Mit Bauch und Rechner hochrechnen

15. September 2005, 0:00 Uhr |
Während vorn moderiert wird, arbeiten in Wahlstudios im Hintergrund die Rechner. Foto: ZDF

Mit Bauch und Rechner hochrechnen. Am Wahlabend wird das Wahlvolk ab 18 Uhr gebannt den Ergebnissen des Überraschungs-Wahlgangs entgegenfiebern. Doch was geschieht IT-technisch hinter den Kulissen?

Mit Bauch und Rechner hochrechnen

Punkt 18 Uhr schlägt die Sunde der Wahrheit. ARD, ZDF und die private Konkurrenz senden die erste Prognosen über den Ausgang der soeben beendeten Bundestagswahl. Konrad Adenauer konnte es sich bei der ersten Bundestagswahl noch leisten, einfach schlafen zu gehen, um das Ergebnis am nächsten Tag zur Kenntnis zu nehmen. Heute ist der Wahlabend ein Medienereignis, bei dem die Republik mitfiebert. Die Stars des Abends sitzen einige Meter hinter den Sendestudios in Berlin und halten mit ihren PCs Kontakt zu den Rechnernetzen in Mannheim und Hamburg. Bis zuletzt feilen Statistiker am besten Modell für den normalen Stamm- und Wechselwähler für die verschiedenen Bevölkerungsgruppen.
1965 kamen die Fernsehzuschauer zum ersten Mal in den Genuss einer Wahlprognose nach amerikanischem Vorbild. Die ARD hatte Infas in Bonn ins Studio geholt. Infas hat auch heute noch einen ungeheuren Bekanntheitsgrad, Prognosen macht die Firma nicht mehr. Sie ging 1996 in Konkurs. Wichtige Mitarbeiter wechselten zu Infratest Dimap, einem Zusammenschluss der Münchner Firmen Infratest und der Hamburger und Berliner Firma Dimap. Infratest Dimap betreut die ARD sowie die Dritten Programme und den Deutschland Funk. Das ZDF leistet sich mit der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen ein eigenes Prognoseinstitut.
Beide Institute verlagern große Teile ihres wissenschaftlichen Personals und ihrer Rechenpower am Wahlabend in die Fernsehstudios. Direkt hinter den Kulissen laufen über Datenleitungen zunächst die Umfrageergebnisse und später die realen Wahlergebnisse der Behörden auf. Dann gilt es, teilweise im Minutentakt, frische Grafiken zu erzeugen. Die Forschungsgruppe Wahlen überlässt dies dem Silicon-Graphics- Rechner des ZDFs, Infratest Dimap erledigt dies über eine in Open GL geschriebene 3D-Grafik selbst und liefert parallel noch eine XML-Version fürs Web.
ARD und ZDF zahlen jeweils Millionenbeträge, um dem Volk in die Wahlkabine zu schauen. Bei den Privaten sind es lediglich RTL und der Nachrichtensender ntv, die sich bei wichtigen Wahlen über die Berliner Meinungsforscher von Forsa ein eignes Bild der Lage verschaffen. Zeitschriften und Zeitungen beschränken sich fast immer auf Zitate, eigene Aufträge vergeben sie nur in der Vorwahlzeit.


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