Der Mensch braucht das Internet für das sozialen Miteinander, wie die Luft zum Atmen und das Wasser zum Trinken. Oder etwa doch nicht?
Die deutsche Justiz hat das Internet in den Status der Lebensgrundlage erhoben. Nach Wasser, Brot und Strom darf der Bundesbürger jetzt also auch auf sein Recht auf Spam-Mails, personalisierte Werbung und natürlich Farmeville pochen.
Hintergrund des Urteils: Hubert K. (Name durch Kopfnuss verfälscht bzw. frei erfunden) konnte sage und schreibe zwei Monate lang nicht auf seinen heimischen Internetanschluss zugreifen. Grund genug im deutschen Rechtsstaat vor die höchste Instanz zu ziehen und Schadensersatz für die verlorene Online-Zeit einzuklagen. Denn immerhin musste der Geschädigte nicht nur auf ein quälend langsames Mobilnetzwerk zurückgreifen, sondern auch vom Versand der festtäglichen E-Cards an die ganze Familie absehen. An diesem Punkt scheint es geradezu wohlwollend, dass die psychischen Langzeitschäden in dem Urteil außen vor gelassen wurden. Nichtdestotrotz gab der Senat des Bundesgerichtshofes Herrn K. Recht und gestand dem Internet zu, dass es für die »eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise von zentraler Bedeutung ist«. Während in anderen Teilen der Welt nicht einmal die Grundversorgung mit reinem Wasser gesichert ist, darf der Bundesbürger also darauf beharren, dass die 100Mbit/s-Verbindung für den allabendlichen Online-Stream ohne Aussetzer steht.
Wo das Internet nun also als Lebensgrundlage gilt, muss die Politik offen über pränatale Facebook-Accounts und die Integration in einen Grundstock sozialer Netzwerke mit dem Kindesalter nachdenken. So lässt sich in einer nicht allzu fernen Zukunft, neben den putzigen Kinder-Schühchen und dem Bobby-Car, ein WLAN-fähiger Router auf dem Gabentisch der Baby-Party finden. Und wie sieht es mit Zugezogenen aus? Vielleicht wird der Fernseher als Empfangsgeschenk endlich von einem High End-Ultrabook mit vorgeschriebenem DSL-Anschluss abgelöst. Denn bei genauer Betrachtung muss sich der Bundesgerichtshof doch fragen, ob sich der mündige Bürger über die Gefahren eines Offline-Lebens bewusst ist. Der sozialen Isolierung kann also nur durch die »Zwangsverglaskabelung« und die Kamelle-artige Verteilung von LTE-Sticks unter allen 82 Millionen Deutschen zuvorgekommen werden. Langfristig und ganz objektiv betrachtet sind andere Wege der Kommunikation in einer Gesellschaft 2.0 kaum noch denkbar.