Software-Distribution: Beim Lizenzmanagement zählt die Beratung

10. Juni 2004, 0:00 Uhr | Samba Schulte

Software-Distribution: Beim Lizenzmanagement zählt die Beratung. Mit dem Vertrieb von Software-Lizenzen lässt sich gut verdienen. Der Haken am zukunftsträchtigen Geschäft: Die Fachhändler sind von den komplizierten Lizenzprogrammen der Hersteller überfordert. Deshalb ist hier die Distribution gefragt, um Aufklärung und Beratung zu leisten.

Software-Distribution: Beim Lizenzmanagement zählt die Beratung

Irgendwann ist der Punkt erreicht, da selbst lernstarke Händler kapitulieren. Wieder eine Änderung im Microsoft-Lizenzmodell, und wieder ärgert sich ein Partner. Diesmal geht es um die Ausrüstung einer Schule: »Jetzt brauchen die auch noch die Unterschrift des Schuldirektors.« Ein Irrsinn, findet Carsten Richelt von Computer Competenz Center: »Bei jeder Änderung des Lizenzprogramms muss ich mich komplett neu einarbeiten.«

Computer Competenz Center mit Ladengeschäft im Brandenburg engagiert sich seit neustem im Projektgeschäft. Gerade solche mittelständischen Händler, die im Geschäft mit beratungsintensiven Software-Produkten noch nicht sehr erfahren sind, haben Schwierigkeiten mit den komplexen Lizenzvertriebsprogrammen der Anbieter. »Die Frage, welche Variante für welchen Kunden sinnvoll ist, können selbst große Systemhäuser häufig nicht beantworten«, weiß Markus Kürschner, Geschäftsführer von Software-Distributor Maily.

Dies ist kein Wunder, gleicht doch kein Hersteller-Programm dem anderen. Jeder arbeitet mit eigenen Preisstaffeln und Grundmodellen (Client- oder Server-basiert), je nach Kundensegment und/ oder Projektgröße kocht jeder Hersteller sein eigenes Süppchen. Auch die Abwicklung hält noch spezielle Stolpersteine parat: »Leider stellen die wenigsten Anbieter einen schnellen und unkomplizierten Online-Zugriff für den Download zur Verfügung wie etwa Trend Micro«, beschwert sich Richelt. Und immer noch gibt es Hersteller, die ihren Freischaltcode an den Kunden weiterreichen, ohne zeitgleich die Distribution zu informieren, damit diese die Ware auch fakturieren kann. »Wenn wir dann vier Monate später informiert werden, hat es zwischendurch schon eine Menge Verwirrung gegeben«, konstatiert Kürschner. Schwierig sei außerdem, dass die Hersteller in ihren Lizenzmodellen in der Praxis eingeführte und gängige Vertriebswege wie etwa Subdistribution gar nicht berücksichtigten.

Paradoxerweise verargumentieren die großen Software-Anbieter wie Microsoft oder IBM ihre komplexe Lizenzkonstrukte damit, dass sie auf bestimmte Endkundensegmente exakt zugeschnittene Lösungen anbieten wollen. Doch sie erreichen damit nicht selten das Gegenteil: Die Kunden erhalten aus mangelnder Fachkenntnis der betreuenden Systemhäuser, welche die Fülle der Modelle nicht mehr überblicken und beherrschen können, nicht selten ein unpassendes Lizenzmodell. »Diesen hoch spezialisierten Programmen stehen meist nur wenig spezialisierte Händler gegenüber«, glaubt Ernesto Schmutter, Senior Director Software, Multimedia Home Entertainment & Components bei Ingram Micro. Denn es ist für mittelständische Systemhäuser einfach nicht möglich, ihre Mitarbeiter jedes Jahr einen aufwändigen Trainings- und Zertifizierungsparcours für ihr Spezialgebiet absolvieren zu lassen, um auf dem Laufenden zu bleiben und den Wissensvorsprung zu halten. Wolfgang Ebermann, Dirctor Small & Mid-Market Solutions von Microsoft, räumt ein, dass das Linzenzprogramm kompliziert sei und wiegelt ab: »Mit Einführung des Lizenzprogramms 6.0 wollten wir die Komplexität reduzieren und trotzdem flexibel bleiben.« Abhilfe sollen Trainings schaffen.

