Oracle hinter den Kulissen: Leinen los, Larry!

12. August 2004, 0:00 Uhr |

Oracle hinter den Kulissen: Leinen los, Larry!. Oracle kann auf ein gutes Fiskaljahr in Deutschland zurücksehen: Softwareerlöse und Gewinn sind gestiegen, auch wenn der Umsatz von 446 auf 430 Millionen Euro leicht gefallen ist. Dennoch kämpft die Ellison-Company mit widrigen Winden: Und zwar sowohl im Traditionsgeschäft Datenbanken als auch im ERP-Segment. Und die Kurskorrekturen werden nur zögerlich und mit Verspätung vorgenommen.

Oracle hinter den Kulissen: Leinen los, Larry!

Co-Autor: Dr. Jakob Jung
Grundsätzlich ist Oracle im Kerngeschäft mit Datenbanken erfolgreich unterwegs. Die Ellison-Company hat im vierten Quartal des Geschäftsjahres 2004 bei einem Umsatz von 3,1 Milliarden Dollar einen Nettogewinn von 990 Millionen Dollar erzielt. Der Umsatz mit Neulizenzen bei Datenbanken wuchs um 15 Prozent.

Und doch hat das Unternehmen in den letzten drei Jahren Marktanteile verloren. Den Zahlen der Gartner Group zufolge hatte die Ellison-Company 2000 noch 33,8 Prozent des Marktes, 2003 waren es noch 32,6 Prozent. Kein dramatischer Rückgang, aber auch kein Vergleich mit der Dynamik von Microsoft, das seinen Marktanteil im gleichen Zeitraum von 14,9 auf 18,7 Prozent nach oben schraubte. Die Gründe sind klar: Durch die breite Partnerbasis ist den Redmondern der Erfolg bei mittelständischen Kunden zugefallen, während sich Oracle mit weniger Partnern lieber auf Großunternehmen fokussierte: Das ist zwar margenträchtig, doch dieser Markt ist eben mittlerweile abgegrast, neue Kunden nicht in Sicht. Und mittlerweile drängt auch IBM mit der Xpress-Version der Datenbank DB2 in den Mittelstand.

Weitere Probleme für die Ellison-Company sind die hohen Preise und die komplexen Lizenzen, von denen sich manche Kunden überfordert fühlen (siehe Kasten).

Immerhin hat das Unternehmen nun erkannt, dass etwas getan werden muss und einige viel versprechende Initiativen eingeleitet, um mit neuen Partnern auch kleinere Kunden zu erreichen. Der Distributor Tech Data Midrange will mit der soeben gestarteten »Go?n Grow«-Initiative die Einstiegshürde für Partner senken. »Wir rechnen mit einem Potenzial von etwa 200 Händlern, die unsere Schulungsangebote wahrnehmen«, erklärt Uwe Stein, Director Marketing Communications bei Tech Data Midrange. Er kalkuliert, dass Interessenten sich bis zu zwölf Monate schulen lassen müssen, bis sie in der Datenbank-Technologie firm sind. Auch Actebis arbeitet an einer ähnlichen Kampagne wie TD Midrange, die Details stehen aber noch nicht fest.

Ebenfalls positiv für den Channel: Oracle hat vor, die bisher exklusiv mit Dell vertriebenen Bundles aus Hardware-Server und der Einstiegsdatenbank Standard Edition One auch für andere Hersteller zu öffnen. »Standard Edition One wird mit seinem attraktiven Preis im Mittelstand sehr gut aufgenommen«, berichtet Silvia Kaske, Director Channel Sales & Alliances bei Oracle. Der Dell Power Edge Server mit vorinstallierter Standard Edition One ist für 6.700 Dollar erhältlich. Diese Preistransparenz schätzt Stein: »Dass die Kunden sich so ein Bild von den Kosten machen können, ist der Hauptvorteil für den Handel, den solche Bundles bieten.« Für Oracle als Mittelstands-Datenbank spricht in seinen Augen vor allem die höhere Leistungsfähigkeit und die im Preis enthaltenen Services.

