HP will vorn bleiben

10. Juni 2004, 0:00 Uhr |

HP will vorn bleiben. Die diesjährige HP Ensa@work lockte rund 5000 Anwender und Reseller nach München. HP bemühte sich nach Kräften, der Führungsrolle auf dem europäischen IT-Markt gerecht zu werden. Neben einem umfassenden Vortragsprogramm gab es jede Menge Neuigkeiten.

HP will vorn bleiben

Mit dem neuen Itanium-2-Doppelprozessor-Modul mx2, das in die Integrity-Server passt, öffnet HP neue Leistungshorizonte

Foto: HP

Die HP Ensa@work begann mit Humor: Ingo Juraske, frisch gekürter Vertriebsleiter der ESG (Enterprise Systems Group) EMEA und Gastgeber, ließ auf der Bühne das Business-Outfit fallen und enthüllte eine echt bajuwarische Lederhose nebst Trachtenhemd - Lokalkolorit pur.

Doch dann ging es zur Sache. Für hiesige Kunden die wichtigste Nachricht: Der deutsche Vertrieb wird umstrukturiert. Das betrifft alle Produktbereiche außer der IPG (Imaging and Printing Group). Letztere agiert wie bisher relativ autonom, da sie Consumer anspricht. Alle anderen Produktgruppen treten ihr Vertriebspersonal an die neu gegründete CSG (Customer Service Group) unter der Leitung von Rainer Kaczmarczyk ab. Sie bildet nun die Schnittstelle zu den Endkunden und den Vertriebspartnern, sofern es um Endkundenthemen geht. Der eigentliche Channelvertrieb ist wiederum in einer separaten Einheit verortet. Der bisher vorhandene Regional Sales geht in die CSG ein. Sie ist in fünf Bereiche gegliedert: IT-Dienstleistungen, IT-Infrastruktur, E-Business-Lösungen, E-Government-Lösungen sowie Lösungen für kleine und mittlere Unternehmen.

Kaczmarczyk will das Geschäft mit dem gehobenen Mittelstand forcieren, lehnt aber eine strikte Definition dieser Zielgruppe anhand von Mitarbeiterzahlen oder Umsatz ab. "Es kommt darauf an, welche Infrastruktur ein Kunde nutzt und wie komplex seine IT ist", sagt er. Besonders vielversprechend für HP seien Mittelständler, die SAP-Software einsetzen.

Capitalize on Change?

Die Bemühungen belegen, dass HP gerade in Deutschland neue Kunden sucht. Schließlich sieht sich der Hersteller in EMEA einer heftigen Aufholjagd durch IBM ausgesetzt. Ein Chart, das Europa-Chef Kasper Ronstedt vorführte, zeigte: HP liegt umsatzbezogen in EMEA wie im Jahr 2002 vorn, doch der Vorsprung ist deutlich geschrumpft. Was blieb dem Manager, als zu beteuern, man werde alles dafür tun, die Spitzenstellung auch weiter zu halten. Da kann man dem Hersteller nur wünschen, dass er das Motto der diesjährigen Tagung, "Capitalize on Change" (Gewinnen durch Veränderung), auch tatsächlich erfüllen kann.

Auf der diesjährigen HP Ensa@work jedenfalls erwartete die Besucher eine ganze Reihe von Neuigkeiten und Neuerungen, die zeigen, dass HP die Trends der Zeit erkannt hat. So kam während der Eröffnungsveranstaltung auch ein Sprecher der internationalen Anwendervereinigung HP-Interex, die weltweit 70000 kommerzielle Nutzer von HP-Produkten vertritt, zu Wort. Warum die Anwendervereinigung vorher noch nie in die Großveranstaltung einbezogen wurde, bleibt rätselhaft. Ein Sprecher des Verbandes meinte dazu gegenüber Information Week, man habe bisher geglaubt, mit separaten Veranstaltungen mehr bewegen zu können.