Fachhandel braucht Lizenzberatung

Dass das Geschäft mit dem Vertrieb von Software-Lizenzen zulegen wird, darin sind sich die Marktteilnehmer einig. »Der Software-Bereich ist bei uns eindeutig der stärkste Wachstumsmarkt«, erklärt Marc Müller, Geschäftsführer des Value-Add-Distributors Tech Data Midrange. »Im Software-Geschäft erwirtschaften wir einen hohen Deckungsbeitrag und die Margen für die Produkte der Anbieter, etwa Oracle, VMware oder Veritas, sind stabil.« Wie die Partner baute der Spezialdistributor im Bereich Server- und Storage-Hardware seine Software-Kompetenzen aus. »Wir haben heute sehr viele reine Software-Partner«, erklärt Müller. TD Midranges Broadliner-Mutter Tech Data ? traditionell stark im Vertrieb von Standardprodukten an den Retail ? erwirtschaftet nach eigenen Angaben bereits rund 50 Prozent des Software-Umsatzes mit dem Vertrieb von Lizenzen. »In diesem Bereich wollen wir vor allem bei den SMB-Händlern Gas geben«, erklärt Tech Datas Leiter Marketing Software Andreas Schremmer.

Viele Hersteller und Distributoren erhoffen sich beim Lizenzvertrieb Zuwächse über das SMB-Segment. Doch dort beißt sich die Katze in den Schwanz, denn gerade den heiß umworbenen Mittelständlern fehlt das nötige Know-how im Bereich beratungsintensive Software. »Vor allem diese Partner brauchen unsere Beratungsleistungen«, fordert Schremmer. Somit kommt der Distribution bei der Steigerung des Lizenzumsatzes im SMB-Segment eine entscheidende Rolle zu.

Broadliner im Anmarsch auf das Lizenzgeschäft

Kompetente Lizenzberatung beanspruchten bis vor kurzem vor allem die Spezialsoftware-Distributoren für sich. Doch sie müssen sich in diesem Marktsegment für den zunehmenden Wettbewerb mit den Broadlinern rüsten, denn Ingram Micro und Tech Data forcieren dieses Geschäftsfeld massiv. Immerhin sind die Hauptlieferanten der Fachhändler bei Software-Produkten laut der Reseller-Befragung CRN Channeltracks die Distributoren Ingram mit 33,7 Prozentpunkten und Tech Data (14,7 Prozent). Die spezialisierten Software-Distributoren Maily (2,6 Prozent), Softline (1,3 Prozent) oder Computerlinks (1,3 Prozent) werden von den befragten IT-Fachhändlern deutlich seltener genutzt.

Die Spezialdistributoren und VADs stellen als Alleinstellung ihre Beratungskompetenz und die starke Kundenbindung heraus. »Trotz der höheren Preise unseres Software-Lieferanten Maily konnten wir durch dessen optimale Beratung dem Kunden preiswertere Lizenzen anbieten«, lobt Gregor Bonse, Leiter Materialwirtschaft bei der Cosus GmbH.

Doch gerade dort wollen auch die Broadliner künftig kräftig punkten: Ingram Micro hat vor wenigen Wochen einen VAD-Geschäftsbereich für Software-Lösungen ins Leben gerufen, der vor allem auch für die Lizenzberatung für Händler im Projektbereich zuständig ist: Das Service-Angebot reicht von der Information über die verschiedenen Lizenzmodelle der Hersteller mit vergleichenden Übersichten im Online-Lizenzen-Portal, Beratungen übers Telefon oder auf Wunsch auch vor Ort beim Partner, Support, Roadshows, Trainings und Finanzierungshilfen. »Und all das können wir genauso gut wie ein Spezialdistributor«, meint Schmutter.

Demnächst wird der Distributor in den ehemaligen Trainingsräumen von Compu-Shack in Haar das neue »License Solution Center« eröffnen. Dort sollen rund 30 Mitarbeiter tätig sein und Trainings und Schulungen zu erklärungsbedürftigen Lösungen von IBM, Trend Micro oder Veritas durchführen. Hinzu kommen Schulungen der Hersteller. In den Hersteller-Teams beschäftigen die Broadliner bis zu vier Experten, die im Jahr bis zu vier Hersteller-Trainings durchlaufen. Händler Richelt aus Brandenburg ist jedenfalls mit dem Know-how der Grossisten, ob Hexacom oder Tech Data, zufrieden: »Die Beratungsleistung der Distributoren hilft uns wesentlich weiter.«


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