Mittelstand in der Liquiditätsfalle. Forderungsausfälle, schlechte Zahlungsmoral, Mängel beim Debitorenmanagement und die Hoffung, der Lieferantenkredit wird es schon richten: Eine gefährliche Mixtur, auf die sich viele deutsche Mittelständler bei ihrer Finanzierung verlassen. Ein »bedrohliches Risiko«, warnt der Kreditversicherer Euler Hermes, dem die Schwarzmalerei nicht ungelegen kommt.
Schon längst übernimmt der Kreditversicherer Euler Hermes nicht mehr das Risiko, Lieferantenkredite zu versichern, wenn es sich hierbei um Firmen aus dem Baugewerbe oder der IT handelt. So steht es im letzten Geschäftsbericht und seither hat sich die Situation kaum entspannt, wenn man den Ergebnissen einer Befragung von 400 mittelständischen Unternehmen glaubt, die der Versicherer veröffentlicht hat.
Knapp 90 Prozent aller befragten Firmen nennt eine mangelnde Liquidität als Hauptgrund für Zahlungsschwierigkeiten. Bei jedem vierten Unternehmen betrage der Forderungsausfall zwischen einem und zehn Prozent des Jahresumsatzes, jede fünfte Firma gibt an, dass ihre Firmenkasse dadurch »erheblich bis stark beeinträchtigt« sei. »Gepaart mit einer traditionell sehr dünnen Eigenkapitaldecke gerade bei kleineren Firmen ist das ein Potential für eine weiterhin hohe Zahl von Insolvenzen«, zieht der Vorstandsvorsitzender von Euler Hermes, Gerd-Uwe Baden, ein düsteres Fazit. Und mehr noch: Selbst ein Anspringen der Konjunktur helfe den kapitalschwachen Firmen dann kaum weiter.
Kettenreaktion Es müssen aber nicht gleich Forderungsausfälle sein, die die Firmen finanziell ins Trudeln stürzen. Wenn Moral - besser gesagt Unmoral - im Wirtschaftsleben überhaupt noch eine Rolle spielt, dann ist sie am Augenfälligsten bei der fristgerechten Begleichung von Rechnungen. Denn die sei laut Euler Hermes bei kleineren Unternehmen besonders schlecht. Kein Wunder, dass fast 30 Prozent aller Firmen auf Zahlungsverzug ihrer Kunden ebenfalls mit verspäteten Zahlungen reagieren.
Die Lieferanten-Bank Viele Unternehmen sparen sich den Weg zur Bank, seit die Institute in der Vergangenheit durch Forderungsausfälle in Millionenhöhe die Daumenschrauben für kleinere Geschäftskunden angezogen haben und nur unter erheblichen Sicherheiten noch Kredite gewähren ? wenn überhaupt. Manche Firmen haben noch nicht einmal die Chance, bei Kreditanfragen ihre Bonität darlegen zu können, wenn sie beispielsweise im IT-Umfeld tätig sind. Selbst bei den explizit den Mittelstand hofierenden Sparkassen und genossenschaftlichen Banken scheint die Neigung nicht besonders groß zu sein, der IT-Branche finanziell unter die Arme zu greifen, wie viele Fachhändler und Systemhäuser gegenüber CRN klagen.
Stattdessen suchen sie verstärkt Rückendeckung bei Kooperationen, Distributoren oder Herstellern und sehen ihre Lieferanten in der Rolle des Finanziers. Eine »deutliche Verschiebung« - weg von kurzfristigen Bankkrediten, hin zu Lieferantenkrediten ? stellt der für das Delkrederegeschäft zuständige Euler Hermes-Vorstand Jochen Dümler fest und warnt vor dieser »gefährlichen Entwicklung«.
Selber schuld? Eine Frage des Marketing Eigentlich müsste Dümler angesichts dieses Trends jubeln, der die Beitragseinnahmen aus der Warenkreditversicherung fast von selbst sprudeln lassen könnte. Doch die Wahrscheinlichkeit des Versicherungsfalls scheint für den zur Allianz-Gruppe gehörenden Versicherer höher zu sein als der mögliche Prämiengewinn. Und diese Abwägung haben die rund 400 befragten Unternehmen zu allem Überfluss auch noch bestätigt. Denn laut Euler Hermes halten 71 Prozent der Firmen ihr Forderungsmanagement für angemessen. Eine Aussage, die nicht so recht passen will angesichts der allgemein schlechten Zahlungsmoral und steigender Zahlungsausfälle.
Opfer der allgemein schlechten Wirtschaftslage oder selber schuld? Letzteres, meint der Versicherer und hält den befragten Firmen eine »unzutreffende Selbsteinschätzung« vor, ja mehr noch: »mangelndes Problembewusstsein«. Das Debitorenmanagement weise gerade bei kleineren Unternehmen »erhebliche Defizite« auf, lautet der Vorwurf an die Unternehmen.
Ein Hinweis, der die Hausbanken der kleineren Firmen weiter aufschrecken dürfte und in erster Linie das Augenmerk auf eine andere Dienstleistung des Versicherers lenkt. Denn mit dem neuen »Frühwarnsystem« Hermes-Bonitäts-Check hofft der Kreditversicherer, im Wettbewerb um Systeme für das so genannte Risk-Management ein zugkräftiges Standbein neben der Delkredereversicherung aufbauen zu können. Da trifft es sich gut, wenn man die aktuelle Studie als repräsentative Erhebung »für alle Firmen in Deutschland mit einem Umsatz von mehr als einer Million Euro« vorstellt.