Meldewesen als Vorreiter. Im Meldewesen wird künftig deutschlandweit ein einheitliches Datenaustauschformat genutzt, das sich auch für andere E-Government-Anwendungen eignet. Die Sprachen XML und UML bilden die Grundlage.
Dem deutschen Meldewesen steht eine technologische Revolution bevor: Bis Ende nächsten Jahres werden alle rund 8000 Meldestellen hierzulande mit Hilfe des neuen deutschen Behördenstandards OSCI (siehe Kasten Seite 40) untereinander vernetzt. Wegen der durchgängigen Verwendung dieses Standards hat das Projekt zur bundesweiten Vereinheitlichung des Meldewesens eine Vorreiterrolle beim E-Government in Deutschland. Knapp sechs Millionen Euro sollen dadurch allein im Bereich der Rückmeldung jährlich eingespart werden.
Der Bund nutzt OSCI bereits als Basiskomponente seiner virtuellen Poststelle. Die unter OSCI firmierenden Strukturen und Protokolle für einen sicheren Datenaustausch sind mittlerweile zu einem unverzichtbaren Bestandteil der E-Government-Infrastruktur in Deutschland geworden, die im Zuge der Großprojekte Bund Online 2005 und Deutschland Online entsteht. Ziel des Bundesinnenministeriums ist es, alle online-fähigen Dienstleistungen der Bundesverwaltung über das Web bereitzustellen.
Entstanden ist der OSCI Standard bei einer neu gegründeten Leitstelle in Bremen. Er liefert ein universell einsetzbares Datenaustauschformat, das auf die Anforderungen des E-Government abgestimmt ist. OSCI wurde mit dem Ziel entworfen, die vollständige und rechtsverbindliche Abwicklung von Transaktionen im Bereich E-Government über den Betriebsweg Internet und auf Basis digitaler Signaturen zu ermöglichen. Dies erfordert eine umfangreiche Interoperabilität sowohl bei den Inhaltsdaten als auch bei den Transport- und Sicherheitsfunktionen. Schließlich sind auch noch die Ansprüche an eine ökonomische technische Umsetzung wichtig, die vor dem Hintergrund knapper Kassen ein besonderes Gewicht bekommen haben.
Die bundesweite Vereinheitlichung des Meldewesens stützt sich auf eine gemeinsame Struktur für den Datenaustausch. Das Bundesministerium des Inneren (BMI) schreibt den für die länderübergreifende Kommunikation der Meldebehörden notwendigen Standard OSCI XMeld verbindlich vor. Das Melderecht verschafft einer Vielzahl von staatlichen Stellen Informationen über verwaltungsrelevante Daten der Einwohner. Mit der Novellierung des Melderechtsrahmengesetzes (MRRG) hat der Gesetzgeber Möglichkeiten geschaffen, E-Government in diesem Bereich umzusetzen. Drei Aspekte sind betroffen. Erstens: Melderegisterauskünfte dürfen über das Internet erteilt werden. Zweitens: Bürger können sich über das Internet anmelden, und bei Umzügen im Inland entfällt die Abmeldepflicht. Drittens: Die Datenübermittlung zwischen Meldebehörden wird automatisiert.
In diesem hoheitlichen Bereich hat die Datensicherheit höchste Priorität. Die Einhaltung der Vorschriften des novellierten MRRG bezüglich elektronischer Signaturen und Datenschutz muss sichergestellt sein. Um eine wirtschaftliche Umsetzung dieser Vorgaben zu gewährleisten, müssen die technischen Komponenten zur automatisierten Datenübermittlung bei den Meldeämtern aufeinander abgestimmt werden. Durch eine hersteller- und produktunabhängige Standardisierung der Datenübermittlung auf technischer und inhaltlicher Ebene werden die Kosten für DV-Schnittstellen gesenkt.
Mit OSCI XMeld liegt der erste bundesweit abgestimmte Teil von OSCI vor, durch den Inhaltsdaten normiert werden. OSCI XMeld standardisiert Nachrichten des Meldewesens mit dem Ziel, die automatisierte Datenübermittlung zwischen den diversen heterogenen IT-Systemen in Ländern und Kommunen zu ermöglichen. Das Projekt OSCI XMeld hat in einem offenen Prozess unter Beteiligung aller interessierten Stellen die vordringlich zu realisierenden Nachrichten des Einwohnerwesens standardisiert. In der aktuellen Version 1.1 wurden folgende Geschäftsvorfälle umgesetzt: Rückmeldungen und die Fortschreibung des Melderegisters, Anmeldungen über das Internet, Datenübermittlungen von und an andere Behörden sowie einfache Melderegisterauskünfte.
Die sichere und nachvollziehbare Übermittlung der Nachrichten erfolgt über das Protokoll OSCI Transport. Auf der Basis bewährter internationaler Standards, insbesondere XML Encryption (für Verschlüsselung) und XML DSig (für digitale Signatur) wurden die Datenstrukturen und Nachrichtenformate so definiert, dass sie den Anforderungen der in Deutschland und Europa geltenden Normen genügen. Auf dieser Basis können fachspezifische Nachrichtenstrukturen definiert werden, die sich der durch OSCI Transport zur Verfügung gestellten Mechanismen bedienen. Ein Beispiel dafür ist OSCI XMeld. Darin werden die im Meldewesen benötigten Nachrichten auf herstellerunabhängige und plattformneutrale Weise auf der Basis von XML Schema definiert. Auch bezüglich der einzuhaltenden Datenschutz- und Datensicherheitsanforderungen nutzt OSCI XMeld die von OSCI Transport bereitgestellten Mechanismen.
