erschweren. Häufig scheitern Firmen aber auch einfach daran, dass sie die Möglichkeiten, die sie durch ITLV erhalten, nicht oder falsch einsetzen.

Kein Erfolg ohne Ziele

Nur ein gutes Drittel der Unternehmen hat strategische Zielsetzungen für die IT schriftlich niedergelegt, etwa genauso viele haben dies wenigstens teilweise getan. Aber ein Fünftel der Firmen hat keinerlei Zielsetzungen für die IT. Selbst dort, wo klare Vorstellungen über die Ausrichtung der IT existieren, enthält die IT-Strategie nur in 36 Prozent der Fälle Angaben zum Finanzmodell, ohne das ITLV aber faktisch nicht möglich ist. "IT-Bereiche, die kein definiertes Finanzmodell haben, tun sich mit der Festlegung von Preisen für ihre IT-Services sehr schwer", kann Oliver Brenner, Consultant bei IBM Global Services IT-Management Consulting, aus der Erfahrung berichten.

In dieses Bild passt auch, dass 60 Prozent der IT-Abteilungen noch als Cost-Center organisiert sind.

Neben dem "Reifegrad" der IT-Organisation ist interessant, welche Rolle der IT im Unternehmen zukommt. Abgeschlagen auf dem letzten Platz ist hierbei die Erwartung, dass die IT für das Unternehmen neue Geschäftsfelder entwickelt und implementiert. Hier deutet sich an, dass das Ansehen der EDV in Bezug auf den von ihr zu leistenden Geschäftswertbeitrag noch immer recht gering ist. Ein Aspekt, der zumindest als "weicher Faktor" vor dem Hintergrund der ITLV-Implementierung von Bedeutung ist, schließlich geht es hier genau darum, zu messen und zu verkaufen, was die IT für das Unternehmen - meist in Gestalt der Fachabteilungen - leistet.

Ein notwendiger und grundlegender Schritt auf dem Weg zu einer ITLV ist auch die Definition dessen, was man seinen Kunden in den Fachabteilungen anbieten und anschließend dann abrechnen will und kann. Servicekataloge haben sich aber noch nicht ausreichend durchsetzen können - über die Hälfte der Unternehmen besitzt keinen, nur 14 Prozent verfügen über einen Katalog, in dem alle Services aufgeführt sind. Elf Prozent haben ihre Services wenigstens teilweise erfasst.

Auch wenn es das erklärte Ziel ist, diese Kataloge als verbindlich anzusehen, wird es sich in der Praxis nicht verhindern lassen, dass auch solche Leistungen eingefordert werden, die dort nicht enthalten sind. So erbringen 85 Prozent der Unternehmen IT-Services, die über den Leistungskatalog hinaus reichen. Das wäre an sich nicht tragisch, wenn diese dann auch explizit über eine eigene Rechnung abgerechnet würden. Aber in 43 Prozent der Unternehmen werden diese Leistungen mit einem anderen Service oder pauschal mit allen Services verrechnet. Die Folge ist eine steigende Intransparenz sowohl in Bezug auf die Leistungsfähigkeit der IT-Abteilung als auch in Bezug auf die Kostenverursacher. Das ist besonders fatal, weil gerade der Wunsch nach mehr Transparenz und Steuerbarkeit sowie die verursachergerechte Kostenbelastung mit weitem Abstand die Hauptmotive für die Implementierung einer ITLV sind.

Von diesem Ziel sind die meisten Unternehmen auch aus anderen Gründen noch weit entfernt: Nicht einmal ein Drittel der Firmen verrechnet die IT-Leistungen ausschließlich über definierte Services. In über 37 Prozent der Unternehmen schlagen sich die IT-Kosten zum Teil in Gemeinkosten nieder und mehr als jedes zehnte verrechnet einen Teil der IT-Kosten überhaupt nicht.

Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Hälfte der Befragten angab, die Treiber der IT-Kosten nicht oder nur teilweise zu kennen. Doch auch bei Unternehmen, die in Bezug auf die Kostenverrechnung relativ weit sind, besteht noch Nachholbedarf: 40 Prozent der Firmen, die ITLV durchführen und die gleichzeitig angaben, die Kostentreiber zumindest teilweise zu kennen, haben den Zusammenhang zwischen eben jenen Treibern und den Abrechnungseinheiten der Services bisher nicht untersucht. Nur bei knapp einem Viertel dieser Unternehmen sind die technischen Kostentreiber der IT auf die an den Geschäftsprozessen orientierten Abrechnungseinheiten abgebildet, sodass für die Fachabteilungen tatsächlich der Zusammenhang zu den verursachten

