Kooperative Lagerverwaltung Der Automobilzulieferer ZF hat mit Software zur Implementierung eines Vendor Managed Inventory gute Erfahrungen gemacht.
Als einer der weltweit größten Automobilzulieferer verfügt die in Friedrichshafen am Bodensee ansässige ZF-Gruppe über eine hohe Prozesskomplexität und ein sehr großes Beschaffungsvolumen. Aus diesem Grund ist es für ZF wichtig, die Qualität und Effizienz der Prozesse laufend zu optimieren. Einer der Schwerpunkte liegt dabei auf den Beschaffungsvorgängen. Hier beobachtet und evaluiert ZF kontinuierlich neue Management- und Organisationsansätze. »Wir haben die Entwicklung von VMI bereits seit 2003 verfolgt«, sagt Joachim Schmidt, der für die Einführung des neuen Prozesses verantwortlich zeichnet. Um die Eignung des Ansatzes für die Beschaffungsstruktur von ZF zu testen und eine brauchbare Entscheidungsgrundlage zu schaffen, entschied man sich für ein Pilotprojekt, um so die Logik eines Vendor Managed Inventory (VMI) zu testen. Da die Ergebnisse überzeugten, begann ZF im April 2005 mit der Implementierung auf der Basis des Produkts Inventory Collaboration des Software-Herstellers SupplyOn. Dieses Programmpaket ermöglicht die Umsetzung neuer Dispositionsmethoden wie VMI, Anliefersteuerung oder Kanban, bei denen der Lieferant die Disposition des Lagers seines Kunden übernimmt. Dazu werden die Lagerbestandsdaten und Bedarfe angezeigt und für jeden Artikel maximale und minimale Lagerbestände vereinbart. Auf Basis dieser Daten disponiert der Lieferant das Lager seines Kunden selbstständig. Im Rahmen des Projekts wurden zunächst die Pilotlieferanten aus der Testphase über die Software angebunden. Gleichzeitig wurde der Roll-out für die anderen Werke von ZF geplant, der drei Monate später begann. Heute wickeln mehr als fünfzig Lieferanten rund 900 Sachnummern mit ZF über diese Software ab.
Anbindung an das SAP-System Die Daten werden direkt aus dem SAP-System von ZF in den Inventory Monitor eingespeist, wobei die Reporting-Funktionalitäten von SAP verwendet werden. Die Daten werden täglich aktualisiert, so dass die Disponenten beider Seiten auf Basis identischer Informationen planen. Dem Lieferanten stehen Tools zur Verfügung, die eine schnelle Erfassung der aktuellen Situation ermöglichen. So kann er beispielsweise anhand von Ampel-Funktionen feststellen, wann welche Teile in welchem Umfang geliefert werden müssen. Die einfache Handhabung und die transparente Logik des Inventory Monitor ermöglicht einen produktiven Einsatz der Lösung ohne großen Trainingsaufwand. Der VMI-Prozess ist vorteilhaft für Komponenten, die in unabhängigen Losgrößen produzieren werden. Dabei handelt es sich meist um so genannte B- und C-Teile, beispielsweise einfache Drehteile oder Dichtungen. »Durch den Einsatz der VMI-Software von SupplyOn konnten wir die Beschaffung dieser Teile deutlich verbessern«, sagt Roland Dudichum, verantwortlich für Kunden- und Lieferantenlogistik der Sparte LKW-Antriebstechnik von ZF. »Einerseits haben die Lieferanten nun ein wesentlich besseres Verständnis für unsere tatsächliche Situation. Andererseits konnten wir den Umfang der physischen Prozesse reduzieren und damit Kosten und Zeit sparen.« So hat sich zum Beispiel die Transportfrequenz über alle Lieferanten im Mittel um 30 Prozent reduziert. »Statt zehn Prozessen haben wir mit unseren VMI-Lieferanten oft nur noch einen«, sagt Dudichum. Auf diese Weise entfalle ein großer Teil des Volumens im Bereich der Lagerverwaltung, des Transports und der Buchhaltung.
Optimales Lagermanagement Durch den Einsatz der Software Inventory Collaboration sind die internen Prozesse bei ZF für die Lieferanten transparenter geworden. Während sie vorher lediglich auf den Lieferabruf reagieren konnten, stehen ihnen heute tagesaktuelle detaillierte Informationen über die Teilebewegungen und den Bestand zur Verfügung. Damit lässt sich die Teilelieferung optimal planen und der Lagerbestand deutlich verringern: Die Bestandreduzierung bei ZF liegt seit Projektstart bei über einer Million Euro. Auch für die Lieferanten-Performance und deren Messung bietet der VMI-Prozess Vorteile: Zum einen führt die stärkere Einbeziehung der Lieferanten in den Produktionsprozess zu einem besseren Verständnis der Bedürfnisse von ZF. Zum anderen lässt sich nun die Liefertreue besser und genauer registrieren. »In Zukunft werden solche Kennzahlen in den Performance Manager, das Qualitätsmanagement-Tool von integriert. Damit haben wir eine sehr gute Grundlage, um die Performance systematisch analysieren und langfristige Optimierungsstrategien umsetzen zu können«, sagt Dudichum.
Vorteile für Lieferanten »Der VMI-Prozess bietet insbesondere für diejenigen Lieferanten Vorteile, die noch nicht über ein umfassendes, hoch automatisiertes System verfügen und kein klassisches EDI-System einsetzen«, sagt Schmidt. Diese Unternehmen könnten mit einer Web-EDI-Lösung in Kombination mit Inventory Collaboration ein effizientes System aufbauen, das die Prozesse stark automatisiere. Während früher die Lieferabrufe von Hand ausgedruckt und manuell ins System eingegeben werden mussten, lassen sich nun die Bedarfe direkt herunterladen. Die Lieferanten, die beim VMI-Ansatz sowohl eine höhere Dispositionsverantwortung als auch größere Freiräume haben, profitieren vor allem von der Transparenz: Während sie bei einem herkömmlichen Prozess lediglich über die im Lieferabruf festgehaltenen Liefertermine und Liefermengen informiert wurden, kennen sie heute die tatsächliche Lager- und Produktionssituation ihres Kunden. Damit können sie den Lieferprozess eigenverantwortlich gestalten und auch ihre eigenen Produktions- und Logistikprozesse besser planen. Man sieht sehr schnell und detailliert den aktuellen Lagerbestand und die Bedarfe und kann feststellen, wie lange die Bestände reichen werden. »Dadurch können wir selbst die Liefermenge und den Lieferzeitpunkt bestimmen. Statt viele taggenaue Teilelieferungen mit genauen Terminen und Mengenvorgaben durchführen zu müssen, können wir größere Mengen liefern und reduzieren die Lieferhäufigkeit«, sagt Friedrich Grässle, Geschäftsführer der Grässle Fertigungstechnik, die ZF seit 1968 mit Baugruppen aller Art, wie zum Beispiel Rast- und Federelementen, Ventilen und Tachowellen, beliefert. »Der Zeitaufwand für die Terminüberwachung reduziert sich. Durch die Liefer-Simulation, die der Inventory Monitor ermöglicht, lässt sich einfach ablesen, welche Liefermenge wie lange ausreicht.«
Dr. Alexander Pschera ist Journalist in München.