Vor dem Hintergrund der mit dem E-Government verfolgten Ziele wurde schon 2001 die OSCI-Leitstelle in Bremen damit beauftragt, Standard-Nachrichtenstrukturen für das Meldewesen zu erarbeiten. Nach zwei erfolgreich abgeschlossenen Projekten (OSCI XMeld 1.0 und 1.1) hat mittlerweile die Arbeit an OSCI XMeld 1.2 begonnen.
Das Projekt OSCI XMeld hatte mehrere initiale Aufgaben. Erstens sollte ein grundlegendes, strukturiertes Informationsmodell auf der Basis des so genannten Datensatzes für das Meldewesen (DSMeld) erarbeitet werden. Zweitens ging es um die Priorisierung der wichtigsten Bereiche des Meldewesens, die für E-Government in Frage kommen (Nachrichtenhauptgruppen des XMeld), zum Beispiel Anmeldungen über das Internet sowie einfache Melderegisterauskünfte. Drittens galt es, Prozessmodelle für die ausgewählten Nachrichtenhauptgruppen (zum Beispiel die Online-Anmeldung) zu entwickeln und die in den Prozessmodellen identifizierten Nachrichten zu erarbeiten.
Für diese Aufgaben bei OSCI XMeld wiederum wurden bestimmte Verfahren zur Modellierung, Schemagenerierung und Dokumentation ausgewählt. Im Rahmen einer fachlichen Analyse wurde zunächst mit dem Werkzeug Rational Rose ein UML-basiertes Informationsmodell erstellt. Dazu war es erforderlich, die DSMeld-Basis (die Bibel des Meldewesens, zirka 150 Felder mit definierter Semantik, allerdings redundantem Aufbau ohne Beziehungen zwischen den Feldern) zu analysieren und Abstraktionen zu erstellen, die dann als Klassen dargestellt werden konnten. Dazu gehören Name, Vorname, Geburt, Familienstand und Wohnung. Als Einstieg in die Nachrichtenmodellierung eines bestimmten Bereichs des Meldewesens (zum Beispiel Anmeldung) hat die Projektgruppe wesentliche Anwendungsfälle erarbeitet, die dann als Use Cases dargestellt wurden. Auf dieser Basis entstanden Prozessmodelle (Aktivitätsdiagramme im Sinn der UML), die die zu modellierenden Nachrichten enthalten. Die identifizierten Nachrichten wiederum wurden als Klassen formalisiert und nutzen das beschriebene Informationsmodell. Ergänzende Informationen - unter anderem über die Semantik der Klassenattribute sowie Schlüsseltabellen - sind in einer relationalen Datenbank hinterlegt.
Modellierung, Schemagenerierung und Dokumentation des OSCI XMeld-Projektes unterstützt das Tool-Framework XGenerator. Das erarbeitete Modell, das im proprietären Format des UML-Werkzeugs Rose von IBM vorliegt, dient als Basis für die Schema- und Dokumentationsgenerierung. Als Vorstufe hat es sich als sinnvoll erwiesen, das Rose-Modell im XMI-Format (XMI: XML Metadata Interchange) zu exportieren, um ab dann XML-Technologien für die Weiterverarbeitung einsetzen zu können. Dazu wird das XMI-Add-in von Unisys genutzt, da Rose den XMI-Export bisher nicht direkt unterstützt.
Der in Java entwickelte XGenerator liest die XMI-Datei mit den Modellinformationen und erzeugt Schemata. In UML und nicht direkt auf XML-Schema-Ebene zu modellieren, bringt wesentliche Vorteile. Erstens sind bei unverändertem UML-Modell zu einem späteren Zeitpunkt durch Anpassung des XGenerators ein anderer Schema-Guideline oder auch andere Schemasprachen realisierbar. Und zweitens muss sich die Projektgruppe nur mit einer Modellierungsmethode auseinandersetzen.
Bereits in einer sehr frühen Phase des Projektes OSCI XMeld 1.0 fiel die Entscheidung, die Ergebnisse vollständig in DocBook zu dokumentieren. DocBook ist eine Dokumenttypdefinition (DTD), die das Schreiben strukturierter Dokumente auf XML- oder SGML-Basis erlaubt. Um die Möglichkeiten von DocBook auszuschöpfen, sind alle Kommentare im UML-Modell und der Datenbank DocBook-konform erstellt. Darüber hinaus wurde Scalable Vector Graphics (SVG) als Format für die graphisch zu dokumentierenden Schema-Definitionen ausgewählt.
Frank Steimke hat den Standard OSCI entwickelt und koordiniert als Chef der OSCI-Leitstelle in Bremen darauf beruhende Projekte.
Ullrich Bartels ist unabhängiger Methodenberater und Softwarearchitekt.