Digitale Transformation auf Bundesebene

Jetzt wird’s digital – oder?

23. Mai 2025, 10:00 Uhr | Diana Künstler
© Phoenix 1319 – shutterstock.com

Ein eigenes Digitalministerium, ein verpflichtendes Bürgerkonto, KI-Reallabore und Glasfaser bis in den letzten Winkel der Republik: Die neue Bundesregierung unter Kanzler Friedrich Merz macht Ernst mit der digitalen Transformation – zumindest auf dem Papier.

Was steckt hinter den ambitionierten Plänen, wo liegt der Nutzen für Unternehmen und wo droht das Projekt „digitale Zeitenwende“ an alten Problemen zu scheitern? Der Versuch eines Überblicks über die Pläne und deren Realisierbarkeit.

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Neuanfang mit Quereinsteiger?

Ein zentrales Symbol des Aufbruchs ist das neu geschaffene Bundesministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung (BMDS) – erstmals mit eigenem Ressortstatus und klarer Verantwortung für die Koordination digitalpolitischer Vorhaben. Geleitet wird es von Karsten Wildberger, vormals CEO der Ceconomy AG und Geschäftsführer der Media-Saturn-Holding GmbH, der Muttergesellschaft von MediaMarkt und Saturn. Ein Neuanfang mit ökonomischer Prägung – und ohne parteipolitische Altlasten. Doch genau daran entzündet sich auch Kritik: Wildberger habe „keinerlei politische Erfahrung“, sagen manche – und fragen, ob ein Quereinsteiger der komplexen föderalen Digitalstruktur gewachsen sei.

Als technischer Dreh- und Angelpunkt gilt das geplante verpflichtende Bürgerkonto: ein zentrales digitales Postfach für Kommunikation mit Behörden. Parallel sollen Dokumente wie der Renten- oder Schwerbehindertenausweis digitalisiert werden. Für IT-Architekten in Kommunen bedeutet das: neue Schnittstellen, neue Prozesse – und mehr Standardisierung. Doch Datenschützer schlagen Alarm: Der Zwangscharakter der Lösung und die Konzentration sensibler Informationen rufen Bedenken hervor. Bürgerrechtsorganisationen warnen vor „staatlichem Daten-Hubbing“ ohne ausreichenden Vertrauensrahmen.

Auch der Infrastrukturausbau steht weit oben auf der Agenda. Das Ziel: flächendeckendes Glasfaser-Internet, Mobilfunk ohne Funklöcher und regionale Rechenzentren zur Stärkung digitaler Souveränität. Für mittelständische IT-Dienstleister, Carrier und Cloud-Anbieter könnte das neue Impulse bringen – sofern die angekündigten Förderprogramme tatsächlich unbürokratisch abrufbar sind.

Im Bereich Künstliche Intelligenz will die Regierung mit Reallaboren und einer souveränen Infrastruktur punkten. Die Verwaltung soll durch das „Once Only“-Prinzip effizienter werden: Bürgerinnen und Bürger geben ihre Daten nur einmal an, Behörden tauschen diese automatisch untereinander aus. Für IT-Abteilungen in Behörden bedeutet das: massive Backend-Integration, Datenschutz-Compliance und Interoperabilität – alles keine Selbstläufer. Und: Das Projekt ist in vielen Ländern gescheitert, weil politische Zuständigkeiten sich gegenseitig blockierten.

Kurzum: Die Strategie umfasst rund 140 Ziele, deren Umsetzung über ein Monitoring-System verfolgt wird. Fortschrittsberichte sollen Transparenz schaffen. Doch Fachverbände wie Bitkom mahnen: Es fehlt weniger an Zielen als an konkreten Ergebnissen. Deutschland hinke im internationalen Vergleich bei der Digitalisierung der Verwaltung immer noch hinterher.

Was (noch) fehlt

Ein überraschender Schwachpunkt: Die Themen digitale Bildung und Kompetenzen bleiben weitgehend außen vor. Schulen, Hochschulen, berufliche Weiterbildung – zentrale Zukunftsfelder mit großer Hebelwirkung – werden nur am Rand erwähnt. IT-Abteilungen in Bildungseinrichtungen fühlen sich erneut alleingelassen.

Und dann wäre da noch das alte Problem Bürokratie: Viele Maßnahmen – etwa das Daten-Sharing zwischen Behörden – hängen von der Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen ab. Kritiker fürchten, dass es auch diesmal bei Modellprojekten bleibt.

Die neue Digitalagenda ist ein mutiger Aufschlag – mit klaren Ambitionen und ersten strukturellen Weichenstellungen. Für Entscheider und IT-Verantwortliche in Unternehmen und Behörden heißt das: Es kommt Bewegung ins System. Ob daraus echter Fortschritt wird, hängt weniger von Visionen ab als von der Fähigkeit, Blockaden zu lösen und Silos aufzubrechen.


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