Software-Patente ? Fluch oder Segen?. Der Konflikt um Software-Patente ist nicht neu: In den USA ist die Vergabe von Software-Patenten gang und gäbe, und Aktivisten fordern schon lange deren Abschaffung. Doch nun flammt dieser Konflikt auch in Deutschland auf, denn die Einführung dieses Patentrechts droht auch in der EU. Die Diskussionen in der IT-Branche sind hoch emotional, und die Meinungen könnten nicht weiter auseinander klaffen: Bedeuten Software-Patente wirklich das Aus für kleine Software-Entwickler und Integratoren oder wirken Software-Patente innovations- und wirtschaftsfördernd ?
Autor: Hartmut Goebel
Mit spektakulären Aktionen machen die Gegner der Software-Patente auf ihr Anliegen aufmerksam: Beim Linuxtag in Karlsruhe protestierten sie in Gefangenenkleidung gegen ihre »Kriminalisierung«. »Auch wenn die meisten Teilnehmer dieser Demonstration offensichtlich Opensource-Programmierer waren, gesellten sich doch zirka 80 Leute im Anzug dazu, berichtet Jan Wildeboer vom »Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur« (FFII), stolz. Er kämpft schon seit einigen Jahren gegen Softwarepatente und interpretiert dies als deutliches Zeichen, dass die Problematik auch außerhalb der Opensource-Szene langsam wahrgenommen wird. Denn Software-Patente betreffen nicht nur flippige Programmierer freier Software, sondern durchaus auch die Entwickler proprietärer Lösungen.
Eine ganz andere Meinung vertreten die großen Software-Konzerne, und auch der Europäische Rat tendiert dahin, in Europa Patente auf Softwareerfindungen zuzulassen. »Software-Patente sollen die Innovation fördern und die Wirtschaft stärken sowie Investitionsanreize und Chancen für neue Geschäftsfelder liefern«, proklamieren sie. Das Bundesjustizministerium unterstützt den Vorschlag inzwischen ebenfalls eindeutig. Das Europäische Parlament hat sich zwar gegen den Entwurf gestellt ? was die Berliner Justizministerin aber geflissentlich ignoriert.
Jede Partei führt natürlich entsprechende Argumente ins Feld. So betrachtet das FFII Software-Patente als großes Hindernis für die volkswirtschaftliche Entwicklung, mit gutem Grund, wie Wildeboer meint: »Gerade kleine und mittlere Firmen können sich den Aufwand einer Patentanmeldung gar nicht leisten. Und wenn, dann fehlt ihnen das Kapital, um ihre Ansprüche gegen die Großen durchzusetzen. Somit nutzen Software-Patente nur den Konzernen mit ihren Patentabteilungen.«
Eine weitere Schwierigkeit: Software-Patente sind häufig trivial und breit angelegt. Ein entsprechendes »Kuriositätenkabinett« hat die FFII auf einer Website zusammengestellt: Dort finden sich unter anderem »der Onlineshop«, »der elektronische Warenkorb« oder die »Bezahlung über das Internet mithilfe einer Kreditkarte«, Funktionalitäten oder, besser gesagt: alltägliche Handlungen, die in vielen Anwendungen gang und gäbe sind. Es wäre, als würde man »das Frühstücken« mit einem Patent belegen, monieren Gegner.
Die Bitkom hingegen, Fürsprecher der Software-Industrie, spricht deshalb lieber von »Patenten für computerimplementierte Erfindungen«, wobei die Betonung auf »Erfindung« liegt. Damit sollen laut Susanne Schopf, Referentin für Urheberrecht und gewerblichen Rechtsschutz bei Bitkom, solche »Trivialpatente« verhindert werden. Dazu, wie die Abgrenzung funktionieren soll, hat sie allerdings auch keine Idee: »Das ist nur schwer mit Gesetzesmitteln in Griff zu bekommen. Die Patentämter müssen entsprechend ausgestattet und qualifiziert werden. Notfalls müssen die Gerichte entscheiden« - womit sie wohl teure Patent-Anfechtungsklagen meint.
Trotz dieser Unklarheiten unterstützt die Bitkom die aktuelle Richtlinie des Ministerrats der EU. Die Position ist durch eine Umfrage gestützt, bei der 100 Mitglieder geantwortet haben. Ein Großteil hiervon befürwortete, den Status quo bei Software-Patenten beizubehalten oder auszubauen. Was allerdings ein Widerspruch ist, denn aktuell existieren in der EU keine Software-Patente.
Auch wenn der Streit am Thema Linux hochkocht (siehe Kasten), betrifft das Problem alle Softwareentwickler ? ob sie nun freie oder proprietäre Software schreiben. Denn in der Softwareindustrie gibt es so viele Patente, dass jede Softwareentwicklung eine Patentrecherche erfordert. Dabei wird untersucht, ob die Entwicklung zu einer Kollision mit bestehenden Rechten führt. Dies kann kein kleines oder mittelständisches Software-Haus leisten, von freien Entwicklern ganz zu schweigen.
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