Kooperationen: »Jeder hat die Zentrale, die er verdient«. Bei Rating-Agenturen und Banken haben ITK-Händler einen schweren Stand. Mitglieder von Kooperationen werden besser bewertet, so eine Studie, die unter Prof. Dr.Theresia Theurl, Ökonomin an der Uni Münster, erstellt wurde. CRN-Mitarbeiter Wolfgang Kühn sprach mit Theurl, der geschäftsführenden Direktorin des Instituts für Genossenschaftswesen, über die Notwendigkeit von Verbundgruppen.
CRN: Frau Professor Theurl, sie haben eine Studie über »Verbundgruppenmitgliedschaft und Risiko« verfasst. Was war der Anlass dafür?
Theurl: Zwei Gründe: Wir unterstellen immer, dass Kooperationen das wirtschaftliche Risiko der Mitglieder reduzieren würden. Das können wir zwar theoretisch begründen, aber es wurde bisher noch nie empirisch untersucht. Zum zweiten ist der Zentralverband Gewerblicher Verbundgruppen an mich herangetreten. Der ZGV sagt, Rating werde für die Verbundgruppenmitglieder immer wichtiger, ebenso die Finanzierungskonditionen. Darum würde es den ZGV interessieren, ob Verbundgruppenmitglieder ein geringeres Insolvenzrisiko hätten.
CRN: Ihre Studie umreißt aber alle Branchen, also vom Textilwaren-Verbund bis zur IT-Kooperation.
Theurl: Richtig, die Studie umfasst alle Branchen, vom produzierenden Gewerbe über Dienstleistungen und Handwerk bis Einzel- und Großhandel. Es ist alles abgedeckt.
CRN: Aber es gibt doch signifikante Unterschiede zwischen den Branchen?
Theurl: Ja, es gibt Unterschiede zwischen einzelnen Branchen. Deshalb kann eine systematische Analyse von Branchen Inhalt einer Folgeuntersuchung sein. Insgesamt kam es uns darauf an, den Gesamtzusammenhang herauszuarbeiten. Und der ist so signifikant, dass er für alle Branchen gilt.
CRN: Was haben Verbundgruppenmitglieder für Vorteile, welche Risiken sind bei ihnen niedriger als bei nicht kooperierten Händlern?
Theurl: Man muss die Risiken auf unterschiedlicher Ebene sehen. Ein Vorteil ist für Kooperationsmitglieder, dass sie es einfacher auf der Beschaffungsebene haben, dass sie gebündelt einkaufen können. Außerdem erhalten sie bessere Konditionen bei den Lieferanten und können bei Verhandlungen die Marktmacht der Gruppe nutzen. Auf der Absatzseite haben sie die Chance, sich mit anderen Mitgliedern zusammenzuschließen, vielleicht Dienstleistungen anzubieten, über die sie selbst nicht verfügen. Damit hält man die Kunden länger und bindet sie besser an sich. Dies wiederum reduziert das Absatz- und Marktrisiko.
Für ganz wichtig halte ich einen weiteren Aspekt: Wenn man sich zur Kooperation entscheidet, dann muss man sich im Vorfeld über das eigene Unternehmen im Klaren sein, muss bestimmte betriebswirtschaftliche Informationen liefern. Das heißt, man hat eine Art Business-Plan im Hintergrund und alle nötigen Daten parat ? auch für nötige Bankgespräche.
CRN: Nicht kooperierte Händler, vor allem aus den Branchen CE, UE, TK und speziell IT, halten den Verbundgruppen entgegen, dass sie viele dieser Dienstleistungen bis hin zu Finanzservices mittlerweile auch von ihren Großhändlern erhalten. Außerdem würden ihnen die Distributoren häufig ebenso günstige Preise anbieten wie die Kooperationen. Spricht das nicht gegen Verbundgruppen?
Theurl: Da würde ich erst einmal eine klare Kalkulation vorschlagen. Der Händler muss eruieren, ob es eine Verbundgruppe gibt, die ihm bessere Konditionen bietet. Außerdem vertritt die Gruppe seine Interessen gegenüber der Politik und anderen wichtigen Institutionen. In der Folge stellt sich die Frage nach Alternativen. Klar ist, wenn die Distributoren gleiche Leistungen bei gleichen Konditionen anbieten können, dann ist dies zu überlegen. Aber in vielen Branchen sieht die Situation anders aus.
