Retail: Discounter lösen Flächenmärkte ab. Die ITK-Reseller bekommen von drei Seiten Druck: von preisaggressiven Flächenmärkten, dem Internethandel und branchenfremden Anbietern. Dabei sind die Grenzen zwischen Fachhandel und Retailern längst aufgebrochen. Als neue Gegner zeichnen sich die Discounter ab.
Friedhelm Kleinschmidt ist ITK-Fachhändler »mit viel Kompetenz in der Systemintegration und angehängtem Ladengeschäft«. Im Prinzip ist er mit seinem Kleinbetrieb ganz zufrieden. »Wenn nur nicht so oft Aldi-, Lidl- oder Aral-Kunden bei mir um Hilfe nachfragen würden.« Denn eigentlich hätte er diese Kunden ganz gern schon früher bei sich im Laden gehabt, »nämlich bevor sie ihre Sachen bei den Discountern kaufen«. Dann würde Kleinschmidt seine ganze Überzeugungskunst samt seiner Beratungskompetenz ins Zeug legen, um ins Geschäft zu kommen.
Potenzielle Kunden sehen sich vielleicht die Schaufenster beim Fachhandel an, kaufen aber bei den Billigheimern. Erst wenn das Gerät nicht funktioniert, finden viele den Weg zurück zum Fachhandel. Selbst Flächenmärkte wie Media-Saturn oder auch Fachmärkte wie MediaMax von Electronic Partner, Red Zac von RIC und die Expert-Flächenmärkte spüren den Druck der Internetshops und der branchenfremden Discounter.
Freilich, Schlachten um einen neuen PC bei Aldi gehören der Vergangenheit an (lesen Sie dazu den Artikel auf Seite 16). Lieferant Medion hat dies schon zu spüren bekommen. Es wird nicht mehr gekauft, nur weil Lidl, Penny oder Aldi mal wieder eine neue Preismarke gesetzt haben. Selbst die etwa 260 bis 280 Millionen Euro, die Media-Saturn aus den Herstellertöpfen jährlich für Werbung aufwenden kann, sind nicht mehr das allein selig machende Rezept. Fast könnte man schon die Probleme des ITK-Fachhandels auf die Flächenmärkte projizieren. Auch sie, die Red Zac?s, die MediMäxe oder Saturns haben längst nicht mehr nur das Argument Preis auf ihrer Strategieliste.
Schließlich, so Frank Roebers, Vorstands-Chef bei PC Spezialist AG, »können auch wir über unsere Franchise-Nehmer und Kooperationsmitglieder bei attraktiven Produkten konkurrenzfähige Preismarken setzen«. Gleichwohl sind sich die Verbundgruppenchefs durchaus im Klaren darüber, dass die Stärken des Fachhandels auf ganz anderen Feldern liegen. Differenzierung und Spezialisierung, so Frank Garrelts, Vorstand bei Akcent Computerpartner, sei der Schlüssel zum Erfolg. Dazu allerdings ist Aus- und Weiterbildung nötig. »Auch Systemhausmitarbeiter dürfen sich nicht ewig auf dem einmal Gelernten ausruhen.« Sonst, so Robert Hartel, Geschäftsführer bei Bemi, bleiben die Kunden weg und gehen gleich zu den Märkten. »Retailer müssen ständig auf den Warenumschlag achten. Systemintegratoren hingegen auf ihre Qualifikation«, ergänzt Garrelts. Und Oliver Haubrich, Geschäftsführer Electronic Partner, fügt hinzu: »Service, Innovation, Ambiente und Präsentation, das muss in sich stimmig sein und konzeptionell aufeinander abgestimmt werden.«
Für ihn, der zu seinen Mitgliedern die Franchise-Nehmer der Fachmärkte MediMax ebenso zählt wie die Electronic-Partner-Fachhändler oder auch die Systemhäuser der Marke Comteam, bedeutet Preisaggressivität bei Fachmärkten kein negatives Image, »wenn Service und Kundenbindung immer im Vordergrund stehen«. Ähnlich sieht dies auch Robin Wittland, Geschäftsführungsmitglied der Wortmann AG. »Die Fachhändler haben zweifellos gute Überlebenschancen, vorausgesetzt sie sind in der Lage während des Kundengespräches das zu verkaufen, was nötig ist. Dann kann auch richtig Geld verdient werden.« Denn genau da krankt es bei Großmärkten und den branchenfremden Anbietern. Sie fahren Aktionen ? und mehr nicht. Genau an diesem Punkt muss der Fachhandel ansetzen. Willy Fischel, Geschäftsführer Bundesverband Technik im Einzelhandel, geht sogar noch einen Schritt weiter: »Der Terminator, also Media-Saturn, bekommt Druck von den Lebensmitteldiscountern, den Kaffeeröstern und den Mineralölgesellschaften.« Denn, so Haubrich, die Situation innerhalb der Verkaufskanäle habe sich dramatisch verändert. Während die Fachmärkte mit stagnierenden Erträgen rechnen müssen, können die Discounter leichte Zuwächse verzeichnen. Renner in der Wachstumsskala seien aber die Internetanbieter. Hier drohe dem Fachhandel ein Konkurrent, der künftig immer mehr vom Investitionsvolumen abschöpfen werde.
