Schule und IT: Auf der Suche nach verborgenen Schätzen

17. Juni 2004, 0:00 Uhr |

Schule und IT: Auf der Suche nach verborgenen Schätzen. In Deutschland soll es voran gehen mit dem Bildungsniveau. Doch staatliche Förderung für IT-Equipment an Schulen ist nicht an der Tagesordnung. Systemhäuser, die sich hier engagieren, haben deshalb kein leichtes Leben. Doch wer sich in die Materie vertieft, sozusagen Goldgräbermentalität entwickelt, für den lohnt es sich ? Einfühlungsvermögen, Argumentationsgeschick und die richtigen Kontakte vorausgesetzt.

Schule und IT: Auf der Suche nach verborgenen Schätzen

Nicht erst seit den blamablen deutschen Ergebnissen der Pisa-Studie hat die Politik das Thema Ausbildung zu ihrer Sache gemacht. Doch es ist ein ambivalentes Engagement: Zwar soll das deutsche Bildungswesen so schnell wie möglich genesen, aber gleichzeitig wird an allen Ecken und Enden gespart. »Die Politik fordert einerseits, die IT-Ausstattung an den Schulen zu verbessern, doch gleichzeitig fehlen dort überall die Mittel«, moniert Michael Leiß, Geschäftsführer des Münchner Systemhauses NCL Network Consulting Leiß, der seinen Umsatz nichts desto trotz zu 95 Prozent mit der Ausrüstung von Schulen mit IT-Equipment macht. Davon kann auch Ludwig Herzog, erster Bürgermeister der Stadt Laufen und gleichzeitig als Sachaufwandsträger verantwortlich für die IT-Budgets der örtlichen Grund- und Hauptschule, ein Lied singen: »In den Landratsämtern müssen alle sparen«, konstatiert er. So hat er für die Erstausstattung seiner Laufener Schulen mit zwei IT-Räumen zwar Fördergelder erhalten, bei der Zweitausstattung war seine Gemeinde schon ganz auf sich gestellt. Aber wie dieses Beispiel belegt, tun sich immer wieder Geldtöpfe auf, aus denen Schulen speziell für ihre IT-Ausstattung schöpfen. Denn der Druck für die Schulen, in neue Technologien zu investieren ist, getrieben durch die Anforderungen der Wirtschaft, immens.

Einer Bestandsaufnahme des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im vergangenen Jahr zufolge waren 95 Prozent der bundesdeutschen Schulen bereits mit PCs ausgestattet, 69 Prozent der Schulen verfügt über ein serverbasiertes Netzwerk. An den insgesamt 30.440 deutschen Schulen waren 852.089 stationäre und mobile Computer im Einsatz. Das klingt beeindruckend, bedenkt man jedoch, dass in der Regel 20, 40 oder 50 Computer für Hunderte von Schülern reichen müssen, relativieren sich diese Zahlen und es wird klar, dass dieser Markt noch viel Potenzial birgt.

IT-Ausstattung ist inzwischen in allen vier deutschen Schulgruppen ? Grund-, Haupt- und Berufsschule sowie Gymnasien ? obligatorisch. Wobei paradoxerweise Gymnasien in Sachen IT-Ausstattung das Schlusslicht bilden: Denn im Gegensatz zu den anderen drei Schulformen, wird dort IT nicht als Pflichtfach unterrichtet, sondern nur auf rein freiwilliger Basis angeboten. Ebenso willkürlich ist die IT-Ausbildung der Lehrer, die sich ebenfalls nur freiwillig EDV-Kenntnisse aneignen: Es existieren weder Studiengänge an den Universitäten für EDV im Lehramt noch Abschlüsse.

Wie kommt ein Fachhändler mit einer Schule ins Geschäft?

Das Business mit Schulen ist geprägt von Geldmangel und Geldgerangel. Darauf muss sich ein Systemhaus einstellen, das in diesem Segment tätig sein will. So verläuft beispielsweise schon der Entscheidungsprozess, welche IT-Ausstattung angeschafft werden soll, bei Schulen völlig anders ab als bei Industrie-Unternehmen. »Da herrscht oft hoffnungsloser Kompetenz-Wirrwarr«, weiß PRM Tec-Geschäftsführer Mathias Pirchl, Anbieter eines mobilen Klassenzimmers, der über einen reichen Erfahrungsschatz mit Schulgeschäften verfügt.

