Keine Pflicht
Zunächst ist festzustellen, dass weder die Abgabenordnung noch die hierzu ergangene Verwaltungsanweisung - die GDPdU - eine Pflicht zur Einrichtung von Archivsystemen vorsehen. Dennoch erlangen diese eine wichtige Bedeutung, sobald in den operativen Haupt-, Neben- und vorgelagerten Systemen die steuerrelevanten Daten des Prüfungszeitraumes nicht mehr auswertbar vorliegen und auf Informationen zurückgegriffen werden muss. Angesichts der Aufbewahrungsfristen von 6 bis 10 Jahren wird die Auslagerung von Daten aus den Produktivsystemen aus Kosten- oder Performanceüberlegungen besonders bei mittleren und größeren Anwendungen den Regelfall darstellen.
Es ist hierbei auch zu unterscheiden, ob die Informationen nur im Rahmen einer Datensicherung ausgelagert, von der Anwendungssoftware selbst für die externe Speicherung vorbereitet und verwaltet oder in ein externes, unabhängiges Ablagesystem übergeben werden.
Die Datensicherung, ist eine Selbstverständlichkeit. Sie hat aber nicht direkt mit der recherchierbaren Speicherung von Dokumenten in einem Archivsystem zu tun - auch wenn die Hersteller in diesem Umfeld hierfür ebenfalls den Begriff Archivierung benutzen. Wird die Anwendung, in der die Informationen entstanden sind, auch für die Aufbereitung und Speicherung älterer Datenbestände genutzt, dann sind diese nur mit dem die Daten erzeugenden System verarbeitungsfähig. Spätestens Updates oder Migrationen führen hier zu Problemen. Im Markt hat sich daher der Ansatz herausgebildet, unabhängige Archivsysteme für die Speicherung dieser Informationen zu verwenden. Dabei liegt die eigentliche Motivation dafür keineswegs in den GDPdU, als vielmehr in rein betriebswirtschaftlichen Überlegungen, insbesondere in der unternehmensinternen Prozeßoptimierung.
Sicherstellung der Auswertbarkeit
Archivsysteme dienen der langfristigen, sicheren und unveränderbaren Speicherung von Informationen, nicht zu deren Verarbeitung. Die Daten in der Anwendung sind auch nur dann auswertbar, wenn sie bereits vollständig, richtig und mit den entsprechenden Strukturinformationen abgelegt wurden. Die Auswertbarkeit muss daher von den Haupt- und Nebensystemen bereits bei der Übergabe der Informationen an die Archivlösung sichergestellt sein. Bleibt die Frage nach der »GDPdU-konformen«-Überprüfung und die Bereitstellung im elektronischen Ablagesystem.
Während die Abgabenordnung keine Aussage über die Ausgestaltung und den Umfang der Prüfungsmöglichkeiten beinhalten, fordert der als Erläuterung zum Datenzugriff veröffentlichte Fragen- und Antwortenkatalog der Finanzverwaltung (Fassung vom 1. Februar 2005) quantitativ und qualitativ gleiche Möglichkeiten, die jenen des Produktivsystems entsprechen. Spätestens hier wird deutlich, dass diese Anforderungen nicht durch Archivlösungen abgedeckt werden können, deren originäre Zielsetzung nicht in der Auswertung, als vielmehr in der revisionssicheren Langzeitaufbewahrung besteht.
Es kann nicht Aufgabe einer DMS-Lösung sein, die Auswertungsmöglichkeiten beliebiger ERP-Systeme in unterschiedlichsten Varianten, Versionen und Konfigurationen über jahrzehntelange Zeiträume nachzubilden. Wie kann es nun dennoch gelingen, die geforderte Auswertbarkeit herzustellen, ohne dass steuerrelevante Daten zwingend im operativen System vorgehalten werden müssen?
Vielfach diskutierte Ideen wie zum Beispiel: »IT-Museen«, die in Unternehmen alte Systeme zur Auswertung der Daten über Jahrzehnte lauffähig vorhalten, oder die Vorstellung, alte Datenbestände nach einem Jahrzehnt »einfach« in die laufende Anwendung zurückzuladen, sind unrealistisch. Im Sinne einer praxistauglichen und wirtschaftlich angemessenen Lösung sind solche Szenarien abzulehnen.
