Nachahmer kopierten laut Initiator Aktion Plagiarius ungeniert erfolgreich am Markt etablierte Produkte. Die Konzepte seien unterschiedlich, der Schaden für die betroffen Markenhersteller bleibe jedoch gleich. So würden manche Firmen von ihren Designern die Trendstores durchforsten und die erfolgreichsten Produkte als Vorlage einkaufen lassen. Die Plagiate sollen dabei möglichst genauso aussehen, allerdings würden sehr bewusst unwichtige Produktdetails geändert, in der Hoffnung dann juristisch nicht belangt werden zu können. Andere Firmen, zum Beispiel aus Großbritannien (siehe aktuelle Plagiarius-Preisträger), kommunizieren dagegen sehr offen ihre vermeintliche "Robin-Hood"-Strategie: "Wir bieten hochwertige Reproduktionen, hergestellt nach den gleichen Standards wie die Originale. Tolles Design für alle bezahlbar." Die gelieferten "Schnäppchen" seien in Bezug auf Materialien und Verarbeitung extrem minderwertig, ihren noch so billigen Preis also nicht wert. Wiederum andere Nachahmer sind schlichtweg ideen- aber nicht skrupellos.
Immer häufiger würden die Nachahmer aus dem direkten Umfeld kommen und bei erfolgreichen Wettbewerbsprodukten gezielt die Existenz von gewerblichen Schutzrechten prüfen. Sind keine eingetragen, würden fremde Design- und Techniklösungen kopiert und als eigene Leistung verkauft. Das belegten sowohl die Erfahrungen der Aktion Plagiarius als auch des Branchenverbandes VDMA. Auch laut aktuellem "VDMA-Produktpiraterie-Bericht 2020" werden Plagiate häufig von Wettbewerbern oder aber von ehemaligen Geschäftspartnern - Lieferanten, Produktions- oder Vertriebspartner - in Auftrag gegeben beziehungweise vertrieben. In dem VDMA-Bericht war China mit 61 Prozent Ursprungsland Nr. 1 von Plagiaten. Gleichwohl folgt zum wiederholten Mal Deutschland mit 19 Prozent auf Platz 2. Neu auf Platz 3 mit 12 Prozent: Russland.
Im Jahr 2016 belief sich der globale Handel mit gefälschten Waren laut einer Studie von OECD und EUI-PO auf 460 Milliarden Euro, das heißt rund 3,3 Prozent des weltweiten Handels. Um die Risiken der Strafverfolgung zu minimieren und ihre Gewinne zu maximieren, würden professionelle Fälscherringe ihre Tätigkeitsfelder diversifizieren. Sebastian Fiedler, Vorsitzender des BDK Bund Deutscher Kriminalbeamter, bestätigt in einem Interview mit Deutschlandfunk Kultur, dass es "viele illegale und kriminelle Märkte gebe, die unfassbar groß seien: Drogen, Produkt- und Markenpiraterie, gefälschte Arzneimittel, Umwelt- und Internetkriminalität". Die Fälscher nutzten vorhandene Strukturen und setzen für den globalen Vertrieb auf Internet, Social Media und Messenger-Dienste. Auch in Coronazeiten gelte Hochjunktur für Fälscher: Jüngst nahm die chinesische Polizei einen Fälscherring fest, der statt Impfstoff wirkungslose Kochsalzlösung in Ampullen abgefüllt hatte. Und Interpol warnt, dass derzeit keiner der zugelassenen Impfstoffe online zum Verkauf angeboten wird. "Wer im Internet beworbenen Impfstoff kauft, setzt sich einem hohen Risiko aus und gibt sein Geld organisierten Kriminellen."
Laut EU-Kommission haben die europäischen Zollbehörden 2019 an den EU-Außengrenzen mehr als 41 Millionen rechtsverletzende Produkte mit einem Wert von über 760 Millionen Euro beschlagnahmt. Zu den Hauptursprungsregionen gehören unter anderem China, Hong Kong und die Türkei. Eine Vielzahl der beschlagnahmten Produkte sei auf kleine Paketsendungen zurückzuführen, die auf Online-Bestellungen basieren. Nach wie vor ist auch der Seeweg ein wichtiger Kanal für den Versand gefälschter Waren. Aus einer aktuellen Studie des EUIPO und der OECD über internationale Containertransporte geht hervor, dass nur weniger als 2 Prozent aller Container physisch kontrolliert werden (können), was kriminellen Netzen erhebliche Möglichkeiten bietet, diesen Lieferkettenkanal zu missbrauchen. In dem Bericht wird die Arbeit der Zollbehörden ausdrücklich gelobt. Es wird aber auch darauf hingewiesen, dass die aktuellen Ressourcen des Zolls und die technische Ausstattung, zum Beispiel an modernen Such- und Kontrolltechniken zur Erkennung von Fälschungen, nicht ausreichen um den gestiegenen Bedrohungen und dem erhöhten Gesamthandelsvolumen effektiv zu begegnen. Laut Christian Archambeau, Exekutivdirektor des EUIPO, müsse die Bekämpfung von Fälschungen deutlich mehr Priorität erhalten.
Frank Buckenhofer, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, Bezirk Zoll, sagte: "Produktfälschungen sind kein Kavalierdelikt, sondern ein attraktives Feld für die Organisierte Kriminalität. Die diesjährigen Preisträger des Plagiarius-Wettbewerbs zeigen wieder, mit welch krimineller Energie und Professionalität hier hochtechnische und innovative Produkte gefälscht und hohe Investitionen der Origi-nalhersteller vernichtet werden. Voraussetzung, um die Verbraucher vor diesen gefährlichen Plagiaten und die legale Wirtschaft zu schützen, ist eine bessere strukturelle und personelle Aufstellung des Zolls. Zudem muss der Gesetzgeber mit regulativen Maßnahmen dafür Sorge tragen, dass die illegalen Geldströme und Schmuggelwege der Organisierten Kriminalität trockengelegt werden. Keinesfalls dürfen hier zusätzliche Anreize für den illegalen Handel, beispielsweise durch unterschiedliche Produktbesteuerung innerhalb der EU, geschaffen werden."