Diese Partner-Initiativen, gepaart mit attraktiven Preisen, lassen die Perspektiven für Oracle, seine Datenbanken auch im Mittelstand besser zu vermarkten, durchaus positiv erscheinen. Selbst Paul Flessner, Senior Vice President, Server Platform Division bei Microsoft, traut Oracle eine Aufholjagd zu: »Unser SQL Server 2005 wird erst nächstes Jahr fertig: Oracle hat heiße, neue Produkte auf den Markt gebracht.« Auch Christian Antogini, Consultant bei Trivadis, erwartet, dass sich viele Kunden zu einem Upgrade auf die neue Datenbank-Version 10 g, sobald in Kürze der erste Patch verfügbar ist.

Oracle im ERP-Markt ? morgen, nur nicht heute

Während der Name Oracle zumindest in Deutschland fast schon als Synonym für Datenbanken steht, ist der Erfolg des Unternehmens im ERP-Segment eher kläglich. Lediglich etwas mehr als 300 Kunden setzen in Deutschland die ERP-Lösung »E-Business-Suite« von Oracle ein. Viele von ihnen sind Tochterunternehmen amerikanischer oder englischer Unternehmen. Im Ausland erfreut sich die ERP-Sparte der Ellison-Company nämlich deutlich größerer Beliebtheit als in Deutschland, wo das Neukundengeschäft Oracle-Partnern zufolge extrem schleppend läuft. »Der deutsche ERP-Markt ist sehr stark von SAP dominiert«, formuliert Kaske das Problem. 5.770 Firmen arbeiten in Deutschland mit Lösungen der Walldorfer.

Das ist aber nicht die einzige Hürde, die Oracle überwinden muss, um als ERP-Player im deutschen Markt wahrgenommen zu werden. »Inzwischen sind sich viele Anwender bewusst, dass Oracle mehr zu bieten hat als Datenbanken. Die meisten kennen aber nur einzelne Module der E-Business Suite wie CRM oder Financials. Dass ein komplettes Angebot vorliegt, wissen die wenigsten«, erklärt Frank Schönthaler, Geschäftsführer des Oracle-Partners Promatis und Sprecher der Deutschen Oracle-Anwendergruppe, DOAG. Seit Jahren schon fordern die Partner mehr Marketingaktivität von Oracle.

Wenig hilfreich ist außerdem, dass das Unternehmen aus dem kalifornischen Redwood zwar in mehr oder minder regelmäßigen Abständen ankündigt, sich stärker im ERP-Markt engagieren zu wollen, bislang aber noch keine klare Strategie nach außen kommuniziert hat. Das Gezerre um die Peoplesoft-Übernahme, das die Branche bereits seit einem Jahr mit sinkendem Interesse beobachtet, und die umstrittene Figur des CEO Larry Ellison sorgen ebenfalls nicht für Vertrauen unter deutschen Anwendern.

Nische Mittelstand

Vor allem der deutsche Mittelstand ist Ellison gegenüber skeptisch eingestellt, wie Insider berichten. Und ausgerechnet dort sieht Oracle die Nische, in der sich der Hersteller unbehelligt von einer SAP etablieren kann.

»SAP bei Großkonzernen verdrängen zu wollen, ist natürlich schwierig. In 30 Prozent der mittelständischen Unternehmen allerdings ist SAP überhaupt nicht vertreten«, freut sich Kaske.

SAP selbst gibt 2.450 deutsche Mittelstandskunden an. Es beunruhigt Oracle scheinbar nicht, dass sich in diesem Bereich auch andere, nicht weniger namhafte ERP-Spezialisten wie beispielsweise Microsoft, tummeln, die immerhin 14.000 deutsche Kunden vorweisen können, und außerdem eine stattliche Anzahl mittelständischer Anbieter. Auch dass Oracle mit seinen Datenbanken eher im Großkundenumfeld zu Hause ist und sich schwer tut, im Mittelstand Fuß zu fassen, trübt den Optimismus nicht. Der Hersteller ist überzeugt, mit seinem Komplettangebot, einer durchgängigen Plattform und niedrigen Kosten punkten zu können.