Bei privaten Bildungsinstituten ist der Direktor für derartige Budgets zuständig. Für öffentliche Schulen werden Aufträge für IT-Equipment prinzipiell über Ausschreibungen vergeben ? über beschränkte, bei der nur einige wenige Firmen adressiert werden oder auch unbeschränkte, bei der sich jeder Interessent über die üblichen Medien und Ämter bewerben kann. Allen gemein ist jedoch, dass das umständliche Handling damit bereits für viele zur Geduldsprobe wird. Da diese Art der Angebotseinholung ursprünglich für das Bauwesen entwickelt wurde, muss sich der EDV-Fachhandel nun mit Vorschriften herumschlagen, die für ihn teilweise völlig sinnlos sind.

Verantwortlich für die Inhalte der Ausschreibungen ist meist der EDV-Fachmann der Schule ? ein Lehrer also, der sich der Thematik angenommen hat. Zusammen mit dem Budget-Verantwortlichem, dem sogenannten »Sachaufwandsträger«, der im Schulamt oder Landratsamt sitzt, diskutiert er die IT-Bedürfnisse seiner Schule: Was wird gebraucht ? gemessen an der Schülerzahl, der Fächeraufteilung etc. Pirchl zufolge kann es jedoch durchaus vorkommen, dass je nach Schule auch mal alle Lehrer zusammen gerufen werden, um den Leistungskatalog zu definieren. Dass dies nicht unbedingt zu schnellen, klaren Entscheidungen führt, leuchtet ein. »Für Hardware ist die Kommune zuständig, für die Software die Schule«, erklärt auch Bürgermeister Herzog. Je nach Know-how dieses Gremiums ? und je nach Einsichtigkeit des Lehrerkollegiums ? werden auch regionale IT-Dienstleister hinzu gezogen, die zusätzlich fachlich beraten.

Bei der Ausschreibung life dabei

Bei der Erstellung der Ausschreibung, sollte ein Systemhaus bereits auf der Matte stehen, wenn es im Schul-Business erfolgreich sein will. Denn erfahrungsgemäß reicht das Know-how der Lehrer bei weitem nicht aus, um beispielsweise ein komplexes, genau auf die Bedürfnisse der Schule zugeschnittenes IT-Netzwerk zu planen. IT-Dienstleister wissen, welche Ausstattung Sinn macht, was sie kosten darf und in welchem Kostenrahmen sich das Projekt bewegt. Denn schließlich geht es nicht nur um die Anschaffung der Hard- und Software, sondern auch darum, anschließende Betreuungskonzepte wie Administration und Wartung zu gewährleisten. »Ich sähe es gern, wenn wir mehr an der Ausschreibungserstellung mitwirken könnten«, wünscht sich Leiß. Das funktioniere im Augenblick jedoch nur bei Bestandskunden.

Es ist demnach eklatant wichtig für ein Systemhaus, gute Kontakte zu den Verantwortlichen der Schulkunden, im Idealfall auch zu dem Ansprechpartner im Landratsamt aufzubauen und zu pflegen. »Nur der wird als Berater für die Erstellung der Ausschreibung herangezogen werden, der die Schulen wissen lässt, dass er auch die Fachkompetenz im Netzwerk- und Security-Bereich mitbringt«, weiß Frank Söder, verantwortlich für das Geschäft mit Schule bei der Nördlinger Kutschbach Electronic GmbH.

Und weil es auf sehr engen Kontakten mit den örtlichen Ämtern beruht, gestaltet sich das Schulgeschäft auch als sehr regionales Geschäft. Hinzu kommt, dass Landratsämter die Investitionen der örtlichen Schulen auch vorzugsweise örtlichen IT-Dienstleistern zuschanzen, damit »das Geld im Lande bleibt«.

Was ist bei Ausschreibungen zu beachten

Wer sich für eine Schulausschreibung bewirbt, sollte einige Besonderheiten beachten: Beispielsweise die Gratwanderung zwischen der Forderung nach günstigen Preisen und technologisch aktuellen Produkten. »Im Grund brauchen Schulen immer die neueste, leistungsfähigste Hard- und Software, denn die Schüler merken schnell, ob sie mit alten Kamellen arbeiten oder mit Top-Technologie«, gibt Söder zu bedenken. Da kann es sich durchaus als Eigentor erweisen, wenn aus Kostengründen veraltetes, qualitativ minderwertiges Material angeboten wird, da die Kunden, sprich die Schüler, hinterher unzufrieden sind. Generell sind die Anforderungen an einen Schulrechner weit höher als in einem Unternehmen, in dem morgens der PC ein- und abends wieder ausgeschaltet wird. Anders beim Schul-PC, an dem auch noch eine Vielzahl von Schülern herumwerkeln, welche die Geräte nicht sehr pfleglich behandeln.