Für BVT-Funktionär Fischel steht zudem fest, dass es den ITK-Shop oder auch CE-Shop von zehn Jahren kaum mehr gebe. In der Tat ist es mit einem reinen Ladengeschäft nicht mehr getan. Zeiten, in denen die richtige Lage genügte, um das Geschäft florieren zu lassen, sind längst vorbei. Natürlich sichern Spitzenlagen wie die Kaufingerstraße in München oder in Kölns Schildergasse tolle Passantenfrequenzen. Das Maklerunternehmen Kempers zählte an einem Samstag zwischen 12 und 13 Uhr genau 17.460 beziehungsweise 14.895 Passanten in den Einkaufsmeilen in München und Köln. Damit führen diese beiden Städte die Rangliste in Deutschland an.
Also bietet doch die richtige Lage Schutz gegenüber preisaggressiven Discountern? Nur bedingt. Denn wer sein Ladenlokal in einer Toplage eröffnen will, muss auch Topmieten zahlen, wie den Ermittlungen von Kempers zu entnehmen ist. In München sind das in 1a-Lagen bei 100 Quadratmetern Einzelhandelsfläche immerhin 245 Euro pro Quadratmeter. Auch Frankfurt und Stuttgart liegen noch bei über 200 Euro. Erst Köln wartet mit 195 Euro auf. Zwar tendiert der Mietzins in einigen Städten bereits nach unten, doch wer 132 Euro für eine Spitzenlage in Münster oder 102 Euro pro Quadratmeter in Dresden zahlen muss, braucht viele gute Kunden.
Bei solchen Kosten bleibt dem Fachhandel nur noch der Rückzug in die Peripherie übrig. Zumal der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels für 2004 eine Stagnation des realen Einzelhandelsumsatzes bei gleichzeitigem Zuwachs der Verkaufsfläche von 1,8 Prozent auf 113 Millionen Quadratmetern prognostiziert. Davon ist auch der ITK-Fachhandel in voller Breite betroffen. Hinzu kommt in 2004 ein Umsatzniveau, das die Deutsche Bundesbank mit dem von 1999 gleichsetzt. Da wundert es nicht, wenn auch Jürgen Rakow, Vorstands-Chef der Vobis AG, immer wieder die wachsende Zahl der Verkaufsstellen in Deutschland beklagt. Und dabei blickt er nicht nur auf den großen Flächenzuwachs bei dem Ingolstädter Terminator. Gerade die neuen Anbieter bereiten den »gestandenen« Flächen Probleme.
Wie ausgeprägt dies ist, schreiben die Marktforscher der Gesellschaft für Konsumgüterforschung (GfK) regelmäßig fort. Profitierten beispielsweise im April/Mai 2003 Computershops etwa nur elf Prozent am gesamten IT-Umsatz, waren es im Vergleichszeitraum dieses Jahres nur noch acht Prozent. Besser ergeht es schon den Internetshops. Sie konnten ihren Absatz, vor allem wenn man die Jahre 2001 bis 2003 vergleicht, von 17, über 19 bis 21 Prozent erhöhen. Ein leichtes Plus gab es auch bei den Großflächenmärkten, die im Drei-Jahres-Vergleich ihren Umsatzanteil von fünf auf sechs Prozent in 2003 steigern konnten.
Zweifellos wird es in den kommenden Jahren zu einer weiteren Konsolidierung im gesamten ITK-Handelskanal kommen. Davon sind vor allem jene Fachhändler betroffen, die sich nicht rechtzeitig positionieren und spezialisieren. Denn mit Kostensenkungsmaßnahmen ist es bei den meisten Fachhändlern längst vorbei. Dies trifft allerdings auch auf die Fachmärkte zu. Sie müssen ebenso wie der Fachhandel auf Kundenbindung setzen. Da allerdings ist ihnen, vor allem den Discountern, der Fachhandel meilenweit voraus. Vorausgesetzt die Reseller bauen auf Service, Beratung, Präsentation und auf Werbung. »Wer nicht wirbt, wird es künftig immer schwieriger haben«, mahnt Haubrich an. Um dies aber finanzieren zu können, bleibe, so Garrelts, den meisten Händlern nichts anderes übrig, als sich einer Verbundgruppe anzuschließen. Schließlich seien auch die großen Lebensmitteldiscounter aus Kooperationen hervorgegangen.
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