Mobility ist zum Zauberwort für den Geschäftserfolg geworden. Doch wie weit ist sie in den Unternehmen tatsächlich verankert? Dazu Dr. Andreas Böhm, Leiter des globalen Delivery-Centers für mobile Lösungen im Bereich Systems-Integration bei T-Systems.
funkschau: Herr Dr. Böhm, wie stark ist die Mobilisierung von Prozessen in der Praxis vorangeschritten?
Andreas Böhm: Viele Unternehmen spüren latent, dass sie zum Thema Mobility aktiv werden müssen, weil jeder davon spricht und die Vorteile unbestritten sind. Sie wollen gegenüber dem Wettbewerb nicht ins Hintertreffen geraten und zudem auf ihre Mitarbeiter eingehen, die die mobilen Dienste, die sie aus ihrem privaten Umfeld gewohnt sind, verstärkt auch in der geschäftlichen Umgebung nutzen möchten.
Trotzdem haben erst wenige Unternehmen ihre IT-Infrastruktur und die Prozesse fit für die Mobilisierung gemacht. Nach einer Studie der IDC-Marktforscher von 2012 haben 53 Prozent der Unternehmen in Deutschland noch keine Mobility-Strategie entwickelt. In einigen Fällen beschränkt sich das Thema noch auf die Ausstattung der Mitarbeiter mit Smartphones, die einfach nur E-Mail-Zugang bieten. Andere Unternehmen sind da schon einen Schritt weiter und haben erste Machbarkeitsstudien für mobile Lösungen in den Fachabteilungen gestartet oder einzelne mobile Applikationen in ihre IT-Umgebung integriert. Auch mehren sich die Betriebe, in denen bereits Arbeitsgruppen oder Kompetenzzentren installiert wurden, die die entsprechenden Anforderungen der Fachbereiche kanalisieren und das Thema in der IT vorantreiben sollen. Von einer fundierten Mobility-Strategie jedoch kann auch da keine Rede sein.
funkschau: Woher rührt die aktuelle Zurückhaltung beim Thema Mobility?
Böhm: Insgesamt herrscht in den Unternehmen noch eine große Unsicherheit. Für die IT-Abteilungen bedeuten mobile Endgeräte, Dienste und Apps ein hohes Investitionsrisiko, da diese extrem kurzen Lebenszyklen unterliegen. Sie haben Bedenken wegen der Kosten und fragen sich, ob sich die Anschaffungen amortisieren. Hinzu kommt, dass die Integration der mobilen Lösungen in die zentralen Backend-Systeme ein sehr komplexes Thema ist und hohe Sicherheits- und Performanzanforderungen stellt. So müssen Geschäftsprozesse, die bisher in sicheren Intranets laufen, über das Internet auch mobilen Geräten zugänglich gemacht und vor unbefugten Zugriffen geschützt werden. Gleichzeitig gilt es, den Datenverkehr zwischen Backend- und mobilen Anwendungen zuverlässig zu steuern und die Offline-Fähigkeit der mobilen Geräte für Fälle zu gewährleisten, wenn unterwegs keine Funkverbindung besteht.
Die Fachabteilungen wiederum bewegt die Frage, bei welchen Prozessen sie ansetzen sollen, damit sich eine Mobilisierung für sie überhaupt lohnt. Hierauf kann es nur eine Antwort geben: Wichtig ist, dass die Produktivität durch mobile Prozesse steigt. Stichwort Mobile-Productivity. Dies kann den Einkaufsverantwortlichen eines Unternehmens betreffen, der sich auf einer Dienstreise befindet und schnell eine Bestellung genehmigen muss, damit sein Unternehmen aktuelle Sonderkonditionen eines Lieferanten nutzen kann. Ebenso steigt die Leistungsfähigkeit eines Service-Mitarbeiters, der vor Ort aktuelle Lagerbestandsdaten nutzt, um den Kunden ohne Zeitverlust und Mehraufwand helfen zu können.