Manche Verbundgruppe haben allerdings einen bürokratischen Overhead oder weniger attraktive Konditionen. Aber da müssen sich die Mitglieder und die Zentrale austauschen. Nur kritisieren hilft nichts. Letztlich hat jedes Verbundgruppenmitglied die Zentrale, die es verdient.
CRN: Sind nun kooperierte Reseller tatsächlich weniger insolvenzgefährdet als nicht kooperierte? Zumal viele IT-Shops glauben, den ruinösen Preiswettbewerb der Flächenmärkte mitmachen zu müssen.
Theurl: Der Vorteil der Verbundgruppen liegt darin, dass ich das Know-how, über das ich selbst nicht verfüge, über die Gruppe hinzukaufen kann. Völlig klar ist, dass ein Einzelhändler mit den Retailmärkten gar nicht konkurrieren kann, wenn nur der Preis zählt. Aber die Chancen für die Händler liegen darin, dass die Kunden immer qualitätsbewusster werden, dass sie Dienstleistungen um das Produkt herum benötigen und damit auch zunehmend Bereitschaft zeigen, dafür Geld auszugeben.
CRN: Worauf führen sie es zurück, dass es gerade in der IT-Branche so wenige kooperierte Händler gibt, die Schätzungen gehen von zehn bis 15 Prozent aus?
Theurl: Wenn die Branche noch jung ist, wächst der Markt. Da sprießen auch Handelsbetriebe aus dem Boden, bei denen die betriebswirtschaftlichen Voraussetzungen nicht so günstig sind. Ist der Markt gesättigt, die Konkurrenz größer, dann stellt sich die Frage nach der Positionierung im Wettbewerb. Das ist dann der Zeitpunkt, wo sich adäquate Organisationsstrukturen herausbilden. Folglich wird auch in dieser Branche der Kooperationsanteil noch wachsen.
CRN: Heißt das, dass es mittelfristig überwiegend nur noch kooperierte Händler gibt, mit Ausnahme von sehr großen oder spezialisierten Handelsbetrieben?
Theurl: Ich bin mit unbedingten Prognosen sehr vorsichtig. Aber man kann die Entwicklung in anderen Branchen heranziehen. Wer nur über den Preis geht, also die ganz Großen, die brauchen keine Kooperation. Die Spezialisten, die Unikate, brauchen sich ebenfalls keine Gedanken zu machen. Aber dann gibt es noch die vielen, die für sich allein zu klein sind. Für die stellt sich sehr bald die Frage: Fusioniere ich, scheide ich vom Markt aus oder werde ich toll und innovativ oder kooperiere ich?
CRN: Also können sich Verbundgruppenmitglieder sicherer fühlen und ruhiger schlafen?
Theurl: Eine Kooperation darf auf keinem Fall als Ruhekissen betrachtet werden. Eine gute Gruppe ist eine wesentliche, aber keine hinreichende Voraussetzung, denn es gibt Verbundgruppen unterschiedlicher Qualität. Außerdem sind Verbundgruppen nur so gut wie ihre Mitglieder. Salopp gesagt, wenn eine Verbundgruppe viele Händler mit schlechter Bonität hat, wird es einem Händler schwer fallen, eine Bank oder Rating-Agentur von seinem geringeren Risiko zu überzeugen.
CRN: Sind Händler überhaupt in der Lage, die Qualität einer Verbundgruppe vor dem Beitritt zu beurteilen?
Theurl: Genau genommen müssten die Wissenschaft oder eine Interessenvertretung wie IHK, beziehungsweise ein Branchenverband, die Qualitätsstandards für Kooperationen entwickeln. Das könnte auch der ZGV sein. Die Kooperationsverträge der einzelnen Gruppen müssen nicht identisch sein, aber bei den wesentlichen Bedingungen vergleichbar. Gleiche Standards gibt es noch nicht, aber daran sollte man arbeiten. Das würde auch die Entscheidungen der Banken und Rating-Agenturen erleichtern.
CRN: Eine abschließende Frage: Wie unabhängig ist Ihre Studie?
Theurl: Das Ergebnis ist völlig unabhängig von den Verbundgruppen und dem ZGV. Ich bin Wissenschaftlerin, bin an der Universität, stehe mit meinem Namen dafür und mache grundsätzlich nur Studien, die keine Interessenstudien sind. Es gibt natürlich einen Auftraggeber. Aber das Ergebnis ist offen: Es kommt heraus, was heraus kommt.