Auf dem neusten Stand sollte auf jeden Fall das Wissen des Systemhauses über die grade aktuellen Schulkonditionen ? Rabatte, Bundles, Lizenzen ? der Hard- und Software-Hersteller sein. Denn diese bieten oft konkurrenzlos günstige Preise für Ausbildungsstätten, da sie den Einsatz ihrer Produkte in Schulen als Marketing-Aktionen verbuchen. Und diese Sonderkonditionen sind in den Ausschreibungen meist schon einkalkuliert. »Deshalb sind die Preise, die sich die Schulen vorstellen, ohne die Sonderrabatte der Hersteller gar nicht zu halten. Man hat ohne sie keine Chance«, betont Söder.

Das Geschäft mit der Dienstleistung, das Killerargument, das Hersteller und Analysten nicht müde werden als Geschäftschance Nummer eins zu propagieren, ist bei Schulen ein hartes Brot. Einiges hat sich Leiß zufolge allerdings inzwischen zum Besseren geändert. »Vor einigen Jahren mussten wir noch massiv Überzeugungsarbeit leisten, um den Entscheidern in den Schulen klar zu machen, dass die reinen Anschaffungskosten nicht der ausschlaggebende Kostenfaktor von IT sind.« Inzwischen seien sie sich zumindest bewusst, dass Folgekosten in Form von Administration, Desktop-Support etc. hinzu kommen. Auch wenn deshalb noch lange kein ausreichendes Budget dafür bereit gestellt wird.

Fakt ist: IT-Netze funktionieren nicht von alleine. Wer also leistet diese zwingend nötigen Betreuungsaufwand und Unterhaltskosten im Schulnetz, die für die Stabilität der Schul-EDV zwingend nötig sind? Denn in der Ausschreibung werden diese Kosten meist nicht berücksichtigt und sind damit auch nicht im Angebot der Systemhäuser inbegriffen.

Derzeit suchen sich die Schulen in der Regel, mit eigenem Personal zu behelfen. IT-Systemhäuser müssen demnach mit den EDV-Zuständigen, sprich den Lehrern der Schulen, »konkurrieren«, die quasi kostenlos, allerdings meist mehr schlecht als recht Admin-Tätigkeiten erledigen. Für diese Aufgabe sind sie im Schnitt eine lächerliche Stunde pro Woche frei gestellt. Denn alleine die Kleinigkeiten, des Desktop-Supports, ? Software läuft nicht, Drucker druckt nicht, Mail funktioniert nicht ? verschlingt eigentlich schon ein Vielfaches dieser Zeit.

Eine Ausbildung für diese »Laien-Admins« außerhalb der normalen Lehrerfortbildung ist nicht vorgesehen. »Die Weiterbildung der Lehrer kann nicht einmal mit der Ausrüstung, welche die Sachaufwandsträger zur Verfügung stellen, Schritt halten«, moniert Herzog. In Laufen stellt die Gemeinde deshalb den Schulen den eigenen EDV-Sachverständigen zur Seite, denn »externe Dienstleister sind bei uns aus Kostengründen nicht vorgesehen«, bestätigt Herzog.

Besteht jedoch ein Vertrauensverhältnis zu den Verantwortlichen der Schule, lässt sich mit dem Sachaufwandsträger aber auch nachträglich ein Vertrag für die Betreuung der Schule aushandeln, machte Leiß die Erfahrung. Er empfiehlt ein Wartungsintervall von vier Wochen, »das bliebe einerseits in einem akzeptablen Kostenrahmen für den kostensensiblen Schulkunden, andererseits seien die anfallenden Wartungsarbeiten für vier Wochen grade noch zu schaffen«. Auch Schulungen für Lehrer hält Leiß ab, allerdings nur in begrenztem Rahmen: So lernen die Lehrer Grundlegendes über Server-Bedienung, »um den Netzwerkbetrieb grade mal so aufrecht erhalten zu können«.

Auf das Vorort-Engagement von IT-Dienstleistern werden die Bildungseinrichtungen auch in Zukunft angewiesen sein, wenn ihr Netzwerk reibungslos laufen soll. Und weiterhin wird auch für Systemhäuser in diesem Segment die Devise lauten: »Bestmöglicher Support mit möglichst bescheidenen Mitteln«. Und diese treiben die Verantwortlichen erfahrungsgemäß immer auf.


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Matchmaker+