Hersteller und Reseller ? gegen- statt miteinander

11. März 2004, 0:00 Uhr |

Hersteller und Reseller ? gegen- statt miteinander. Storage-Hersteller verhalten sich »typisch männlich«: Sie hören nicht zu, trauen sich nicht nach dem Weg zu fragen, neigen zu Arroganz und Diktatur. So lassen sich die Vorwürfe von Systemhausvertretern anlässlich einer Podiumsdiskussion von speicherguide.de beim CRN Storage Solution Day zusammenfassen.

Hersteller und Reseller ? gegen- statt miteinander

Autor: Speicherguide
Es knirscht im Getriebe, die Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Fachhandel im Storage Channel läuft keineswegs wie geschmiert. Die Podiumsdiskussion von »speicherguide.de« anlässlich des CRN Storage Solution Day Anfang Februar 2004 in München brachte es an den Tag: »Das Problem der Hersteller beginnt bereits damit, zu erkennen, wer der Mittelstand ist«, beklagt Klaus Lenz, Geschäftsführer des Wiesbadener Systemhauses Topmedia. Es herrsche die Meinung, dass das Großkunden-Business einfach auf den Mittelstand übertragen werden könne. Dem ist jedoch nicht so. »Ein typischer Mittelständler kauft über Vertrauen und Beratung ? das Label ist nur sekundär«, stellt Lenz klar. »Hersteller, die allein mit der Arroganz ihres Markennamens in den Markt gehen, sind auf dem Holzweg.«

Fachhandel als wichtiger Multiplikator

»Die meisten Hersteller schauen von ihren Großkundengeschäften aus nach unten, treffen aber mit vorgegebenen Produkten nicht die Bedürfnisse des Mittelstandes«, meint auch Rolf Schiffer, Mitglied der Geschäftsleitung beim Kölner Systemhaus Kramer & Crew (ehemals Schelle). »Dieser sucht Lösungen und keine einzelnen Produkte.« Die Umstellung auf Herstellerseite vollziehe sich nur langsam. Auch vermisst Schiffer als Systemhaus oftmals eine ausreichende Rückendeckung durch den Hersteller. Dazu zählen unter anderem die Unterstützung und Finanzierungshilfen speziell bei größeren Projekten.

Storage-Hersteller haben prinzipiell drei Möglichkeiten, ihre Produkte zu verkaufen: direkt an den Endanwender, indirekt über den Fachhandel oder via so genannter OEM-Partner. Letztgenannte verwenden beispielsweise Produkte wie Festplatten oder Bandlaufwerke, bauen damit RAID-Systeme oder Tape Libraries. OEM-Geschäft ist nur möglich, wenn das Unternehmen die Rechte an einer eigenen Technologie besitzt. Das Direktgeschäft wird vor allem mit Großkunden und Konzernen, Banken und Versicherungen praktiziert. Dies ist jedoch sehr personal- und zeitaufwändig und in der breiten Masse mittelständischer Kunden nicht durchführbar. Hier benötigen die Hersteller den Handel, um möglichst flächendeckend ihre Produkte an den Mann zu bringen.

Unisono erklären die Storage-Anbieter daher, wie wichtig der Handel sei. Hitachi Data Systems (HDS) agiert seit rund zwei Jahren wieder aktiv im deutschen Markt. Das Direktgeschäft belegt derzeit noch einen Anteil von 80 Prozent. »Die Adressierung des Mittelstands über den Fachhandel hat einen hohen Stellenwert«, erklärt Matthias Rabeneck, Marketing Direktor bei HDS. »Wir setzen auf Kontinuität und Langfristigkeit, auch nehmen wir das Feedback unserer Partner sehr ernst, um uns zu verbessern.« Wichtig sei zu erkennen, dass Geschäfte immer zwischen Menschen abgewickelt werden. Je besser die Kommunikation, desto gewinnbringender sei die Partnerschaft. »HDS hat einen klaren Fokus auf Storage ? wir machen nichts anderes«, konstatiert Rabeneck. »Unser Ziel ist aber nicht, nur ein reiner Hardware-Lieferant zu sein, sondern System- bzw. Lösungsanbieter, und unsere Partner entsprechend zu unterstützen.«

Michael Gießelbach, Director Marketing & Business Development bei Storageteks, formuliert es ähnlich. »Aus der Historie heraus bezieht STK derzeit noch rund 40 Prozent seiner Einnahmen aus dem Direktgeschäft. »Wir werden diesen Anteil 2004 noch einmal reduzieren«, erläutert Gießelbach. »Der Fachhandel ist für uns sehr wichtig. Unser Ziel ist es, für beide Seiten eine Win-Win-Situation zu schaffen.«

»In der Praxis passiert zu wenig«, moniert Schiffer von Kramer & Crew. »Es herrscht häufig große Diskrepanz zwischen den erkannten Problemen und deren Lösung.« In der Regel müssten immer die Systemhäuser in Vorleistung gehen. Topmedia-Chef Lenz meint sogar, oft würden die Probleme gar nicht erkannt. »Ich frage meine Kunden, was brauchst Du, was hilft Dir, was kann ich tun ? Hersteller fragen nicht, sondern geben stattdessen vor.« Den Herstellern fehlt der direkte Kontakt zu kleinen und mittleren Endanwendern und damit die nötige Einschätzung, was von Kunden gefordert wird.