IT-Kosten "in ihrer Sprache" nachvollziehbar ist. Bei weiteren zwölf Prozent sind die Abrechnungseinheiten identisch mit den Kostentreibern der IT. Somit ist zumindest der Zusammenhang zwischen den abgerechneten Mengen und der tatsächlichen Kostenentwicklung in der IT dargestellt, wenn auch den IT-Kunden oft nicht verständlich ist, wie viele MIPSe, MSU´s, TB oder ähnliche technische Größen sie "verbrauchen". "Das führt dann in der Praxis dazu, dass zum Beispiel der IT-Service SAP auf Basis von durchgeführten Transaktionen abgerechnet wird, während der größte Kostentreiber aber die Lizenzen sind. Weniger durchgeführte Transaktionen bedeuten weniger Einnahmen für die IT bei gleichen Kosten", erklärt Brenner.

Strukturelle Schwächen

Rund 15 Prozent sind mit der IT-Leistungsverrechnung unzufrieden, für knapp ein Drittel der Fälle erfüllt sie gerade einmal die Basisanforderungen. Nur etwas mehr als sechs Prozent sehen kein weiteres Optimierungspotenzial. Ein möglicher Grund für diese weitgehende Unzufriedenheit sind nicht erreichte Ziele, vor allem in Bezug auf die Hauptmotive Transparenz und Kostensteuerung. Das liegt weniger an dem Potenzial der ITLV selbst, sondern vor allem daran, dass Unternehmen auf halber Strecke halt machen. So gibt es gerade einmal in jedem vierten Unternehmen eine Leistungsbeschreibung beziehungsweise Verträge über die Services. Fast 70 Prozent der Firmen haben keine oder nur teilweise Beschreibungen und Verträge. Selbst in Unternehmen, die ITLV einsetzen, herrscht oft eine unverständlich unstrukturierte Organisation. So hat mehr als die Hälfte der Unternehmen keine - oder nur für einige Leistungen - Prozesse definiert, die die Abrechnung der gelieferten Services eindeutig regeln. Zudem stuft mehr als ein Viertel den Automatisierungsgrad bei der Leistungsverrechnung als niedrig ein, fast die Hälfte bezeichnet ihn als mittelmäßig.

Vor diesem Hintergrund wundert die Kritik, die an der Leistungsverrechnung geübt wird, nicht mehr. Eine Maßnahme, die die erhofften Ziele nicht oder nur zum Teil erfüllt und darüber hinaus in Zeiten knapper gewordener Ressourcen auch noch viel zusätzliche "Handarbeit" erfordert, genießt wohl kaum hohes Ansehen.

Fazit

Viele Chancen, die sich durch ITLV eröffnen, bleiben ungenutzt, weil Unternehmen Fehler bei der Ein- und Durchführung begehen. Das beginnt schon in der Evaluierungsphase. Nur 20 Prozent der Firmen haben im Zuge der Einführung der Leistungsverrechnung eine ROI-Betrachtung (Return on Investment) gemacht. Das ist nicht unbedingt ein KO-Kriterium, spricht aber nicht für Professionalität und Sorgfalt. Transparenz und verursachergerechte Abrechnung der Leistungen - die Hauptmotive für ITLV- werden durch Schludrigkeiten in der Rechnungsstellung verhindert. Ein reibungsloser Prozess der Leistungsverrechnung scheitert an fehlender Prozessdefinition und zu geringer Automatisierung. Wie leichtfertig einige Unternehmen selbst einfach zu erzielende Vorteile von ITLV verschenken, zeigt die Tatsache, dass ein Drittel der Befragten den Fachabteilungen die Reports über die Abrechnungsdaten vorenthält und somit ein wichtiges Element zur Selbstdisziplinierung der Anwender und damit ein Kostensteuerungsinstrument ungenutzt im Schrank liegen lässt. Die fatale Folge: Fast die Hälfte der Fachabteilungen gibt an, die Kosten ihrer IT gar nicht oder nur sehr begrenzt beeinflussen zu können. Damit haben sich viele Unternehmen bei der Leistungsverrechnung gründlich verrechnet.

StudiendesignDie von der Informationweek gemeinsam mit IBM durchgeführte und ausgewertete Studie zum Thema IT-Leistungsverrechnung wurde in der Zeit vom 4. Februar bis 28. Februar als Online-Studie durchgeführt. Insgesamt haben sich 419 Personen aus Unternehmen unterschiedlichster Branchen und Unternehmensgrößen an der Umfrage beteiligt. Dabei handelt es sich fast ausschließlich um leitende Angestellte aus der IT bzw. um Personen aus der Geschäftsführung. Die Erhebung der Daten erfolgte durch ein unabhängiges Marktforschungsinstitut.

*Jana Paul-Zirvas ist Senior Consultant bei IBM Global Services IT-Management Consulting


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