Kaltgestellt

23. September 2004, 0:00 Uhr |

Kaltgestellt. Verkehrte Welt ? da will ein Mitarbeiter nicht mehr Kohle für seine Arbeit. Nein, er will mehr Arbeit für seine Kohle. Ein 60-jähriger Referatsleiter aus dem Bundesbildungsministerium hat vor dem Verwaltungsgericht Köln gegen den Bund Klage wegen seiner Unterbeschäftigung eingereicht.

Kaltgestellt

Die Aufgaben einer Woche füllten grade mal vier Stunden aus, monierte der Referatsleiter, und dafür kassiere er völlig ungerechtfertigt rund 6.000 Euro im Monat. Nun klagt er auf »angemessene Beschäftigung«.

Prinzipiell ist diese Einstellung ja lobenswert, doch sollte sie Schule machen, könnten auch nervenaufreibende, wenn nicht geschäftschädigende Zeiten auf die Industrie zukommen: Da war sich das Management sicher, dass Kollege Möllers zuverlässig seitlich wegbefördert wurde und sicherheitsverwahrt auf seinem »Managing Director for Facility Events«-Posten sitzt. Jetzt besteht plötzlich die Gefahr, dass der eine »verantwortungsvolle Aufgabe« einklagt. Welch Horrorszenario bahnt sich da an. Beispielsweise für den Leiter Vertrieb wenn er künftig, seine mit Blut, Schweiß und Tränen akquirierten Kunden jenem kaltgestellt geglaubten Herrn Möllers überantworten muss. Der vergrault die Hauptumsatzträger erfahrungsgemäß mit Schwänken von seiner Rosenzucht und seiner Dackelleidenschaft. Und 150.000 Millionen Euro schwimmen mitsamt den Kunden über den Ozean.

Erste Anzeichen leichter Panik machen sich auch unter Betriebsräten bemerkbar: Denn ab sofort gehören Diskussionen, in denen es darum ging, ob es einem Abteilungsleiter gestattet sei oder nicht, seinen Mitarbeitern einen Arbeitsbeginn von 10.00 Uhr zuzumuten ? wohlgemerkt ohne die dazu gehörige Betriebsvereinbarung ? der Vergangenheit an. Die Herren Betriebsräte müssen künftig früher aufstehen. Und zwar um zu kontrollieren, ob dem Antrag eifriger Mitarbeiter, künftig schon um 6.30 Uhr zur Arbeit antreten zu dürfen, vom Arbeitgeber auch ordnungsgemäß stattgegeben und der reibungslose Eintritt zum Office ermöglicht wurde.

Sogar Microsoft trifft schon erste Sicherheitsmaßnahmen. Denn bei Steve Ballmer gingen die ersten Anträge ehemaliger noch im Unternehmen befindlicher Basic-Programmierer ein, denen es ein inniges Anliegen ist, sich um ein renommiertes Programmierprojekt verdient zu machen. Und trotz seines unantastbaren Standings in Sachen Technologie-Marktführer möchte sich das Microsoft-Management später nicht fragen lassen, woher denn in aller Welt die 113.467 Zeilen Fortran77-Code in Longhorn stammen.


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