Allerdings sind auch zu wenig Fachhändler im Storage-Bereich aktiv. Es gibt einen enormen Optimierungsbedarf bei bestehenden Systemen, der aber nicht ansatzweise abgedeckt werden kann. Das Geschäftspotenzial wird von vielen nicht erkannt. Sonys Ralf Dehen bestätigt großen Nachholbedarf, allerdings schätzt er die Zahl der Storage-Reseller als groß genug ein. »Oft fehlt das nötige Detail-Wissen«, meint der Sales Manager DACH. »Vor allem Lösungen im Bereich Backup und Restore bieten Händlern die Möglichkeit, sich zu differenzieren.«

Mit Schulungsangeboten sowie Workshops und Veranstaltungen wollen die Hersteller gegensteuern. Doch akuter Zeitmangel wegen unzureichender Personalstärke lässt viele Händler vor der Teilnahme zurückschrecken, obwohl sie die Weiterbildung der Mitarbeiter als wichtig einstufen. »Das Fortbildungsprogramm ist in Ordnung, nicht dagegen die mangelnde Selektion der Vertriebspartner seitens der Hersteller«, schimpft Topmedia-Manager Lenz. »Zum Teil werden über Nacht Wurstbuden-Besitzer und Grafikkartenanbieter zum angeblichen Storage-Experten gemacht.« Diese würden nur die Preise ruinieren. Hier muss aussortiert werden, fordert Lenz. Dann macht fokussierten Resellern das Geschäft mehr Spaß.

Mit Großkunden generieren die Hersteller eine ständige Geschäftsbeziehung. Ein installiertes System ziehe schließlich laufend Folgeaufträge nach sich. »Mit einem mittelständischen Unternehmen können wir nur alle drei bis fünf Jahre ein Storage-Geschäft verwirklichen«, warnt Lenz. Eine Backup-Lösung oder ein RAID-System wird gekauft und muss funktionieren. Bei Fehlinvestitionen aufgrund schlechter Beratung besteht nicht die Möglichkeit nachzubessern ? dafür ist kein Geld vorhanden. Am Ende seien alle unzufrieden, Hersteller, Händler und vor allem der Anwender.

Key Accounts und KMUs sind zwei verschiedene Welten

Es fehlt an der Einsicht, dass nicht alles aus dem Ausland bzw. dem Großkundengeschäft übertragbar ist. »Es wird zu amerikanisch gedacht«, ärgert sich Schiffer von Kramer & Crew. »Wir bewegen uns in Deutschland in einem anspruchsvollen Markt, der sich mit Pauschalkonzepten nicht befriedigend abdecken lässt.«

»Kleine Fachhändler und Berater sind nahe am Kunden und kennen dessen Bedürfnisse«, stellt Markus Rogen, Inhaber von Rogen Computer, klar. »Die Hersteller nehmen uns aber nicht ernst, obwohl wir wertvolle Tipps geben könnten.« Dem Anwender ist in der Regel mit einer Lösung aus mehreren unterschiedlichen Produkten am besten gedient. Für den Reseller bedeutet dies ein hohes Maß an Aufbauarbeit. »Die Hersteller honorieren dies aber nicht, sondern bestrafen uns als Kleinabnehmer mit schlechten Konditionen«, ärgert sich Rogen.

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Kommentar

Die Diskussion zeigt, dass Storage-Hersteller und -Verkäufer oft nicht an einem Strang ziehen. Zur Ehrenrettung der Produzenten: Fachhandelsprogramme sind eine schwierige Sache, man wird es nie allen recht machen können. Die Verantwortlichen müssen sich aber den Schuh anziehen, zu wenig auf etablierte Storage-Reseller zu hören. Wie HDS richtig bemerkt: Kommunikation ist ein großer Erfolgsfaktor. Speziell den großen Markenanbietern fehlt aber das Verständnis für die Bedürfnisse des »kleinen Mannes«, sei es nun der Mittelständler oder der ihn betreuende Fachhändler. Vielleicht sollte die Position des Channel Managers ausschließlich mit Personen besetzt werden, die selbst im Handel tätig waren und Erfahrung in der Betreuung von KMUs besitzen.

Aus Anwendersicht wäre es sicher auch von Vorteil, wenn es mehr dedizierte Storage-Reseller gäbe. Doch der Neueinstieg ist schwer, wenn nicht gar unmöglich. Letztendlich bleibt den meisten Händlern nichts anderes übrig, als ähnlich in die Thematik hineinzuwachsen, wie seinerzeit in die Netzwerktechnik. Was dem Handel fehlt, ist ein übergreifendes Kontakt-Netzwerk. Während Hersteller Kooperationen und OEM-Partnerschaften pflegen, üben sich Systemhäuser als Einzelkämpfer. Jeder fürchtet nur um seine Pfründe.

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INFO

Kramer & Crew GmbH
www.kramerundcrew.de

Hitachi Data Systems GmbH
www.hds.com

Sony Deutschland GmbH
www.sonyisstorage.com
Storage Technology GmbH
www.storagetek.de

Topmedia Storage Solutions GmbH
www.topmedia.de


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