Porträt: Der Marathon-Mann

2. September 2004, 0:00 Uhr | Martin Fryba

Porträt: Der Marathon-Mann. Seine Beharrlichkeit kommt Ralf Klenk nicht nur beim Laufen zu Gute. Auch als Vorstandsvorsitzender der Bechtle AG hält er zäh am eingeschlagenen Systemhaus-Kurs fest. Wer dem Firmengründer mit zu viel Veränderungen kommt, beißt sich schnell die Zähne aus. Herzliche Abneigung hegt der Schwabe gegenüber Schauspielern in der IT-Branche. Sein straffes Regiment führt er lieber abseits der Öffentlichkeit.

Porträt: Der Marathon-Mann

Gegen Ende zählt er nur noch die Kilometer, quält sich Schritt für Schritt, will ankommen, alle Spannungen längst abgefallen, vergessen der gebrochene Zeh, die Qualen geschluckt. 42,195 Kilometer liegen dann hinter Ralf Klenk. Glückshormone? Fehlanzeige. Aber: frei, mental entspannt, fühlt er sich im Ziel und genießt endlich bei einem Glas Bier das »Gesamterlebnis« eines Marathonlaufs.

Nur wenige Spitzenmanager können Bechtle-Chef Klenk das Wasser reichen. Eiserne Disziplin, Selbstmotivation und der unbedingte Wille zum Durchhalten mögen viele besitzen ? beruflich wohlgemerkt. Klenk zeigt aber auch sportlich diese Eigenschaften, die man braucht, um einen Marathonlauf durchzustehen und offenbar auch um beruflich Erfolge erreichen zu können. Verbissenheit, sagen die einen ein wenig verächtlich und wohl auch neidisch, »Beharrlichkeit« nennt es dagegen Klenk.

Beharrlichkeit. Wer mit dem 47-jährigen Manager ein längeres Gespräch führt, wird dieses Wort immer wieder zu hören bekommen. Es scheint sein Motto zu sein, in privaten wie in geschäftlichen Dingen. »Erfolg hat etwas zu tun mit Beharrlichkeit, mit Dranbleiben, damit, die richtigen Dinge richtig zu tun, und mit Berechenbarkeit.« Doch was ist in der schnelllebigen IT-Branche schon immer richtig oder gar berechenbar?

Ralf Klenk schien zunächst kein Glück zu haben. 1983 schloss er sein Maschinenbaustudium ab, gründete das Ein-Mann-Unternehmen Bechtle GmbH EDV-Technik und nahm später den 15 Jahre älteren Gerhard Schick an Bord, der neben Kapital auch die unternehmerische Erfahrung mitbrachte. Es war das Jahr, in dem IBM gerade den ersten PC mit eingebautem 10-MB-Plattenspeicher auf den Markt brachte. Der damals 25-Jährige hätte beim Computerpionier sicher seine Karriere gemacht, doch als »Vollblutunternehmer« versuchte Klenk zunächst Konstruktionssoftware an professionelle Anwender zu verkaufen ? vergeblich, wie sich bald herausstellte. Mit dem Verkauf von Hardware dagegen hatte der Schwabe mehr Erfolg. Vier Jahre später war Bechtle mit 19 Mitarbeitern ein fest etabliertes Systemhaus in der Region Heilbronn.

Anfang der 90-er Jahre schließlich kamen durch Übernahmen die ersten Bechtle-Standorte außerhalb des Ländles hinzu. Schon damals, als der Hardwareverkauf noch ein einträgliches Geschäft war, verschwanden viele kleinere Systemhäuser von der Bildfläche, da sie in einem boomenden Markt überlebenswichtige Investitionen nicht aufbringen konnten. »Da war uns klar, dass man aus Bechtle mehr machen kann als ein regionales Systemhaus«, erinnert sich Klenk. Gerade noch rechtzeitig schaffte er es, das Unternehmen im März 2000 an die Börse zu bringen und sich 135 Millionen Euro für weiteres Wachstum zu sichern. Ein doppelter Meilenstein, wie sich bald zeigte, da die Euphorie des Neuen Markts zu diesem Zeitpunkt bereits allmählich in Depression umschlug.

Ein solider Kaufmann Schick hielt Klenk den Rücken frei, um die operativen Geschäfte der hinzugekauften Unternehmen auf Bechtle-Kurs zu bringen. Heute zählt das Systemhaus dank weiterer Akquisitionen über 3.200 Mitarbeiter, die in den mehr als 50 dezentral geführten Tochtergesellschaften arbeiten. Und irgendwann im Laufe dieses Jahres wird das unzertrennliche schwäbische Duo auf die Umsatz-Euro-Milliarde anstoßen.

Unbeugsam führen

»Eine zentral organisierte Firma ist mit Befehl und Gehorsam zu führen, ein dezentrales Unternehmen dagegen mit viel Überzeugungskraft«, sagt Klenk. Man kann sich gut ausmalen, dass er beide Führungsstile souverän beherrscht. Für Außenstehende ist es nicht leicht und bisweilen gefährlich, dem Systemhaus-General Klenk Paroli zu bieten. Manche sagen ihm einen militärischen Führungsstil nach. Er dagegen sieht sich als »absolut Team-orientiert«. Ein Widerspruch, der möglicherweise damit zusammenhängt, dass es einer langjährigen Zusammenarbeit mit Klenk bedarf, um sein Vertrauen zu gewinnen. Kein Zufall also, dass die neuen Vorstände Jürgen Schäfer und Gerhard Marz langgediente Bechtle-Mitarbeiter sind. Ihre Berufung stelle sicher, dass »man im zwischenmenschlichen Bereich harmoniert«, sagt der CEO.

