Komplexes Beziehungsgeflecht im Handel

22. April 2004, 0:00 Uhr | Markus Bereszewski

Komplexes Beziehungsgeflecht im Handel. Die IT im Handel ist meist ein heterogenes Konglomerat unterschiedlicher Systeme und Lösungen. Bei der Schaffung zeitgemäßer IT-Strukturen muss handelsspezifisches Know-how bewahrt bleiben.

Komplexes Beziehungsgeflecht im Handel

Handel findet nicht nur über die Ladentheke statt. Versandhandel, Call Center, Internet und eben der Point of Sale sind nur einige der vielfältigen Kontaktpunkte zwischen Handelsunternehmen und Kunden. Zeitgemäße IT-Lösungen müssen in der Lage sein, die vielfältigen Beziehungen zwischen Handel, Verbrauchern und Lieferanten ganzheitlich abzubilden. Die größte Herausforderung für IT-Verantwortliche im Handel stellt heute die Integration der gewachsenen IT-Landschaften dar, in denen Mainframe-basierte Zentralanwendungen mit unterschiedlichen in dezentralen Client/Server-Infrastrukturen parallel betriebenen Warenwirtschaftssystemen und spezifischen Business-Applikationen aufeinandertreffen.

Die großen Handelsunternehmen sind über viele Jahre gewachsen. Dazu haben nicht nur der Ausbau der Filialnetze oder die Erschließung neuer Geschäftsfelder und Märkte beigetragen, sondern insbesondere auch Fusionen und Akquisitionen. Den IT-Landschaften sieht man diese Entwicklungsgeschichte vielfach noch an. Sie bilden heute ein oft schwer überschaubares Konglomerat aus Host-basierten Zentralanwendungen, verschiedenen Warenwirtschaftsystemen, Standardsoftwarelösungen, proprietären, fachspezifischen Applikationen etwa für den Versandhandel, um nur einige Beispiele zu nennen. In der Umgebung der zentralen IT finden sich weitere Peripherieanwendungen wie CRM-Systeme, Datawarehouse-Komponenten, innovative Shop Systeme oder E-Business-Lösungen. Die einzelnen Anwendungen beinhalten häufig ein hohes Maß an handelsfachlicher Intelligenz und verbinden jahrelange Kenntnisse unternehmensspezifischer Prozesse. Diese unternehmenseigenen Werte müssen bei der Schaffung integrierter, zeitgemäßer IT-Strukturen berücksichtigt werden und erhalten bleiben.

Multi-Channel-Selling

Neben dem stationären Handel gewinnen mediale Vertriebskanäle wie Telefon und Internet in Ergänzung zum klassischen Versandhandel an Bedeutung. Immer mehr Kunden nutzen die unterschiedlichen Vertriebskanäle zur Deckung ihrer Bedürfnisse. Letztere muss das Handelsunternehmen kennen, wenn der Kunde auch in den komplexen Strukturen des modernen Handelskonzerns König bleiben soll. Im Sinne der Realisierung einer umfassenden Multi-Channel-Selling-Strategie ist der Handel heute gefordert, sämtliche Vertriebs- und Kommunikationskanäle tief in seine Systeme zu integrieren und miteinander zu vernetzen.

Dabei kommt im stationären Handel der Kasse eine zentrale Bedeutung zu. Denn während der Kunde und sein Kaufverhalten dem Versandhandel bekannt sind, bleibt der Käufer am Point of Sale zunächst anonym. Leistungsfähige, tief in die Backoffice-Umgebung integrierte Kassensysteme können wertvolle Informationen über Kaufverhalten, Präferenzen sowie miteinander korrespondierende Produkte und Warengruppen liefern. Moderne Kassensysteme leisten daher weit mehr als die Abwicklung bargeldbasierter oder bargeldloser Zahlungstransfers. Internetfähige, Java-basierte Kassensysteme beispielsweise arbeiten mit einer grafischen Oberfläche, die den Zugriff auf verschiedene Applikationen wie etwa das Bestellwesen ermöglichen. Die Integration in eine Multi-Channel-Architektur kann effizient und unkompliziert über das Web erfolgen. Seit dem Fall des Rabattgesetztes gestaltet sich auch die Abwicklung von Rabatten weit komplexer als zuvor. Zeitgemäße Kassenlösungen müssen Rabatte variabel handhaben, Kundenkarten-Transaktionen effizient bewältigen und Aktionen oder zeitlich befristete Preisänderungen nach Bedarf abwickeln können. Herkömmliche Kassensysteme sind für diese neuen Anforderungen nicht ausgelegt.

