Mitgefühlt

12. August 2004, 0:00 Uhr |

Mitgefühlt. Die Computerbranche besteht entgegen weit verbreiteter Ansicht nicht nur aus gefühlsarmen, drögen Geschöpfen, die sich lediglich von Chips und Cola ernähren und statt eines Abendgebets alle http Befehle herunterbeten. Im Gegenteil, sie rühmt sich einer ganzen Latte höchst charismatischer und durch ihre drastischen Gefühlsausbrüche bekannten Persönlichkeiten.

Mitgefühlt

Beispielsweise Steve Ballmer, CEO von Microsoft, dessen neuste Kapriolen erst jüngst in Toronto die 5.000 Teilnehmer der Microsoft-Partnerveranstaltung gespannt erwarteten. Diesmal erfreute er seine Fans zwar nicht mit seinem berühmten Gorillatanz, doch auch die Stepeinlage stellte zumindest Newcomer noch ausreichend zufrieden.

Leider sind derartige Exzesse der unteren Management-Etagen weniger gern gesehen. Mitarbeiter minderer Qualität und Qualifikation müssen sich damit begnügen, ihren Rechner leise zu beschimpfen oder aber ? wie Kollegen berichten, die das Büro mit Mac-benutzenden Kollegen teilen ? die Aktionen ihres Rechengeräts mit beruhigend murmelnder Stimme liebevoll zu begleiten: »Apfel-S ? gut gemacht, Apfel-C ? na wunderbar, Apfel-Q ?und tschüss mein Lieber, bis morgen!«

Ganz neue Dimensionen eröffnen sich jedoch, sollte der neueste Trend der Automobil-Branche auch in der Computerbranche Schule machen: Dort nämlich hat Toyota ? nichts ist unmöglich ? soeben beim Patentamt in Washington die Erfindung von vier Nachwuchsingenieuren angemeldet: Ein Auto, das Gefühle zeigen kann. Nicht die eigenen ? schließlich befinden wir uns nicht im neuen Film von Regisseur Alex Proyas »I, Robot«, sondern im Jahr 2004, in dem US Robotics kein Weltkonzern sondern ein Modemhersteller ist. Nein, das Auto drückt damit die Gefühle seines Fahrers aus: Eine »emotiv intelligente» Software studiert mittels Sensoren die Psyche des Fahrers und lernt seine Reaktionen kennen und vorherzusehen. Diese Empfindungen werden auf die Karosserieoberfläche übertragen: Die kann durch eingebrachte Flüssigkristalle erröten und erbleichen, mit den Schweinwerfern zwinkern, den Kühlergrill fletschen oder freundlich mit der Antenne wedeln.

Welche Erleichterung, wenn dies nun auch endlich im Computeralltag Einzug hält: Keine im Wutanfall zerdepperten Monitore oder Tastaturen mehr, wenn der Internet-Server wieder mal für Stunden unten ist. Keine zerstörte Hardware mehr, denn der Computer übernimmt selbst die individuelle Ausgestaltung der Zornesausbrüche seines Users. Wer kann der Maschinen noch böse sein, wenn dichte Rauchschwaden eindrucksvoll aus dem Kühler dringen? Und beeindruckend auf die Gattin wirkt sicherlich auch ein grimmiges Knurren des Multimedia-Wohnzimmer-PCs, wenn das Bier für den Weltkriegsgeneral oder das Fliegerass nicht schnell genug auf dem Beistelltischchen steht. Alles in allem ein Feld, in dem es sich lohnt, R & D-Gelder zu investieren, da es sich letztendlich kostendämpfend zumindest bei der Anschaffung von neuer IT-Hardware auswirkt. Bleibt nur zu hoffen, dass die so emotionalisierten Computer den Spieß nicht letzten Endes doch noch umdrehen und sich genau wie in der Storysammlung »I, Robot« des Science-Fiction-Gurus Isaac Asimov, schon in fühlende Wesen verwandeln. Schön, wenn Roboter Seelen entwickeln. Doch wer will schon wirklich mit seinem PC stundenlang darüber diskutieren, wie deprimierend die ständig nachlassende Stromqualität ist?


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