Kopfnuss

Rotationsprinzip: Stündlich eine neue Marke

10. Oktober 2007, 9:20 Uhr |

»Persil bleibt Persil!« An diesen Slogan werden sich ältere Leser gewiss erinnern. Marketingexperten galt er einst als Werbespruch schlechthin, weil er auf den Punkt brachte, was eine gute Marke auszeichnen sollte: Verlässlichkeit und vor allem Beständigkeit.

Doch das ist inzwischen Schnee von gestern. Die alten Gewissheiten haben sich aufgelöst. Aus Raider wurde Twix, der Strom wurde gelb und die Industrie kam auf die Idee, ihre Konsumenten mit immer neuen – bisweilen kuriosen – Kunstworten zu überschwemmen: Celanese, Dawn, Lanxess, Umckaloabo. Jüngste Beispiele sind die Metamorphosen der Chemiesparte von RAG in Evonik und von Karstadt in Arcandor.

Besondere Kreativität beim Erfinden neuer Brands legt die TKBranche an den Tag. Schöpfungen wie Arcor oder Otelo waren nur der Anfang. Inzwischen schießen Marken wie Base, Alice, Congstar, Blau.de oder Simyo beinahe täglich wie Pilze aus dem Boden. Ebenso wie den Tarifdschungel längst kein Mobilfunkkunde mehr durchschaut, so fehlt den Konsumenten inzwischen jeglicher Überblick über die Anbieterlandschaft.

Doch hinter dem Chaos steckt Methode. Daraus macht der neue Telco-Anbieter Tabularasa, der gerade den Einstieg in den deutschen Markt plant, gar keinen Hehl. Das Unternehmen, hinter dem internationale Finanzinvestoren stecken, setzt dem Markendschungel jetzt die Krone auf, und zwar mit der Eintagesmarke. Ja, richtig: Der Newcomer will sein Mobilfunk- und DSL-Angebot tatsächlich jeden Tag mit neuem Markennamen vermarkten. Absurd? »Nein«, sagt Florian Müller- Lüdenscheid, Vice President Sales & Marketing, im Hintergrundgespräch mit CRN. Bei der »rhapsodischen Mediennutzung« der jüngeren Generation, die Tabularasa adressiere, sei die Strategie die einzig effektive. »Wechselnde Reize, verbunden mit einem attraktiven Preis, lösen in dieser Zielgruppe einen stärkeren Kaufimpuls aus als die immergleichen Botschaften klassischer Markenartikler.«

Auf die teuren Dienste von Naming- Agenturen kann Tabularasa verzichten: Das Unternehmen hat die kognitiven und linguistischen Prozesse entschlüsselt, die bei der Suche nach Wortschöpfungen implizit ablaufen, und mit Hilfe einer komplexen Software abgebildet. Per Zufallsgenerator wird täglich ein neuer Name generiert, mit dem der Anbieter jeweils 24 Stunden lang über Radiospots und Online-Banner den Markt penetriert. Nach erfolgreichem Start will das Unternehmen die Frequenz sogar erhöhen und stündlich die Marke wechseln. Paradoxerweise fühlt sich Müller-Lüdenscheid den Werbeleuten alter Schule viel näher, als mancher vermuten mag. Auch der Sales- Manager, der seinen Ansatz »Dialectical Branding« nennt, hält Beständigkeit für die grundlegende Tugend im Marketing. »Aber«, so fragt er zurück, »was ist beständiger als der Wandel?«

Ob ein entsprechendes Rotationsprinzip auch für das Management gilt, ließ der Stratege allerdings offen.


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