Dies gilt vor allem für die im vergangenen Jahr vorgestellte Special Edition, mit der Oracle Unternehmen ab zehn User ansprechen will. Die E-Business-Suite soll den gehobenen Mittelstand adressieren. Genauere Definitionen darf der Hersteller bis zum Abschluss der Peoplesoft-Übernahme nicht herausgeben, so Oracle.

Bei der Special Edition handelt es sich um eine vorkonfigurierte, abgespeckte Version der E-Business-Suite, die mit den Modulen Finanzen und Logistik inklusive Einführung, geeigneter Hardware und Schulungen für weniger als 100.000 Euro (bei 25 Usern) zu haben ist. Erste Referenzkunden sollen im Laufe des Jahres vorgestellt werden und mit ihnen auch erste, ursprünglich für 2003 angekündigte Branchenlösungen. »Hätte Oracle die Special Edition vor dem Jahrtausendwechsel und der Euroumstellung auf den Markt gebracht, wäre die Firma heute längst ein beachteter Player im ERP-Umfeld«, bedauert Schönthaler die verpasste Chance.

Endlich reagiert der Hersteller und investiert viel Budget in Werbekampagnen mit Referenzkunden. Leider schießt Oracle dabei am Ziel vorbei: Um den deutschen Mittelstand zu überzeugen, werden englische Anzeigen mit Referenzkunden wie Kellogs oder anderen Großkonzernen vermutlich nicht helfen. Dennoch: »Das Bewusstsein, etwas tun zu müssen, war nie so hoch wie heute«, begeistert sich Schönthaler. Auch die Zusammenarbeit mit Partnern habe sich in Deutschland extrem verbessert, seit Promatis ? Partner für alle Oracle-Produktlinien ? 1990 ins Oraclegeschäft eingestiegen ist. »Wir Partner haben den Kontakt zu einem Kunden und können von Oracle bei Bedarf kostenlose Hilfe anfordern. Das war früher anders«, erläutert Schönthaler.

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Lizenzen umstritten

Die Deutsche Oracle-Anwendergruppe (DOAG) hat eine Umfrage durchgeführt, wie Kunden die Lizenzpolitik von Oracle beurteilen. Die Ergebnisse sind nicht eben schmeichelhaft für die Ellison-Company. 70 Prozent der 123 Teilnehmer hatten kein Vertrauen zur Lizenzpolitik von Oracle. 52 Prozent meinten, die Transparenz der Lizenzpolitik des Datenbank-Riesen sei im letzten Jahr schlechter geworden. Nur 44 Prozent fühlten sich von Oracle hinsichtlich der Lizenzierung ausreichend beraten. Eine Unternehmens-Sprecherin nannte die Studie nicht repräsentativ. Immerhin will Oracle neben anderen Maßnahmen eine Schlichtungsstelle für Lizenzfragen einrichten und auf der DOAG-Konferenz im November eine offizielle Stellungnahme abgeben.

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Kommentar

Oracle hat sich neuerdings auf den
Mittelstand eingeschworen. Dennoch steht das Unternehmen der Zielgruppe ein wenig rat- und hilflos gegenüber, die Kommunikation läuft ziemlich an ihr vorbei. Anzeigen auf internationaler Ebene bringen sicherlich Renommée, doch der deutsche Mittelstand ist mit einem englischen Plakat mit Großkundenreferenzen vermutlich nicht zu überzeugen. Oracle hat zu spät damit angefangen, seiner Zielgruppe, den Kunden und Partnern, wirklich zuzuhören. Stattdessen hat das Unternehmen das Image des High-End-Technologie-Konzerns gepflegt. Ein Image, mit dem im Mittelstandsmarkt bestimmt kein Blumentopf zu gewinnen ist.

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INFO

Oracle
Riesstraße 25, D-80992 München
Tel. 089 1430-0, Fax 089 1430-1173
www.oracle.com

DOAG
Tempelhofer Weg 64, D-12347 Berlin
Tel. 0700 113624-38, Fax 0700 113624-39
www.doag.de


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