Insolvenzfestigkeit von Softwarelizenzen

8. Juni 2006, 0:00 Uhr |

Insolvenzfestigkeit von Softwarelizenzen. In Zeiten schwacher Konjunktur kommt es vor, dass ein Softwareanbieter Insolvenz anmelden muss. Was passiert in diesem Fall mit den Softwarelizenzen? Wie können sich Kunden absichern?

Insolvenzfestigkeit von Softwarelizenzen

Selbst beim Erwerb von sehr teurer Software stellen Anwender häufig nicht die Frage, ob die Programme auch im Falle einer Insolvenz des IT-Providers weitergenutzt werden können. Dies ist gerade bei großen IT-Projekten und wichtigen Softwaresystemen ein unverzeihlicher Fehler, weil die Einräumung von Lizenzrechten nach deutschem Recht grundsätzlich nicht »insolvenzfest« ist. Zu deutsch: Ein Insolvenzverwalter muss einen dauerhaft abgeschlossenen Softwarevertrag nicht weiterführen,  sondern kann im Insolvenzfall die mit dem Softwarevertrag erteilte Berechtigung zur Nutzung der Software durch einfache Erklärung beenden. Einen Ausweg aus diesem Dilemma zeigt der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Urteil vom 17. November 2005.
Viele Unternehmer bauen angesichts dieser unsicheren Rechtslage auf die Hinterlegung des Quellcodes der Software bei einer neutralen Stelle (wie etwa einem Notar oder einer eigens auf die »Sicherheits-Verwahrung« von Software spezialisierten Escrow-Firma). Dabei wird der Source Code der gemieteten Software bei dieser Stelle gerade für den Fall der Insolvenz des Softwarehauses hinterlegt, damit das Unternehmen bei einem Konkurs des Softwareanbieters die Software von einem anderen IT-Dienstleister weiter pflegen lassen kann.
Doch auch ein Escrow-Agreement bewahrt nicht zwingend vor bösen Überraschungen. Auch eine solche Software-Hinterlegung kann vom Insolvenzverwalter angegriffen werden.
Eine alternative Absicherung von Softwareverträgen stellt die treuhänderische Verwahrung der Softwarelizenz dar. Schon beim Vertragsschluss wird hierbei neben der eigentlichen Softwarelizenz (also dem Recht zur Nutzung der Software) dem Unternehmen eine Option auf Erwerb eines »immerwährenden dinglichen« Rechtes zur Nutzung der Software eingeräumt und das zugehörige Lizenzrecht sodann einem Treuhänder ? etwa einem Notar ? übertragen. Kommt es dann zu einer Insolvenz des IT-Unternehmens, greift zur Sicherheit das treuhänderisch gehaltene Lizenzrecht ein. Problematisch ist hierbei, dass auch die zur Sicherheit eingeräumte Lizenz nicht einfach übernommen werden kann. An ihr besteht vielmehr nur ein Ab­sonderungsrecht. Das heisst, dass wieder nur eine Entschädigung in Form einer Geldzahlung verlangt werden kann, die Software jedoch nicht weiter genutzt werden darf.

Sicherungs-Niessbrauch
Eigentümer eines Grundstücks können eine so genannte »Sicherungsdienstbarkeit« einräumen, um die Rechte an einer Immobilie zu schützen. Ebenso ist es auch möglich, an Immaterialgüterrechten (wie dem Recht zur Nutzung der Software) ein so genanntes Nießbrauchsrecht zu bestellen. Nießbrauch bedeutet, dass der Nutzer auch im Falle einer Insolvenz des Anbieters berechtigt ist, die Früchte dieser Absicherung zu ernten. Dieser Sicherungs-Nießbrauch ist daher grundsätzlich in der Lage, die zuvor dargestellten insolvenzrechtlichen Schwächen einer dauerhaften Software-Lizenz zu kompensieren: Durch die Bestellung des Nießbrauchs erlangt das Unternehmen das nicht mehr zerstörbare Recht, trotz Insolvenz des IT Dienstleisters die Software weiter zu nutzen.
Allerdings müssen auch für diesen Weg erst einige Stolpersteine beseitigt werden. So sollten beispielsweise bei der vertraglichen Ausgestaltung dieses Nießbrauchs Anwender darauf achten, dass die eigentlichen Lizenzbestimmungen nicht ausgehebelt werden. Sonst ist auch diese Konstruktion zwecklos.

Licht am Ende des Tunnels ? aktuelles BGH-Urteil
Mit Urteil vom 17.11.2005 (Aktenzeichen IX ZR 162/04) hat der BGH explizit entschieden, dass man die Rechte an einer Software auch so übertragen kann, dass diese ein Insolvenzverfahren überleben. Nach den Ausführungen des BGH stehen dem Unternehmen dann selbst bei einer ablehnenden Haltung des Insolvenzverwalters sowohl der aktuelle Source Code der Software als auch die im Softwarevertrag näher bestimmten Nutzungs- und Verwertungsrechte zu.
Nach der Entscheidung des BGH ist eine so genannte »aufschiebend bedingte Verfügung« über das Recht an der Software nicht mehr angreifbar, wenn das betreffende Recht bereits vor Insolvenzeröffnung entstanden ist und erst anschließend die Bedingung für die Übertragung der Softwarerechte eintritt. Hat also vor der Insolvenzeröffnung ein solcher »aufgeschobener« Rechtserwerb stattgefunden, kann der Insolvenzverwalter diesen nicht mehr verhindern. Voraussetzung für die Insolvenzfestigkeit dieser Vereinbarung ist aber, dass die zur Übertragung der Rechte führende aufschiebende Bedingung an eine Kündigungserklärung außerhalb des Umfeldes der Insolvenzeröffnung geknüpft ist. Sonst droht wieder die Unwirksamkeit dieser vertraglichen Regelungen nach der Insolvenzordnung.

Es besteht Handlungsbedarf
Die Unternehmen, die für ihren Betrieb auf eine bestimmte Software angewiesen sind und sich gegen Insolvenz­risiken schützen möchten, sollten in ihre langfristigen Softwareverträge sowie gegebenenfalls zusätzlich in die jeweils zugehörigen Escrow-Agreements eine Regelung aufnehmen, wonach der Übergang des jeweils aktuellen Source Codes und der entsprechenden Nutzungsrechte an der Software bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses verbindlich (wenn auch an weitere Bedingungen in der Zukunft ge­knüpft) erfolgt. Ferner ist es empfehlenswert, in der Escrow-Vereinbarung auch die außerordentliche Kündigung des eigentlichen Softwareüberlassungsvertrages als ein zur Herausgabe des Quellcodes verpflichtendes Ereignis vorzusehen.
Der BGH hat mit seinem Urteil einen im Verhältnis zu zusätzlichen Escrow-Agreements oder komplizierten Treuhand- und Nießbrauch-Modellen preiswerten und rechtssicheren Weg zur Absicherung der Nutzungsrechte an einer Software für den Fall der Insolvenz eines IT-Unternehmens aufgezeigt. Diesen Weg durch das Gestrüpp von rechtlichen Vorschriften sollte man allerdings am besten an der Seite eines auf das IT-Recht spezialisierten Rechtsanwaltes beschreiten.   

Dr. Michael Rath ist Rechtsanwalt bei der mit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young assoziierten Anwaltskanzlei Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Köln.


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