Moderne Multi-Channel-Selling-Strategien erfordern die sofortige Verfügbarkeit sämtlicher eingehender Kundeninformationen, die in einer einheitlichen Umgebung zusammenfließen, unabhängig von dem vom Verbraucher gewählten Vertriebsweg. Erst dadurch ist der Handel in der Lage, ein ganzheitliches, stets aktuell verfügbares Bild vom Kunden und seinen Bedürfnissen zu zeichnen. Die permanente und vollständige Verfügbarkeit der Daten ermöglicht die Schaffung eines Closed Loop, also eines geschlossenen Regelkreises aus Datensammlung, Datenanalyse und Aufbereitung der Daten auf der Analyseebene sowie das Zurückspielen der Informationen an die operative Ebene.

Bedarfsgerechte Kundenansprache erfolgt jedoch nicht nur auf der persönlichen Ebene, sondern auch bei der kundengerechten Gestaltung des Point of Sale. Auch dafür ist eine tiefe Kenntnis der Kundenwünsche und -bedürfnisse erforderlich. Das Category Management zielt darauf ab, aus dem Konsumentenverhalten Präferenzen in Bezug auf Sortimente, Preise und die Warenpräsentation abzuleiten und die damit in Zusammenhang stehenden Prozesse kontinuierlich zu optimieren. Voraussetzung für ein erfolgreiches Category Management sind neben den geeigneten internen IT-Systemen in erster Linie kooperative Beziehungen zwischen Handel und Zulieferindustrie.

Anbindung von Kunden und Geschäftspartnern

Die Anbindung von Geschäftspartnern (B2B) und Kunden (B2C) mithilfe elektronischer Medien erfolgt sowohl auf Basis konventioneller als auch internetbasierter Technologien. Die Vernetzung des hoch komplexen Beziehungsgeflechtes stellt eine besondere handelsspezifische Herausforderung dar: Der Weg der Ware führt von den verschiedensten Produzenten, Lieferanten und Spediteuren im In- und Ausland in weit verteilte Warenlager. Den Endverbraucher erreicht sie durch die unterschiedlichen Vertriebswege und -systeme wie die zahlreichen Filialen, den Versandhandel oder das Shopping-Portal im Internet.

Die Lösungsansätze sind überaus komplex und in der Regel Ergebnis langjähriger Analyse und Optimierung der gesamten Prozesskette. Gefragt sind dabei insbesondere Kernkompetenzen auf den Gebieten Supply Chain Management und Collaborative Planning sowie Forecasting und Replenishment. Denn große Handelshäuser betreiben in der Regel unterschiedliche Warenwirtschaftssysteme parallel, die der Abwicklung spezifischer Aufgaben innerhalb bestimmter Handelssparten dienen. So stellen etwa die Bereiche Nahrungsmittel und Textil oder etwa die Warenhausgastronomie ganz unterschiedliche Anforderungen an die Warenwirtschaft. Bezeichnend für den Fashion-Bereich sind beispielsweise extrem kurze Produktlebenszyklen. Forecast und Replenishment sind daher auf Referenzprodukte oder vergleichbare Warengruppen angewiesen, die durch spezifische Analyseverfahren abgebildet werden und in die Prognose einfließen müssen. Die Vielzahl der im Einsatz befindlichen Warenwirtschaftssysteme steigert die Komplexität bei der Anbindung von Geschäftspartnern enorm.

Die weite Palette an B2C-Systemen im Handel reicht von hoch integrierten E-Commerce-Plattformen bis hin zu standardisierten Shoplösungen. Eine besondere Bedeutung kommt dabei dem Aufbau von Artikel- und Informationsdatenbanken zu. Diese bilden die Basis für die sichere und dynamische Darstellung von Produktkatalogen und unternehmensbezogenen Inhalten im Internet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass häufig eine Anpassung der Online-Bestellsysteme an unterschiedliche Kundengruppen und Händlernetze erforderlich ist. Die Optimierung des Bestellwesens sowie der Produktdaten und Kundeninformationen erfordert eine durchgängige Integration der unterschiedlichen Warenwirtschafts- und Versandhandelssysteme.

IT-Dienstleistungen für den Handel

Immer mehr Handelsunternehmen möchten sich angesichts des wachsenden Wettbewerbsdrucks auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren. Eine sinnvolle Option sehen viele in der Auslagerung von Teilbereichen der IT wie Anwendungsentwicklung und Systemintegration oder sogar des gesamten IT-Betriebs. Spezialisierte IT-Dienstleister sind als Entire Lifecycle Provider strategische Partner von Handelsunternehmen und bieten ein breites Leistungsspektrum über den gesamten Lebenszyklus von IT-Lösungen. Mit einem umfassenden Beratungsangebot verfolgen sie die Schaffung wirtschaftlicher, leistungsfähiger und intelligenter IT-Lösungen, welche die gesamte Wertschöpfungskette durchgängig abbilden und die Geschäftsprozesse im Handelsunternehmen optimieren können.

*Peter Ohl ist Vorsitzender der Geschäftsführung, ITELLIUM Systems & Services GmbH


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