Das übergeordnete Kriterium der quantitativ und qualitativ gleichen Auswertungsmöglichkeiten muss vielmehr unternehmensspezifisch mit Leben erfüllt werden. Dies entspricht auch den Erfahrungswerten aus den ersten digitalen Betriebsprüfungen und ist letztlich Ausfluss aus der Heterogenität der in den Unternehmen herrschenden IT-Strukturen.
Überzeugend erscheint in diesem Zusammenhang insbesondere die Argumentation von Intemann und Cöster (Intemann/Cöster, DStR 47/2004, S. 1981 [1983]) zu diesem Thema. Die Forderung des Fragen- und Antwortenkatalogs stößt demnach immer dann an ihre Grenzen, sobald die technische Machbarkeit überschritten ist oder die Realisierung einer entsprechenden Lösung erhebliche (unangemessene) Mehraufwendungen für die betroffenen Firmen bedingt.
Mindestanforderungen
Bei der Beurteilung der geforderten Auswertungsintensität stellt sich die Frage, welche Mindestanforderungen an archivierte Datenbestände mit steuerlicher Relevanz zu stellen sind. Bereits bei den im Unternehmen im Einsatz befindlichen operativen Systemen (ERP, kaufmännische Software, Materialwirtschaft), können in Abhängigkeit von Produkten, Herstellern, Versionen und Konfigurationen unterschiedlichste Prüfungsmöglichkeiten während des Entstehens und des Aufbewahrungszeitraums vorliegen.
Will man auf eine grundsätzliche gesicherte Auswertbarkeit abstellen, erfüllt die IDEA-Software die Mindestanforderung und gib damit den Maßstab - immer vorausgesetzt - datenbezogene, technische und finanzielle Gegebenheiten rechtfertigen diese Einschränkung.
Wenn man als Unternehmen sicherstellen kann, dass beide Vorgehensweisen - Überlassung auf einem Datenträger in einem mit IDEA auswertbaren Format und die Prüfung mit diesem Tool beziehungsweise einer gleichgelagerten Lösung selbst - verfügbar sind, ist eine Mindestsicherheit gegeben, die richtigen Maßnahmen für eine Betriebsprüfung ergriffen zu haben.
Eine komplette Garantie gibt es jedoch nicht. Jedes Unternehmen arbeitet anders, benutzt andere kaufmännische Software, hat andere steuerrelevante Informationen. Daher muss eine Lösung immer auf die Firmensituation abgestellt sein. Auch wenn die Kombination von IDEA mit einem beliebigen Archiv eine denkbare Möglichkeit darstellt, um die Anforderungen des Gesetzgebers zu diesem Punkt zu erfüllen, ist in jedem Fall eine individuelle Betrachtung erforderlich. So muss insbesondere bei Migrationen die Frage der geforderten Auswertungsfunktionalität stets unternehmensspezifisch erfolgen und sich letztlich an Machbarkeit und Finanzierbarkeit messen lassen.
Klarer Vorschlag
Um dem Kriterium der »quantitativ und qualitativ gleichen Auswertungsmöglichkeiten« jenseits der Mindestanforderung IDEA individuell beizukommen, bietet sich der Lösungsweg auf Basis eines universellen, vom Produktiv- und Archivsystem unabhängigen, übergeordneten Auswertungsprogramms an. Dieser auf Kampffmeyer/Groß zurückgehende Ansatz aus dem Jahr 2002 sieht vor, dass die Daten nebst Strukturinformationen an ein externes Speichersystem, ein Archivsystem oder ein Datensicherungssystem abgeben werden und die bei Bedarf dem Steuerprüfer zur Auswertung unabhängig bereitgestellt werden können. Ein der Archivierung vorgeschalteter Validierungslauf ermöglicht zudem die Informationen auf ihre Verarbeitungsfähigkeit und Vollständigkeit zu prüfen. Dabei wird dem Kriterium der quantitativen und qualitativen Auswertungsmöglichkeiten über einen so genannten »IDEA-Client« Rechnung getragen, welcher zunächst auf die Minimalanforderung abstellt. In Abhängigkeit von technischen und finanziellen Gegebenheiten der Unternehmen sieht dieser Lösungsansatz eine Skalierbarkeit der geforderten Prüfungsmöglichkeiten vor und unterstützt damit die unternehmensspezifische Suche nach einer sinnvollen, sicheren und wirtschaftlichen Lösung der GDPdU-Problematik.