Das kann man von der Zusammenarbeit mit den zahlreich geschassten Bechtle-Vorständen, allesamt von außen zum Unternehmen gekommen, wohl nicht behaupten. Zuletzt scheiterte Karl- Heinz Gosmann, ganze drei Wochen Vorstandsvorsitzender der Bechtle AG, am schwäbischen Regiment in Neckarsulm. Gut möglich, dass Gosmann genau das zum Verhängnis geworden ist, was Klenk von einem Spitzenmanager verlangt: »Eine gute Führungskraft muss wissen, was sie will. Und sie muss das, was sie will, mit Nachdruck durchsetzen.«

Sollte Klenk ein Buch schreiben - was ihn übrigens reizen würde - wäre dies natürlich eine Geschichte über Bechtle. Ein guter Lektor würde der ihm vorschwebenden Success-Story freilich ein paar Kapitel des Scheiterns beimischen, um daraus keine Festschrift entstehen zu lassen. Man muss sich ein wenig Klenk´sche Beharrlichkeit aneignen, bis er ein paar Irrtümer zugibt. »Die größten Fehler, die man machen kann«, räumt er denn auch zögerlich ein, »sind falsche Personalentscheidungen.« Erfahrung und Sorgfalt haben Klenk davor nicht bewahren können. Viel wichtiger als solche Fehler zu machen, ist es für ihn aber, sie zu erkennen, zu korrigieren und daraus Schlüsse zu ziehen. Die nämlich, dass neben Klenk und seinem Vorgänger Gerhard Schick, der heute dem Aufsichtsrat von Bechtle vorsteht, nur lang gediente Mitarbeiter geeignet seien, in den Vorstand des Systemhauses aufzusteigen. Das ist die Lehre, die man aus den Versuchen gezogen hat, neue Impulse von außen in den Konzern zu bringen, um »schneller voranzukommen, als wir es ohnehin tun«. Experimente schätzt der Firmengründer nicht, »Sprünge, rasche Kurswechsel«, wie sie offensichtlich sein Vorgänger im Auge hatte, seien mit Bechtle ? und da meint Klenk durchaus sich selbst ? nicht zu machen.

Realist ohne Allüren

Als strahlender Siegertyp, der eine Ein-Mann-Firma zu einem heute 3.200 Mitarbeiter zählenden Unternehmen aufgebaut hat, hätte sich Klenk spätestens bei Bechtles Börsengang präsentieren können. Mit seinem jugendlichen Aussehen wäre er den Kapitänen der New Economy in nichts nachgestanden, die damals Woche für Woche die Titelblätter von Anlegerzeitschriften zierten. Doch der bodenständige Schwabe, der über sich sagt, er sei ein »realistischer Optimist«, kann auf das Rampenlicht der Öffentlichkeit gut und gerne verzichten. Dem Internet-Hype, der alle bis dahin geltenden betriebswirtschaftlichen Grundsätze außer Kraft gesetzt hatte, misstraute er von Anfang an. Man nimmt es ihm ab, wenn er sagt, er habe damals fassungslos neben Infomatec-Gründer Gerhard Harlos gesessen, weil dessen Firma an der Börse schnell zu einem Milliarden-Unternehmen aufgestiegen ist ? mit einer gehörigen Portion krimineller Energie, wie man heute weiß. Damals, als die Schambachs, Haffas & Co ihr Image als geniale Unternehmerhelden über eine bereitwillige Presse pflegten, konzentrierte sich Klenk lieber auf das operative Geschäft bei Bechtle. »Wer sich nach außen darstellen will, sollte den Beruf des Schauspielers wählen oder Politiker werden.« Ein Ratschlag, den andere Topmanager bis heute vorbildlich ignorieren.

Klenk agiert lieber im Hintergrund und hätte dies sicherlich auch weiterhin gerne getan. Es gab schwerwiegende Gründe, warum er nach dem im letzten Jahr angekündigten Rückzug von Bechtle-Chef Gerhard Schick nicht unmittelbar dessen Nachfolge antrat. Nach dem Tod seines Sohnes wollte er es seiner Frau und Tochter nicht zumuten, die eh schon knapp bemessene Zeit für die Familie weiter zu beschneiden. Aber die Führungskrise bei Bechtle hat Klenk kaum eine andere Wahl gelassen als »ja« zum Vorstandsvorsitz zu sagen. Sein Arbeitseinsatz hat sich durch die persönliche Tragödie nicht verändert, sie hat aber Klenks Ansichten über andere Dinge wie Geld relativiert. Viele Menschen, denen Schicksalsschläge erspart bleiben, zeigen Unverständnis und Neid, wenn ein »Reicher« wieder einmal spendet. Negative Erfahrungen, die Klenk zum Nachdenken bewegen. Auch deswegen hält er seine finanziellen Engagements im sozialen Bereich vor der Öffentlichkeit lieber verborgen.


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