Auch eine soeben aus der Taufe gehobene Itanium-Nutzergruppe stellte sich der Öffentlichkeit vor. Die geistige Urheberschaft beanspruchen HP und Intel. Tatsächlich muss besonders Intel Interesse daran haben, das Momentum für den Itanium-Prozessor zu steigern. Denn bisher steht AMDs Opteron wegen der Rückwärts-Kompatibilität der 64-Bit-Variante zu anderen Intel-Architekturen deutlich besser da.

Aktuell gehören der Anwendergruppe erst zehn Mitglieder an. Eine Rechtsform gibt es noch nicht. OEMs, unabhängige Softwarelieferanten und andere am Itanium interessierte Parteien dürfen beitreten. Als Leiter fungieren Professor Dr. Wilfried Juling, Leiter des Rechenzentrums der Universität Karlsruhe, und Gerhard Eberbach, Leiter Informatik und Telekommunikation beim Lüfterhersteller ebm-Papst, St. Georgen. Geplant sind bislang zwei teil-öffentliche Veranstaltungen pro Jahr, die sich mit Problemen und Fragen rund um den Itanium befassen sollen.

128-Wege-System mit Itanium

Dass HP weiterhin große Stücke auf die Plattform hält, bewies die Präsentation des neuen Spitzenleistungs-Moduls mx2. Es kombiniert zwei Itanium-2-Prozessoren zu einer 128-Wege-Einheit, die sich in die bisherigen Integrity-Systeme einbauen lässt. "Wir bieten damit unseren Kunden eine zwanzig bis 45 Prozent höhere Leistung als die Konkurrenz zu einem Preis, der rund 30 Prozent geringer ist", sagte Nora Denzel, Senior Vice President Adaptive Enterprise.

Denzel verkündete auch noch eine zweite Neuigkeit: HP stellte mit RISS (Reference Information Storage System) eine auf einem Storage-Grid basierende ILM-Lösung mit Software und Services vor. Sie beruht auf Persists Grid-Technologie. HP hatte Persist im letzten Jahr übernommen. RISS speichert Daten auf kostengünstigen autonomen Einheiten, sogenannten Storage Cells. Sie umfassen Prozessor, Storage, Suchmaschine, Datenbank, Indexierungsmechanismus und Verwaltungssoftware. Die Daten werden mit Zeitstempeln versehen und digital signiert, um den gesetzlichen Ansprüchen zu genügen. Sind mehrere Cells vorhanden, agieren alle gemeinsam als logische Einheit. Fällt eine der Cells aus, sind nur die direkt auf dieser Cell vorhandenen Daten nicht verfügbar. Das Gesamtsystem funktioniert weiter. Dazu bietet HP Analyse- und Konzeptionsdienste an.

"Für uns kommt es weniger auf den Umsatz, als darauf an, welche Infrastruktur ein Kunde benutzt"

Rainer Kaczmarczyk, Leiter Customer Service Group (CSG) bei HP Deutschland

Foto: HP

Neue ILM-Partner für HP

Gleichzeitig gewinnt HP weitere ILM-Partner: Adic für Rich-Media-Applikationen, Caminosoft, Grau Data Storage und Pegasus Disk Technologies für den HSM-Markt, Orchestra für E-Mail-Policy-Management und Princeton Softech für ERP und Datenbank-Archivierung. Man darf gespannt sein, wie andere ILM-Player, allen voraus EMC mit seinem Centerra-System, auf diesen Schachzug reagieren.

Dazu kommen weitere Service-Neuerungen, die HP seinen Kunden in EMEA anbietet. So nutzt der Datendistributor Amadeus, einer der wichtigsten Partner der Touristik-Industrie, betriebskritische Systeme, Speicher und Server von HP für den Betrieb seiner Airline-Management-Services. Innovativ ist hier das Vergütungsmodell: HP verdient nutzungsbezogen über eine Art Gewinnbeteiligung.

HPs TPM (Total Print Management)-Service können ab sofort alle Kunden in EMEA nutzen. Bei der Ford Motor Company reduzierte HP mit TPM die Druckkosten insgesamt um gut ein Drittel. Das ist zum Teil auf weniger Geräte, zum Teil auch auf Einsparungen bei den Verbrauchsmaterialien zurückzuführen.

Einen ganz besonderen Deal schmiedete HP mit British Telecom. Er könnte sich als zukunftsweisend für die Branche entpuppen: BT betreibt für HP das gesamte Sprach- und Datennetz, HP im Gegenzug für BT die Midrange- und Desktop-Infrastruktur. Die Vereinbarung hat einen Wert von 1,5 Milliarden Dollar über sieben Jahre. Zudem werden die beiden Giganten in den nächsten Jahren ihr komplettes Serviceportfolio gemeinsam strategisch vermarkten. "Wir wollen damit ein Signal setzen", sagte Andy Green, CEO von BT Global Services auf der HP Ensa@work. Ein Gemeinschaftsunternehmen ist allerdings nicht geplant. Green: "Wenn ich etwas gelernt habe in meinem Leben, dann: Kein Joint Venture, keine Exklusivität!" Man darf gespannt sein, ob andere Telekoms mit ähnlich umfassenden Vereinbarungen nachziehen.

"Für uns kommt es weniger auf den Umsatz, als darauf an, welche Infrastruktur ein Kunde benutzt"

Rainer Kaczmarczyk, Leiter Customer Service Group (CSG) bei HP Deutschland

Ein Blick in die Zukunft

Wie sich HP die technologische Zukunft vorstellt, zeigte CTO Shane Robison anhand diverser Beispiele. Gemeinsamer Nenner: Alles wird digitalisiert und virtualisiert. So realisierte der Hersteller für die Zeichentrickschmiede Dreamworks ("Shrek") Kollaborationsräume, bei denen sich Mitarbeiter an unterschiedlichen Orten virtuell in Lebensgröße gegenüberstehen. Die Produktion des neuesten Dreamworks-Werks, Shrek II, wurde durch die Nutzung von HPS UDC (Utility Data Center) erheblich beschleunigt. Das UDC fing Leistungsspitzen ab, die Dreamworks sonst zum Aufbau eines dritten Rechenzentrums genötigt hätten.

Mit Starbucks baute der Hersteller in den USA einen Coffeeshop auf, in dem die Kunden, während sie an der Latte Macchiato schlürfen, am Bildschirm aus einem Musikfundus mit vielen tausend Titeln ganz legal ihre eigene Wunsch-CD zusammenstellen, brennen und sofort mit nach Hause nehmen können. Starbuck-Shops nach diesem Modell sollen in der ganzen Welt entstehen.

Prinzipiell sieht Robison die Zukunft in Systemen, die auf günstigen, standardisierten Basisbausteinen wie Prozessoren, Betriebssystemen, Middleware oder Funkchips und lokalisierten oder individualisierten Zusatzkomponenten bestehen. "Wir entwickeln global, passen unsere Produkte dann aber den lokalen kulturellen Gegebenheiten an", betont er. In Europa habe sich zum Beispiel die zusammen mit Nokia realisierte Idee, Bluetooth-Handys direkt mit Bluetooth-Druckern kommunizieren zu lassen, als sehr erfolgreich entpuppt.

Als weiteren wichtigen Trend nennt Robison die Integration von Virenschutz in die Betriebssysteme. HP selbst hat eine neue Technologie, "Virus-Throtteling" (zu deutsch etwa: den Virus abwürgen) entwickelt. Dabei überprüft eine Software ständig die Verkehrsmuster. Viren erzeugen abnorm viele Netzverbindungen, weil sie versuchen, sich weiter zu verbreiten. Detektiert das System ein Element, das ständig Verbindungen aufbaut, wird diese Komponente isoliert und damit die Verbreitung des Virus erheblich verlangsamt, so dass Anwendern Zeit für Gegenmaßnahmen bleibt. Mittelfristig soll das Throtteling, das HP intern bereits einsetzt, in HP Openview integriert werden. Termine dafür wollte Robison aber nicht nennen.


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Matchmaker+